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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Gespräch hierin, falls wir in den Gegenständen zu¬
sammentreffen, nicht unangenehm ist, so betrachtet mich
als euren älteren Bruder, und zwar nicht blos hierin
sondern auch in allen anderen Dingen.""

""Ich bin durch eure Güte sehr beschämt,"" ant¬
wortete ich, ""und sehe jezt erst, wie groß die Aufgabe
ist, die ich in eurem Hause habe. Ich weiß nicht, ob
ich ihr auch nur in einem geringen Maße werde ge¬
nügen können.""

""Es wird vielleicht nicht schwer sein, zu genü¬
gen,"" erwiederte er."

""Wenn es aber doch nicht geschähe?"" fragte ich."

""Dann wären wir so offen, und sagten es euch,
damit man darnach handeln könnte,"" antwortete er."

""Das erleichtert mir mein Herz sehr,"" erwiederte
ich; ""denn auf diese Weise wird nie Mißtrauen auf¬
kommen können. Ich habe bisher nur in zwei Fami¬
lien gelebt, in der meiner Mutter -- denn mein Vater
ist in meiner frühen Jugend gestorben -- und in der
eines würdigen alten Amtmannes, in dessen Hause
ich während meiner lateinischen Schulen in Kost und
Wohnung war. Die erste Familie ist mir wie jedem
Menschen unvergeßlich, und die zweite ist es mir
auch.""

Geſpräch hierin, falls wir in den Gegenſtänden zu¬
ſammentreffen, nicht unangenehm iſt, ſo betrachtet mich
als euren älteren Bruder, und zwar nicht blos hierin
ſondern auch in allen anderen Dingen.““

„„Ich bin durch eure Güte ſehr beſchämt,““ ant¬
wortete ich, „„und ſehe jezt erſt, wie groß die Aufgabe
iſt, die ich in eurem Hauſe habe. Ich weiß nicht, ob
ich ihr auch nur in einem geringen Maße werde ge¬
nügen können.““

„„Es wird vielleicht nicht ſchwer ſein, zu genü¬
gen,““ erwiederte er.“

„„Wenn es aber doch nicht geſchähe?““ fragte ich.“

„„Dann wären wir ſo offen, und ſagten es euch,
damit man darnach handeln könnte,““ antwortete er.“

„„Das erleichtert mir mein Herz ſehr,““ erwiederte
ich; „„denn auf dieſe Weiſe wird nie Mißtrauen auf¬
kommen können. Ich habe bisher nur in zwei Fami¬
lien gelebt, in der meiner Mutter — denn mein Vater
iſt in meiner frühen Jugend geſtorben — und in der
eines würdigen alten Amtmannes, in deſſen Hauſe
ich während meiner lateiniſchen Schulen in Koſt und
Wohnung war. Die erſte Familie iſt mir wie jedem
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[262/0276] Geſpräch hierin, falls wir in den Gegenſtänden zu¬ ſammentreffen, nicht unangenehm iſt, ſo betrachtet mich als euren älteren Bruder, und zwar nicht blos hierin ſondern auch in allen anderen Dingen.““ „„Ich bin durch eure Güte ſehr beſchämt,““ ant¬ wortete ich, „„und ſehe jezt erſt, wie groß die Aufgabe iſt, die ich in eurem Hauſe habe. Ich weiß nicht, ob ich ihr auch nur in einem geringen Maße werde ge¬ nügen können.““ „„Es wird vielleicht nicht ſchwer ſein, zu genü¬ gen,““ erwiederte er.“ „„Wenn es aber doch nicht geſchähe?““ fragte ich.“ „„Dann wären wir ſo offen, und ſagten es euch, damit man darnach handeln könnte,““ antwortete er.“ „„Das erleichtert mir mein Herz ſehr,““ erwiederte ich; „„denn auf dieſe Weiſe wird nie Mißtrauen auf¬ kommen können. Ich habe bisher nur in zwei Fami¬ lien gelebt, in der meiner Mutter — denn mein Vater iſt in meiner frühen Jugend geſtorben — und in der eines würdigen alten Amtmannes, in deſſen Hauſe ich während meiner lateiniſchen Schulen in Koſt und Wohnung war. Die erſte Familie iſt mir wie jedem Menſchen unvergeßlich, und die zweite iſt es mir auch.““

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/276>, abgerufen am 24.11.2024.