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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Felder sezte sich eine Farbe die nur ein klein wenig
von der Schneefarbe verschieden war, fast ins Uner¬
meßliche fort, die des Nebels. Er hatte seit gestern
noch mehr überhand genommen, und begrenzte unsere
Höhe als Insel. Kaspar wollte erschrecken. Ich aber
machte ihn aufmerksam, daß der Himmel über uns
ganz heiter sei, daß dieser Nebel von jenem sehr ver¬
schieden sei, der bei dem Beginne des Regen- oder
Schneewetters zuerst die Spizen der Berge in Gestalt
von Wolken einhüllt, sich dann immer tiefer oft bis
zur Hälfte der Berge hinabzieht, und den Wanderern
so fürchterlich ist; unser Nebel sei kein Hochnebel son¬
dern ein Tiefnebel, der die Bergspizen, auf denen das
Verirren so schrecklich sei, freilasse, und der beim
Höhersteigen der Sonne verschwinden werde. Im
schlimmsten Falle, wenn er auch bliebe, sei er nur eine
wagrechte Schichte, die nicht höher stehe, als wo der
schwarze Stein liegt. Von dort hinab aber ist uns der
Weg sehr bekannt, wir müssen unsere eigenen Fu߬
stapfen finden, und können an ihnen abwärts gehen.
Kaspar, welcher mit dem Gebirgsleben sehr vertraut
war, sah meine Gründe ein, und war beruhigt.

Während wir standen und sprachen, fing sich an
einer Stelle der Nebel im Osten zu lichten an, die

Felder ſezte ſich eine Farbe die nur ein klein wenig
von der Schneefarbe verſchieden war, faſt ins Uner¬
meßliche fort, die des Nebels. Er hatte ſeit geſtern
noch mehr überhand genommen, und begrenzte unſere
Höhe als Inſel. Kaspar wollte erſchrecken. Ich aber
machte ihn aufmerkſam, daß der Himmel über uns
ganz heiter ſei, daß dieſer Nebel von jenem ſehr ver¬
ſchieden ſei, der bei dem Beginne des Regen- oder
Schneewetters zuerſt die Spizen der Berge in Geſtalt
von Wolken einhüllt, ſich dann immer tiefer oft bis
zur Hälfte der Berge hinabzieht, und den Wanderern
ſo fürchterlich iſt; unſer Nebel ſei kein Hochnebel ſon¬
dern ein Tiefnebel, der die Bergſpizen, auf denen das
Verirren ſo ſchrecklich ſei, freilaſſe, und der beim
Höherſteigen der Sonne verſchwinden werde. Im
ſchlimmſten Falle, wenn er auch bliebe, ſei er nur eine
wagrechte Schichte, die nicht höher ſtehe, als wo der
ſchwarze Stein liegt. Von dort hinab aber iſt uns der
Weg ſehr bekannt, wir müſſen unſere eigenen Fu߬
ſtapfen finden, und können an ihnen abwärts gehen.
Kaspar, welcher mit dem Gebirgsleben ſehr vertraut
war, ſah meine Gründe ein, und war beruhigt.

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[160/0174] Felder ſezte ſich eine Farbe die nur ein klein wenig von der Schneefarbe verſchieden war, faſt ins Uner¬ meßliche fort, die des Nebels. Er hatte ſeit geſtern noch mehr überhand genommen, und begrenzte unſere Höhe als Inſel. Kaspar wollte erſchrecken. Ich aber machte ihn aufmerkſam, daß der Himmel über uns ganz heiter ſei, daß dieſer Nebel von jenem ſehr ver¬ ſchieden ſei, der bei dem Beginne des Regen- oder Schneewetters zuerſt die Spizen der Berge in Geſtalt von Wolken einhüllt, ſich dann immer tiefer oft bis zur Hälfte der Berge hinabzieht, und den Wanderern ſo fürchterlich iſt; unſer Nebel ſei kein Hochnebel ſon¬ dern ein Tiefnebel, der die Bergſpizen, auf denen das Verirren ſo ſchrecklich ſei, freilaſſe, und der beim Höherſteigen der Sonne verſchwinden werde. Im ſchlimmſten Falle, wenn er auch bliebe, ſei er nur eine wagrechte Schichte, die nicht höher ſtehe, als wo der ſchwarze Stein liegt. Von dort hinab aber iſt uns der Weg ſehr bekannt, wir müſſen unſere eigenen Fu߬ ſtapfen finden, und können an ihnen abwärts gehen. Kaspar, welcher mit dem Gebirgsleben ſehr vertraut war, ſah meine Gründe ein, und war beruhigt. Während wir ſtanden und ſprachen, fing ſich an einer Stelle der Nebel im Oſten zu lichten an, die

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/174>, abgerufen am 23.11.2024.