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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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ahnungsreichste, die reizendste, die es gibt, eine Ge¬
schichte, in welcher die der Menschen nur ein Ein¬
schiebsel ist, und wer weiß es, welch ein kleines, da
sie von anderen Geschichten vielleicht höherer Wesen
abgelöset werden kann. Die Quellen zu der Ge¬
schichte der Erde bewahrt sie selber wie in einem
Schriftengewölbe in ihrem Innern auf, Quellen, die
vielleicht in Millionen Urkunden niedergelegt sind, und
bei denen es nur darauf ankömmt, daß wir sie lesen
lernen, und sie durch Eifer und Rechthaberei nicht
verfälschen. Wer wird diese Geschichte einmal klar
vor Augen haben? Wird eine solche Zeit kommen,
oder wird sie nur der immer ganz wissen, der sie von
Ewigkeit her gewußt hat?

Von solchen Fragen flüchtete ich zu den Dichtern.
Wenn ich von langen Wanderungen in das Ahorn¬
haus zurück kam, oder wenn ich ferne von dem Ahorn¬
hause in irgend einem Stübchen eines Alpengebäudes
wohnte, so las ich in den Werken eines Mannes, der
nicht Fragen löste, sondern Gedanken und Gefühle
gab, die wie eine Lösung in holder Umhüllung wa¬
ren, und wie ein Glück aussahen. Ich hatte manigfal¬
tige solcher Männer. Unter den Büchern waren auch
solche, in denen Schwulst enthalten war. Sie gaben

ahnungsreichſte, die reizendſte, die es gibt, eine Ge¬
ſchichte, in welcher die der Menſchen nur ein Ein¬
ſchiebſel iſt, und wer weiß es, welch ein kleines, da
ſie von anderen Geſchichten vielleicht höherer Weſen
abgelöſet werden kann. Die Quellen zu der Ge¬
ſchichte der Erde bewahrt ſie ſelber wie in einem
Schriftengewölbe in ihrem Innern auf, Quellen, die
vielleicht in Millionen Urkunden niedergelegt ſind, und
bei denen es nur darauf ankömmt, daß wir ſie leſen
lernen, und ſie durch Eifer und Rechthaberei nicht
verfälſchen. Wer wird dieſe Geſchichte einmal klar
vor Augen haben? Wird eine ſolche Zeit kommen,
oder wird ſie nur der immer ganz wiſſen, der ſie von
Ewigkeit her gewußt hat?

Von ſolchen Fragen flüchtete ich zu den Dichtern.
Wenn ich von langen Wanderungen in das Ahorn¬
haus zurück kam, oder wenn ich ferne von dem Ahorn¬
hauſe in irgend einem Stübchen eines Alpengebäudes
wohnte, ſo las ich in den Werken eines Mannes, der
nicht Fragen löſte, ſondern Gedanken und Gefühle
gab, die wie eine Löſung in holder Umhüllung wa¬
ren, und wie ein Glück ausſahen. Ich hatte manigfal¬
tige ſolcher Männer. Unter den Büchern waren auch
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[39/0053] ahnungsreichſte, die reizendſte, die es gibt, eine Ge¬ ſchichte, in welcher die der Menſchen nur ein Ein¬ ſchiebſel iſt, und wer weiß es, welch ein kleines, da ſie von anderen Geſchichten vielleicht höherer Weſen abgelöſet werden kann. Die Quellen zu der Ge¬ ſchichte der Erde bewahrt ſie ſelber wie in einem Schriftengewölbe in ihrem Innern auf, Quellen, die vielleicht in Millionen Urkunden niedergelegt ſind, und bei denen es nur darauf ankömmt, daß wir ſie leſen lernen, und ſie durch Eifer und Rechthaberei nicht verfälſchen. Wer wird dieſe Geſchichte einmal klar vor Augen haben? Wird eine ſolche Zeit kommen, oder wird ſie nur der immer ganz wiſſen, der ſie von Ewigkeit her gewußt hat? Von ſolchen Fragen flüchtete ich zu den Dichtern. Wenn ich von langen Wanderungen in das Ahorn¬ haus zurück kam, oder wenn ich ferne von dem Ahorn¬ hauſe in irgend einem Stübchen eines Alpengebäudes wohnte, ſo las ich in den Werken eines Mannes, der nicht Fragen löſte, ſondern Gedanken und Gefühle gab, die wie eine Löſung in holder Umhüllung wa¬ ren, und wie ein Glück ausſahen. Ich hatte manigfal¬ tige ſolcher Männer. Unter den Büchern waren auch ſolche, in denen Schwulſt enthalten war. Sie gaben

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/53>, abgerufen am 22.11.2024.