Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

ließen ein ziemlich langes Stück von der Leibbinde
des einen zu der des andern gehen, damit, wenn einer,
da wir jezt über eine sehr schiefe Fläche zu gehen hat¬
ten, gleiten sollte, er durch den andern gehalten würde.
Im Sommer war diese Fläche mit vielen kleinen und
scharfen Steinen bedeckt, daher der Übergang über sie
viel leichter. Im Winter kannte man den Boden nicht,
und der Schnee konnte ins Gleiten gerathen. Ohne
Hilfe der Schneereife, die hier, weil sie unbehilflich
machten, nur gefährlich werden konnten, gelangten
wir mit angewandter Vorsicht glücklich hinüber, lös¬
ten die Stricke, bogen nach einer darauf erfolgten
mehrstündigen Wanderung um die Felsen, und stan¬
den an dem Gletscher und auf dem ewigen Schnee.

Auf dem Eise, da wir nach uns sehr bekannten
Richtungen auf demselben vorschritten, zeigte sich bei¬
nahe mit Rücksicht auf den Sommer gar keine Ver¬
änderung. Da auch im Sommer fast jeder Regen des
Thales die Höhen entweder gar nicht trift, oder auf
ihnen Schnee ist, so war es jezt auf dem Gletscher
wie im Sommer, und wir schritten auf bekannten Ge¬
biethen vorwärts. Wo die Eismengen geborsten und
zertrümmert waren, hatte sie an ihren Oberflächen der

ließen ein ziemlich langes Stück von der Leibbinde
des einen zu der des andern gehen, damit, wenn einer,
da wir jezt über eine ſehr ſchiefe Fläche zu gehen hat¬
ten, gleiten ſollte, er durch den andern gehalten würde.
Im Sommer war dieſe Fläche mit vielen kleinen und
ſcharfen Steinen bedeckt, daher der Übergang über ſie
viel leichter. Im Winter kannte man den Boden nicht,
und der Schnee konnte ins Gleiten gerathen. Ohne
Hilfe der Schneereife, die hier, weil ſie unbehilflich
machten, nur gefährlich werden konnten, gelangten
wir mit angewandter Vorſicht glücklich hinüber, lös¬
ten die Stricke, bogen nach einer darauf erfolgten
mehrſtündigen Wanderung um die Felſen, und ſtan¬
den an dem Gletſcher und auf dem ewigen Schnee.

Auf dem Eiſe, da wir nach uns ſehr bekannten
Richtungen auf demſelben vorſchritten, zeigte ſich bei¬
nahe mit Rückſicht auf den Sommer gar keine Ver¬
änderung. Da auch im Sommer faſt jeder Regen des
Thales die Höhen entweder gar nicht trift, oder auf
ihnen Schnee iſt, ſo war es jezt auf dem Gletſcher
wie im Sommer, und wir ſchritten auf bekannten Ge¬
biethen vorwärts. Wo die Eismengen geborſten und
zertrümmert waren, hatte ſie an ihren Oberflächen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="162"/>
ließen ein ziemlich langes Stück von der Leibbinde<lb/>
des einen zu der des andern gehen, damit, wenn einer,<lb/>
da wir jezt über eine &#x017F;ehr &#x017F;chiefe Fläche zu gehen hat¬<lb/>
ten, gleiten &#x017F;ollte, er durch den andern gehalten würde.<lb/>
Im Sommer war die&#x017F;e Fläche mit vielen kleinen und<lb/>
&#x017F;charfen Steinen bedeckt, daher der Übergang über &#x017F;ie<lb/>
viel leichter. Im Winter kannte man den Boden nicht,<lb/>
und der Schnee konnte ins Gleiten gerathen. Ohne<lb/>
Hilfe der Schneereife, die hier, weil &#x017F;ie unbehilflich<lb/>
machten, nur gefährlich werden konnten, gelangten<lb/>
wir mit angewandter Vor&#x017F;icht glücklich hinüber, lös¬<lb/>
ten die Stricke, bogen nach einer darauf erfolgten<lb/>
mehr&#x017F;tündigen Wanderung um die Fel&#x017F;en, und &#x017F;tan¬<lb/>
den an dem Glet&#x017F;cher und auf dem ewigen Schnee.</p><lb/>
        <p>Auf dem Ei&#x017F;e, da wir nach uns &#x017F;ehr bekannten<lb/>
Richtungen auf dem&#x017F;elben vor&#x017F;chritten, zeigte &#x017F;ich bei¬<lb/>
nahe mit Rück&#x017F;icht auf den Sommer gar keine Ver¬<lb/>
änderung. Da auch im Sommer fa&#x017F;t jeder Regen des<lb/>
Thales die Höhen entweder gar nicht trift, oder auf<lb/>
ihnen Schnee i&#x017F;t, &#x017F;o war es jezt auf dem Glet&#x017F;cher<lb/>
wie im Sommer, und wir &#x017F;chritten auf bekannten Ge¬<lb/>
biethen vorwärts. Wo die Eismengen gebor&#x017F;ten und<lb/>
zertrümmert waren, hatte &#x017F;ie an ihren Oberflächen der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0176] ließen ein ziemlich langes Stück von der Leibbinde des einen zu der des andern gehen, damit, wenn einer, da wir jezt über eine ſehr ſchiefe Fläche zu gehen hat¬ ten, gleiten ſollte, er durch den andern gehalten würde. Im Sommer war dieſe Fläche mit vielen kleinen und ſcharfen Steinen bedeckt, daher der Übergang über ſie viel leichter. Im Winter kannte man den Boden nicht, und der Schnee konnte ins Gleiten gerathen. Ohne Hilfe der Schneereife, die hier, weil ſie unbehilflich machten, nur gefährlich werden konnten, gelangten wir mit angewandter Vorſicht glücklich hinüber, lös¬ ten die Stricke, bogen nach einer darauf erfolgten mehrſtündigen Wanderung um die Felſen, und ſtan¬ den an dem Gletſcher und auf dem ewigen Schnee. Auf dem Eiſe, da wir nach uns ſehr bekannten Richtungen auf demſelben vorſchritten, zeigte ſich bei¬ nahe mit Rückſicht auf den Sommer gar keine Ver¬ änderung. Da auch im Sommer faſt jeder Regen des Thales die Höhen entweder gar nicht trift, oder auf ihnen Schnee iſt, ſo war es jezt auf dem Gletſcher wie im Sommer, und wir ſchritten auf bekannten Ge¬ biethen vorwärts. Wo die Eismengen geborſten und zertrümmert waren, hatte ſie an ihren Oberflächen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/176
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/176>, abgerufen am 23.11.2024.