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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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sagt ihr nur euren Willen; aber ich bin nicht verbun¬
den, eure Vorschriften zu befolgen, ich werde euer
Kind lieben, so lange ein Blutstropfen in mir ist, ich
werde mit aller Kraft streben, einst in ihren Besiz zu
gelangen. Und da sie euch gehorsam ist, so wird sie
mit mir nicht mehr sprechen, sie wird mich nicht mehr
ansehen, ich werde weit von hier fortgehen; aber lie¬
ben werde ich sie doch, so lange dieses Leben währt
und das künftige, ich werde nie einer andern ein Theil¬
chen von Neigung schenken, und werde nie von ihr
lassen." So hättest du sprechen sollen, und wenn du
von unserm Schlosse fortgegangen wärest, so hätte
ich gewußt, daß du so gesprochen hast, und tausend
Millionen Ketten hätten mich nicht von dir gerissen,
und jubelnd hätte ich einst in Erfüllung gebracht,
was dir dieses stürmische Herz gegeben. Du hast den
Bund aufgelöset, ehe du mit mir hieher gegangen
bist, ehe du mich zu dieser Bank geführt hast, die ich
dir gutwillig folgte, weil ich nicht wußte, was du
gethan hast. Wenn jezt auch der Vater und die Mut¬
ter kämen, und sagten: "Nehmet euch, besizet euch in
Ewigkeit," so wäre doch alles aus. Du hast die Treue
gebrochen, die ich fester gewähnt habe als die Säulen

ſagt ihr nur euren Willen; aber ich bin nicht verbun¬
den, eure Vorſchriften zu befolgen, ich werde euer
Kind lieben, ſo lange ein Blutstropfen in mir iſt, ich
werde mit aller Kraft ſtreben, einſt in ihren Beſiz zu
gelangen. Und da ſie euch gehorſam iſt, ſo wird ſie
mit mir nicht mehr ſprechen, ſie wird mich nicht mehr
anſehen, ich werde weit von hier fortgehen; aber lie¬
ben werde ich ſie doch, ſo lange dieſes Leben währt
und das künftige, ich werde nie einer andern ein Theil¬
chen von Neigung ſchenken, und werde nie von ihr
laſſen.“ So hätteſt du ſprechen ſollen, und wenn du
von unſerm Schloſſe fortgegangen wäreſt, ſo hätte
ich gewußt, daß du ſo geſprochen haſt, und tauſend
Millionen Ketten hätten mich nicht von dir geriſſen,
und jubelnd hätte ich einſt in Erfüllung gebracht,
was dir dieſes ſtürmiſche Herz gegeben. Du haſt den
Bund aufgelöſet, ehe du mit mir hieher gegangen
biſt, ehe du mich zu dieſer Bank geführt haſt, die ich
dir gutwillig folgte, weil ich nicht wußte, was du
gethan haſt. Wenn jezt auch der Vater und die Mut¬
ter kämen, und ſagten: „Nehmet euch, beſizet euch in
Ewigkeit,“ ſo wäre doch alles aus. Du haſt die Treue
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[320/0334] ſagt ihr nur euren Willen; aber ich bin nicht verbun¬ den, eure Vorſchriften zu befolgen, ich werde euer Kind lieben, ſo lange ein Blutstropfen in mir iſt, ich werde mit aller Kraft ſtreben, einſt in ihren Beſiz zu gelangen. Und da ſie euch gehorſam iſt, ſo wird ſie mit mir nicht mehr ſprechen, ſie wird mich nicht mehr anſehen, ich werde weit von hier fortgehen; aber lie¬ ben werde ich ſie doch, ſo lange dieſes Leben währt und das künftige, ich werde nie einer andern ein Theil¬ chen von Neigung ſchenken, und werde nie von ihr laſſen.“ So hätteſt du ſprechen ſollen, und wenn du von unſerm Schloſſe fortgegangen wäreſt, ſo hätte ich gewußt, daß du ſo geſprochen haſt, und tauſend Millionen Ketten hätten mich nicht von dir geriſſen, und jubelnd hätte ich einſt in Erfüllung gebracht, was dir dieſes ſtürmiſche Herz gegeben. Du haſt den Bund aufgelöſet, ehe du mit mir hieher gegangen biſt, ehe du mich zu dieſer Bank geführt haſt, die ich dir gutwillig folgte, weil ich nicht wußte, was du gethan haſt. Wenn jezt auch der Vater und die Mut¬ ter kämen, und ſagten: „Nehmet euch, beſizet euch in Ewigkeit,“ ſo wäre doch alles aus. Du haſt die Treue gebrochen, die ich feſter gewähnt habe als die Säulen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/334>, abgerufen am 22.11.2024.