Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte bis dahin immer nicht den Muth dazu gehabt;
aber endlich machte mir mein Gewissen zu bittere
Vorwürfe, daß ich gegen meine Angehörigen Heim¬
lichkeiten habe. Ich zeigte meinem Vater die Blätter
auch an einem Sonntagsnachmittage. Ich blickte ihm
erstaunt in das Angesicht, als er dieselben gesehen
hatte, und das Nehmliche sagte, was mein Gast¬
freund im Rosenhause und was Eustach gesagt hat¬
ten. Bei diesen lezten beiden hatte es mich nicht ge¬
wundert, da ich sie für Kenner hielt, und da sie Ge¬
birgsbewohner waren. Der Vater aber, der zwar
Bilder besaß, war ein Kaufherr, und war nie lange in
dem Gebirge gewesen. Es erhöhte dies meine Ehr¬
furcht gegen ihn noch mehr. Er zeigte mir, wo ich
unwahr gewesen war, und sezte mir auseinander, wie
es hätte sein sollen, was ich augenblicklich begrif.
Das, was er lobte, und richtig fand, gefiel mir selber
nachher doppelt so wohl.

Klotilden mußte ich die Blätter noch einmal und
allein in ihrem Zimmer zeigen. Sie verlangte, daß
ich ihr beinahe alles erkläre. Sie war nie in höherem
oder im Urgebirge gewesen, sie wollte sehen, wie diese
Dinge beschaffen seien, und sie reizten ihre Aufmerk¬
samkeit sehr. Obgleich meine Malereien keine Kunst¬

hatte bis dahin immer nicht den Muth dazu gehabt;
aber endlich machte mir mein Gewiſſen zu bittere
Vorwürfe, daß ich gegen meine Angehörigen Heim¬
lichkeiten habe. Ich zeigte meinem Vater die Blätter
auch an einem Sonntagsnachmittage. Ich blickte ihm
erſtaunt in das Angeſicht, als er dieſelben geſehen
hatte, und das Nehmliche ſagte, was mein Gaſt¬
freund im Roſenhauſe und was Euſtach geſagt hat¬
ten. Bei dieſen lezten beiden hatte es mich nicht ge¬
wundert, da ich ſie für Kenner hielt, und da ſie Ge¬
birgsbewohner waren. Der Vater aber, der zwar
Bilder beſaß, war ein Kaufherr, und war nie lange in
dem Gebirge geweſen. Es erhöhte dies meine Ehr¬
furcht gegen ihn noch mehr. Er zeigte mir, wo ich
unwahr geweſen war, und ſezte mir auseinander, wie
es hätte ſein ſollen, was ich augenblicklich begrif.
Das, was er lobte, und richtig fand, gefiel mir ſelber
nachher doppelt ſo wohl.

Klotilden mußte ich die Blätter noch einmal und
allein in ihrem Zimmer zeigen. Sie verlangte, daß
ich ihr beinahe alles erkläre. Sie war nie in höherem
oder im Urgebirge geweſen, ſie wollte ſehen, wie dieſe
Dinge beſchaffen ſeien, und ſie reizten ihre Aufmerk¬
ſamkeit ſehr. Obgleich meine Malereien keine Kunſt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="71"/>
hatte bis dahin immer nicht den Muth dazu gehabt;<lb/>
aber endlich machte mir mein Gewi&#x017F;&#x017F;en zu bittere<lb/>
Vorwürfe, daß ich gegen meine Angehörigen Heim¬<lb/>
lichkeiten habe. Ich zeigte meinem Vater die Blätter<lb/>
auch an einem Sonntagsnachmittage. Ich blickte ihm<lb/>
er&#x017F;taunt in das Ange&#x017F;icht, als er die&#x017F;elben ge&#x017F;ehen<lb/>
hatte, und das Nehmliche &#x017F;agte, was mein Ga&#x017F;<lb/>
freund im Ro&#x017F;enhau&#x017F;e und was Eu&#x017F;tach ge&#x017F;agt hat¬<lb/>
ten. Bei die&#x017F;en lezten beiden hatte es mich nicht ge¬<lb/>
wundert, da ich &#x017F;ie für Kenner hielt, und da &#x017F;ie Ge¬<lb/>
birgsbewohner waren. Der Vater aber, der zwar<lb/>
Bilder be&#x017F;aß, war ein Kaufherr, und war nie lange in<lb/>
dem Gebirge gewe&#x017F;en. Es erhöhte dies meine Ehr¬<lb/>
furcht gegen ihn noch mehr. Er zeigte mir, wo ich<lb/>
unwahr gewe&#x017F;en war, und &#x017F;ezte mir auseinander, wie<lb/>
es hätte &#x017F;ein &#x017F;ollen, was ich augenblicklich begrif.<lb/>
Das, was er lobte, und richtig fand, gefiel mir &#x017F;elber<lb/>
nachher doppelt &#x017F;o wohl.</p><lb/>
        <p>Klotilden mußte ich die Blätter noch einmal und<lb/>
allein in ihrem Zimmer zeigen. Sie verlangte, daß<lb/>
ich ihr beinahe alles erkläre. Sie war nie in höherem<lb/>
oder im Urgebirge gewe&#x017F;en, &#x017F;ie wollte &#x017F;ehen, wie die&#x017F;e<lb/>
Dinge be&#x017F;chaffen &#x017F;eien, und &#x017F;ie reizten ihre Aufmerk¬<lb/>
&#x017F;amkeit &#x017F;ehr. Obgleich meine Malereien keine Kun&#x017F;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0085] hatte bis dahin immer nicht den Muth dazu gehabt; aber endlich machte mir mein Gewiſſen zu bittere Vorwürfe, daß ich gegen meine Angehörigen Heim¬ lichkeiten habe. Ich zeigte meinem Vater die Blätter auch an einem Sonntagsnachmittage. Ich blickte ihm erſtaunt in das Angeſicht, als er dieſelben geſehen hatte, und das Nehmliche ſagte, was mein Gaſt¬ freund im Roſenhauſe und was Euſtach geſagt hat¬ ten. Bei dieſen lezten beiden hatte es mich nicht ge¬ wundert, da ich ſie für Kenner hielt, und da ſie Ge¬ birgsbewohner waren. Der Vater aber, der zwar Bilder beſaß, war ein Kaufherr, und war nie lange in dem Gebirge geweſen. Es erhöhte dies meine Ehr¬ furcht gegen ihn noch mehr. Er zeigte mir, wo ich unwahr geweſen war, und ſezte mir auseinander, wie es hätte ſein ſollen, was ich augenblicklich begrif. Das, was er lobte, und richtig fand, gefiel mir ſelber nachher doppelt ſo wohl. Klotilden mußte ich die Blätter noch einmal und allein in ihrem Zimmer zeigen. Sie verlangte, daß ich ihr beinahe alles erkläre. Sie war nie in höherem oder im Urgebirge geweſen, ſie wollte ſehen, wie dieſe Dinge beſchaffen ſeien, und ſie reizten ihre Aufmerk¬ ſamkeit ſehr. Obgleich meine Malereien keine Kunſt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/85
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/85>, abgerufen am 24.11.2024.