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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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an mich gezogen, ich habe hier mehr gelernt als sonst
in meinem ganzen Leben, die Spielereien gehen ihren
Gang, und etwas Weniges nüze ich doch auch noch."

Er schwieg nach diesen Worten eine Weile, und
ich auch. Dann fuhr er wieder fort: "Ich habe das
alles mittheilen müssen, damit ihr wißt, wie ich mit
der Familie in dem Sternenhofe zusammenhänge, und
damit in dem Kreise, in welchen ihr nun auch tretet,
für euch Klarheit ist. Die Kinder wissen die Verhält¬
nisse im Allgemeinen, ein näheres Eingehen war für
sie nicht so nöthig wie für euch. Ich wünsche nicht,
daß ihr gegen eure künftige Gattin Geheimnisse habt,
ihr könnt Natalien mittheilen, was ich euch sagte, ich
konnte es, wie ihr begreifet, nicht. Über Nataliens
Zukunft sprach ich oft mit Mathilden. Sie sollte einen
Gatten bekommen, den sie aus tiefer Neigung nimmt.
Es sollte die gegenseitige größte Hochachtung vor¬
handen sein. Durch beides sollte sie das Glück finden,
das ihre Mutter und ihren väterlichen Freund ge¬
mieden hat. Mathilde hat in Begleitung des alten
Raimund, der seitdem gestorben ist, große Reisen
gemacht. Sie hat auf denselben dauerndere Ruhe
gesucht, und auch gefunden. Sie hat sie in der Be¬
trachtung der edelsten Kunstwerke des menschlichen Ge¬

an mich gezogen, ich habe hier mehr gelernt als ſonſt
in meinem ganzen Leben, die Spielereien gehen ihren
Gang, und etwas Weniges nüze ich doch auch noch.“

Er ſchwieg nach dieſen Worten eine Weile, und
ich auch. Dann fuhr er wieder fort: „Ich habe das
alles mittheilen müſſen, damit ihr wißt, wie ich mit
der Familie in dem Sternenhofe zuſammenhänge, und
damit in dem Kreiſe, in welchen ihr nun auch tretet,
für euch Klarheit iſt. Die Kinder wiſſen die Verhält¬
niſſe im Allgemeinen, ein näheres Eingehen war für
ſie nicht ſo nöthig wie für euch. Ich wünſche nicht,
daß ihr gegen eure künftige Gattin Geheimniſſe habt,
ihr könnt Natalien mittheilen, was ich euch ſagte, ich
konnte es, wie ihr begreifet, nicht. Über Nataliens
Zukunft ſprach ich oft mit Mathilden. Sie ſollte einen
Gatten bekommen, den ſie aus tiefer Neigung nimmt.
Es ſollte die gegenſeitige größte Hochachtung vor¬
handen ſein. Durch beides ſollte ſie das Glück finden,
das ihre Mutter und ihren väterlichen Freund ge¬
mieden hat. Mathilde hat in Begleitung des alten
Raimund, der ſeitdem geſtorben iſt, große Reiſen
gemacht. Sie hat auf denſelben dauerndere Ruhe
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[350/0364] an mich gezogen, ich habe hier mehr gelernt als ſonſt in meinem ganzen Leben, die Spielereien gehen ihren Gang, und etwas Weniges nüze ich doch auch noch.“ Er ſchwieg nach dieſen Worten eine Weile, und ich auch. Dann fuhr er wieder fort: „Ich habe das alles mittheilen müſſen, damit ihr wißt, wie ich mit der Familie in dem Sternenhofe zuſammenhänge, und damit in dem Kreiſe, in welchen ihr nun auch tretet, für euch Klarheit iſt. Die Kinder wiſſen die Verhält¬ niſſe im Allgemeinen, ein näheres Eingehen war für ſie nicht ſo nöthig wie für euch. Ich wünſche nicht, daß ihr gegen eure künftige Gattin Geheimniſſe habt, ihr könnt Natalien mittheilen, was ich euch ſagte, ich konnte es, wie ihr begreifet, nicht. Über Nataliens Zukunft ſprach ich oft mit Mathilden. Sie ſollte einen Gatten bekommen, den ſie aus tiefer Neigung nimmt. Es ſollte die gegenſeitige größte Hochachtung vor¬ handen ſein. Durch beides ſollte ſie das Glück finden, das ihre Mutter und ihren väterlichen Freund ge¬ mieden hat. Mathilde hat in Begleitung des alten Raimund, der ſeitdem geſtorben iſt, große Reiſen gemacht. Sie hat auf denſelben dauerndere Ruhe geſucht, und auch gefunden. Sie hat ſie in der Be¬ trachtung der edelſten Kunſtwerke des menſchlichen Ge¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/364>, abgerufen am 22.11.2024.