so beziehen sich die Ergebnisse der Arbeiten der Staats¬ männer meist auf Beziehungen und Verhältnisse der Staatsglieder oder der Staaten, sie liefern daher Fassun¬ gen nicht Gestalten. So wie ich in der Kindheit oft den abgezogenen Begriffen eine Gestalt leihen mußte um sie halten zu können, so habe ich oft in gereiften Jah¬ ren im Staatsdienste, wenn es sich um Staatsbezie¬ hungen um Forderungen anderer Staaten an uns oder unseres Staates an andere handelte, mir die Staaten als einen Körper und eine Gestalt gedacht, und ihre Beziehungen dann an ihre Gestalten ange¬ knüpft. Auch habe ich nie vermocht, die bloßen eige¬ nen Beziehungen oder den Nuzen unseres Staates allein als das höchste Gesez und die Richtschnur mei¬ ner Handlungen zu betrachten. Die Ehrfurcht vor den Dingen, wie sie an sich sind, war bei mir so groß, daß ich bei Verwicklungen streitigen Ansprüchen und bei der Nothwendigkeit, manche Sachen zu ordnen, nicht auf unsern Nuzen sah, sondern auf das, was die Dinge nur für sich forderten, und was ihrer Wesen¬ heit gemäß war, damit sie das wieder werden, was sie waren, und das, was ihnen genommen wurde, erhalten, ohne welchem sie nicht sein können, was sie sind. Diese meine Eigenschaft hat mir manchen Kum¬
ſo beziehen ſich die Ergebniſſe der Arbeiten der Staats¬ männer meiſt auf Beziehungen und Verhältniſſe der Staatsglieder oder der Staaten, ſie liefern daher Faſſun¬ gen nicht Geſtalten. So wie ich in der Kindheit oft den abgezogenen Begriffen eine Geſtalt leihen mußte um ſie halten zu können, ſo habe ich oft in gereiften Jah¬ ren im Staatsdienſte, wenn es ſich um Staatsbezie¬ hungen um Forderungen anderer Staaten an uns oder unſeres Staates an andere handelte, mir die Staaten als einen Körper und eine Geſtalt gedacht, und ihre Beziehungen dann an ihre Geſtalten ange¬ knüpft. Auch habe ich nie vermocht, die bloßen eige¬ nen Beziehungen oder den Nuzen unſeres Staates allein als das höchſte Geſez und die Richtſchnur mei¬ ner Handlungen zu betrachten. Die Ehrfurcht vor den Dingen, wie ſie an ſich ſind, war bei mir ſo groß, daß ich bei Verwicklungen ſtreitigen Anſprüchen und bei der Nothwendigkeit, manche Sachen zu ordnen, nicht auf unſern Nuzen ſah, ſondern auf das, was die Dinge nur für ſich forderten, und was ihrer Weſen¬ heit gemäß war, damit ſie das wieder werden, was ſie waren, und das, was ihnen genommen wurde, erhalten, ohne welchem ſie nicht ſein können, was ſie ſind. Dieſe meine Eigenſchaft hat mir manchen Kum¬
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ſo beziehen ſich die Ergebniſſe der Arbeiten der Staats¬
männer meiſt auf Beziehungen und Verhältniſſe der
Staatsglieder oder der Staaten, ſie liefern daher Faſſun¬
gen nicht Geſtalten. So wie ich in der Kindheit oft den
abgezogenen Begriffen eine Geſtalt leihen mußte um
ſie halten zu können, ſo habe ich oft in gereiften Jah¬
ren im Staatsdienſte, wenn es ſich um Staatsbezie¬
hungen um Forderungen anderer Staaten an uns
oder unſeres Staates an andere handelte, mir die
Staaten als einen Körper und eine Geſtalt gedacht,
und ihre Beziehungen dann an ihre Geſtalten ange¬
knüpft. Auch habe ich nie vermocht, die bloßen eige¬
nen Beziehungen oder den Nuzen unſeres Staates
allein als das höchſte Geſez und die Richtſchnur mei¬
ner Handlungen zu betrachten. Die Ehrfurcht vor den
Dingen, wie ſie an ſich ſind, war bei mir ſo groß,
daß ich bei Verwicklungen ſtreitigen Anſprüchen und
bei der Nothwendigkeit, manche Sachen zu ordnen,
nicht auf unſern Nuzen ſah, ſondern auf das, was die
Dinge nur für ſich forderten, und was ihrer Weſen¬
heit gemäß war, damit ſie das wieder werden, was
ſie waren, und das, was ihnen genommen wurde,
erhalten, ohne welchem ſie nicht ſein können, was ſie
ſind. Dieſe meine Eigenſchaft hat mir manchen Kum¬
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/235>, abgerufen am 23.11.2024.
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