den Eigenschaften meines Geistes, die ich euch eben darlegte, noch eine besondere, deren Wesenheit ich erst sehr spät erkannte. Von Kindheit an hatte ich einen Trieb zur Hervorbringung von Dingen, die sinnlich wahrnehmbar sind. Bloße Beziehungen und Verhält¬ nisse sowie die Abziehung von Begriffen hatten für mich wenig Werth, ich konnte sie in die Versammlung der Wesen meines Hauptes nicht einreihen. Da ich noch klein war, legte ich allerlei Dinge an einan¬ der, und gab dem so Entstandenen den Namen einer Ortschaft, den ich etwa zufällig öfter gehört hatte, oder ich bog eine Gerte einen Blumenstengel und der¬ gleichen zu einer Gestalt und gab ihr einen Namen, oder ich machte aus einem Fleckchen Tuch den Vetter die Muhme; ja sogar jenen abgezogenen Begriffen und Verhältnissen, von denen ich sprach, gab ich Ge¬ stalten, und konnte sie mir merken. So erinnere ich mich noch jezt, daß ich als Kind öfter das Wort Kriegswerbung hörte. Wir bekamen damals einen neuen Ahorntisch, dessen Plattentheile durch dunkel¬ farbige Holzkeile an einander gehalten wurden. Der Querschnitt dieser Keile kam als eine dunkle Gestalt an der Dicke der Platte quer über die Fuge zum Vor¬ scheine, und diese Gestalt hieß ich die Kriegswerbung.
den Eigenſchaften meines Geiſtes, die ich euch eben darlegte, noch eine beſondere, deren Weſenheit ich erſt ſehr ſpät erkannte. Von Kindheit an hatte ich einen Trieb zur Hervorbringung von Dingen, die ſinnlich wahrnehmbar ſind. Bloße Beziehungen und Verhält¬ niſſe ſowie die Abziehung von Begriffen hatten für mich wenig Werth, ich konnte ſie in die Verſammlung der Weſen meines Hauptes nicht einreihen. Da ich noch klein war, legte ich allerlei Dinge an einan¬ der, und gab dem ſo Entſtandenen den Namen einer Ortſchaft, den ich etwa zufällig öfter gehört hatte, oder ich bog eine Gerte einen Blumenſtengel und der¬ gleichen zu einer Geſtalt und gab ihr einen Namen, oder ich machte aus einem Fleckchen Tuch den Vetter die Muhme; ja ſogar jenen abgezogenen Begriffen und Verhältniſſen, von denen ich ſprach, gab ich Ge¬ ſtalten, und konnte ſie mir merken. So erinnere ich mich noch jezt, daß ich als Kind öfter das Wort Kriegswerbung hörte. Wir bekamen damals einen neuen Ahorntiſch, deſſen Plattentheile durch dunkel¬ farbige Holzkeile an einander gehalten wurden. Der Querſchnitt dieſer Keile kam als eine dunkle Geſtalt an der Dicke der Platte quer über die Fuge zum Vor¬ ſcheine, und dieſe Geſtalt hieß ich die Kriegswerbung.
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den Eigenſchaften meines Geiſtes, die ich euch eben
darlegte, noch eine beſondere, deren Weſenheit ich erſt
ſehr ſpät erkannte. Von Kindheit an hatte ich einen
Trieb zur Hervorbringung von Dingen, die ſinnlich
wahrnehmbar ſind. Bloße Beziehungen und Verhält¬
niſſe ſowie die Abziehung von Begriffen hatten für
mich wenig Werth, ich konnte ſie in die Verſammlung
der Weſen meines Hauptes nicht einreihen. Da ich
noch klein war, legte ich allerlei Dinge an einan¬
der, und gab dem ſo Entſtandenen den Namen einer
Ortſchaft, den ich etwa zufällig öfter gehört hatte,
oder ich bog eine Gerte einen Blumenſtengel und der¬
gleichen zu einer Geſtalt und gab ihr einen Namen,
oder ich machte aus einem Fleckchen Tuch den Vetter
die Muhme; ja ſogar jenen abgezogenen Begriffen
und Verhältniſſen, von denen ich ſprach, gab ich Ge¬
ſtalten, und konnte ſie mir merken. So erinnere ich
mich noch jezt, daß ich als Kind öfter das Wort
Kriegswerbung hörte. Wir bekamen damals einen
neuen Ahorntiſch, deſſen Plattentheile durch dunkel¬
farbige Holzkeile an einander gehalten wurden. Der
Querſchnitt dieſer Keile kam als eine dunkle Geſtalt
an der Dicke der Platte quer über die Fuge zum Vor¬
ſcheine, und dieſe Geſtalt hieß ich die Kriegswerbung.
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/231>, abgerufen am 22.11.2024.
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