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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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"In den ersten Ferien besuchte ich die Mutter und
Schwester. Ich hatte die besten Zeugnisse in meinem
Koffer, und konnte ihnen von meinen sehr guten an¬
derweitigen Erfolgen erzählen; denn gegen das Ende
des Schuljahres hatten sich diese sehr gebessert. Mit
ganz anderem Herzen als vor einem Jahre konnte ich
nach dem Ende der Ferien das mütterliche Haus ver¬
lassen, und die Reise in die Stadt antreten."

"Nach dem zweiten Jahre konnte ich die Meinigen
nicht mehr besuchen. Ich war in der Stadt bekannt
geworden, die Art, wie ich Kinder unterrichtete, sagte
vielen Familien zu, man suchte mich, und gab mir
auch einen größeren Lohn. Ich konnte mir dadurch
mehr erwerben, legte mir stets etwas als Sparpfennig
zurück, und hatte bei der Freudigkeit meines Gemüthes
über diesen Fortgang Kraft genug, neben meinem
Fache auch noch meine Lieblingswissenschaften Mathe¬
matik und Naturlehre zu betreiben. Nur das Einzige
war störend, daß die Familien, bei denen ich Unter¬
richt gab, nicht gerne sahen, daß ich durch eine Reise
den Unterricht unterbreche. Es war diese Forderung
eine begreifliche, ich blieb mit den Meinigen in einem
lebhafteren Briefwechsel als früher, und verabredete
mit ihnen, daß ich nicht eher als nach Beendigung

„In den erſten Ferien beſuchte ich die Mutter und
Schweſter. Ich hatte die beſten Zeugniſſe in meinem
Koffer, und konnte ihnen von meinen ſehr guten an¬
derweitigen Erfolgen erzählen; denn gegen das Ende
des Schuljahres hatten ſich dieſe ſehr gebeſſert. Mit
ganz anderem Herzen als vor einem Jahre konnte ich
nach dem Ende der Ferien das mütterliche Haus ver¬
laſſen, und die Reiſe in die Stadt antreten.“

„Nach dem zweiten Jahre konnte ich die Meinigen
nicht mehr beſuchen. Ich war in der Stadt bekannt
geworden, die Art, wie ich Kinder unterrichtete, ſagte
vielen Familien zu, man ſuchte mich, und gab mir
auch einen größeren Lohn. Ich konnte mir dadurch
mehr erwerben, legte mir ſtets etwas als Sparpfennig
zurück, und hatte bei der Freudigkeit meines Gemüthes
über dieſen Fortgang Kraft genug, neben meinem
Fache auch noch meine Lieblingswiſſenſchaften Mathe¬
matik und Naturlehre zu betreiben. Nur das Einzige
war ſtörend, daß die Familien, bei denen ich Unter¬
richt gab, nicht gerne ſahen, daß ich durch eine Reiſe
den Unterricht unterbreche. Es war dieſe Forderung
eine begreifliche, ich blieb mit den Meinigen in einem
lebhafteren Briefwechſel als früher, und verabredete
mit ihnen, daß ich nicht eher als nach Beendigung

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[242/0256] „In den erſten Ferien beſuchte ich die Mutter und Schweſter. Ich hatte die beſten Zeugniſſe in meinem Koffer, und konnte ihnen von meinen ſehr guten an¬ derweitigen Erfolgen erzählen; denn gegen das Ende des Schuljahres hatten ſich dieſe ſehr gebeſſert. Mit ganz anderem Herzen als vor einem Jahre konnte ich nach dem Ende der Ferien das mütterliche Haus ver¬ laſſen, und die Reiſe in die Stadt antreten.“ „Nach dem zweiten Jahre konnte ich die Meinigen nicht mehr beſuchen. Ich war in der Stadt bekannt geworden, die Art, wie ich Kinder unterrichtete, ſagte vielen Familien zu, man ſuchte mich, und gab mir auch einen größeren Lohn. Ich konnte mir dadurch mehr erwerben, legte mir ſtets etwas als Sparpfennig zurück, und hatte bei der Freudigkeit meines Gemüthes über dieſen Fortgang Kraft genug, neben meinem Fache auch noch meine Lieblingswiſſenſchaften Mathe¬ matik und Naturlehre zu betreiben. Nur das Einzige war ſtörend, daß die Familien, bei denen ich Unter¬ richt gab, nicht gerne ſahen, daß ich durch eine Reiſe den Unterricht unterbreche. Es war dieſe Forderung eine begreifliche, ich blieb mit den Meinigen in einem lebhafteren Briefwechſel als früher, und verabredete mit ihnen, daß ich nicht eher als nach Beendigung

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/256>, abgerufen am 24.11.2024.