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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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einer Straße oder Anlegung eines Bewirthschaftungs¬
planes oder Errichtung eines Gebäudes Rath gepflo¬
gen wird, so wird er gerufen, und er macht bereitwil¬
lig die Reisen auf seine eigenen Kosten. Selbst bei der
Regierung des Landes ist sein Wort nicht ohne Be¬
deutung. Die Frau mit dem aschgrauen Kleide ist
seine Gattin und die zwei Mädchen, welche vor Kur¬
zem mit Natalie gegen die Eichen zugingen, sind seine
Töchter. Frau und Töchter reden ihm zu, er solle
sich mehr Ruhe gönnen, da er schon alt wird, er sagt
immer: ,Das ist das Lezte, was ich baue;' allein ich
glaube, den lezten Plan zu einem Baue wird er auf
seinem Todtenbette machen. Unser Freund hält in
diesen Dingen große Stücke auf ihn."

Da wir um die Ecke eines Gebüsches bogen, und
gegen die Eichen, welche an der Eppichwand stehen,
zugingen, sahen wir wieder eine Menschengruppe vor
uns. Roland, der einmal im Zuge war, sagte: "Der
Mann in dem feinen schwarzen Anzuge, vor dem seine
Gattin in dem nelkenbraunen Seidenkleide geht, ist
der Freiherr von Wachten, dessen Sohn hier eben¬
falls zugegen ist, ein Mann von mittelgroßer Gestalt,
der im Gesellschaftszimmer so lange am Eckfenster
gestanden war, ein junger Mann von vielen ange¬

einer Straße oder Anlegung eines Bewirthſchaftungs¬
planes oder Errichtung eines Gebäudes Rath gepflo¬
gen wird, ſo wird er gerufen, und er macht bereitwil¬
lig die Reiſen auf ſeine eigenen Koſten. Selbſt bei der
Regierung des Landes iſt ſein Wort nicht ohne Be¬
deutung. Die Frau mit dem aſchgrauen Kleide iſt
ſeine Gattin und die zwei Mädchen, welche vor Kur¬
zem mit Natalie gegen die Eichen zugingen, ſind ſeine
Töchter. Frau und Töchter reden ihm zu, er ſolle
ſich mehr Ruhe gönnen, da er ſchon alt wird, er ſagt
immer: ‚Das iſt das Lezte, was ich baue;‘ allein ich
glaube, den lezten Plan zu einem Baue wird er auf
ſeinem Todtenbette machen. Unſer Freund hält in
dieſen Dingen große Stücke auf ihn.“

Da wir um die Ecke eines Gebüſches bogen, und
gegen die Eichen, welche an der Eppichwand ſtehen,
zugingen, ſahen wir wieder eine Menſchengruppe vor
uns. Roland, der einmal im Zuge war, ſagte: „Der
Mann in dem feinen ſchwarzen Anzuge, vor dem ſeine
Gattin in dem nelkenbraunen Seidenkleide geht, iſt
der Freiherr von Wachten, deſſen Sohn hier eben¬
falls zugegen iſt, ein Mann von mittelgroßer Geſtalt,
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[334/0348] einer Straße oder Anlegung eines Bewirthſchaftungs¬ planes oder Errichtung eines Gebäudes Rath gepflo¬ gen wird, ſo wird er gerufen, und er macht bereitwil¬ lig die Reiſen auf ſeine eigenen Koſten. Selbſt bei der Regierung des Landes iſt ſein Wort nicht ohne Be¬ deutung. Die Frau mit dem aſchgrauen Kleide iſt ſeine Gattin und die zwei Mädchen, welche vor Kur¬ zem mit Natalie gegen die Eichen zugingen, ſind ſeine Töchter. Frau und Töchter reden ihm zu, er ſolle ſich mehr Ruhe gönnen, da er ſchon alt wird, er ſagt immer: ‚Das iſt das Lezte, was ich baue;‘ allein ich glaube, den lezten Plan zu einem Baue wird er auf ſeinem Todtenbette machen. Unſer Freund hält in dieſen Dingen große Stücke auf ihn.“ Da wir um die Ecke eines Gebüſches bogen, und gegen die Eichen, welche an der Eppichwand ſtehen, zugingen, ſahen wir wieder eine Menſchengruppe vor uns. Roland, der einmal im Zuge war, ſagte: „Der Mann in dem feinen ſchwarzen Anzuge, vor dem ſeine Gattin in dem nelkenbraunen Seidenkleide geht, iſt der Freiherr von Wachten, deſſen Sohn hier eben¬ falls zugegen iſt, ein Mann von mittelgroßer Geſtalt, der im Geſellſchaftszimmer ſo lange am Eckfenſter geſtanden war, ein junger Mann von vielen ange¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/348>, abgerufen am 25.11.2024.