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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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ren Jahren überstrichen worden sind, wegzunehmen,
weil unser Freund meinte, daß dieselbe das Haus
entstelle, und daß es sich weit schöner zeigen würde,
wenn sie weggenommen, und der bloße Stein sicht¬
bar wäre. Heuer ist nun die ganze vordere Fläche
des Hauses fertig geworden, die Gerüste werden eben
abgebrochen, und da werden, wenn die Spuren
auch auf dem Boden vor dem Hause vertilgt sind,
wenn der Sand geebnet ist, wenn der Rasen gereinigt
und gewaschen ist, daß er keine Kalkflecke, sondern
das reine Grün zeigt, wir alle hinausfahren, um die
Sache zu betrachten und ein Urtheil abzugeben, ob
das Haus den Gewinn gemacht habe, der sich uns
versprochen hat. Es werden auch andere Menschen
kommen, es werden wahrscheinlich sich einige Nach¬
barn einfinden, und da ihr zu unsern Freunden aus
dem Asperhofe gehört, und da wir alle euer Urtheil
in Anschlag bringen möchten, so seid ihr gebethen, auch
dabei zu sein, und die Gesellschaft zu vermehren."

"Mein Urtheil ist wohl sehr geringe," antwortete
ich, "und wenn es nicht ganz verwerflich ist, und wenn
ich mir einige Kenntnisse und eine bestimmte Empfin¬
dung des Schönen erworben habe, so danke ich alles
dem Besizer dieses Hauses, der mich so gütig aufge¬

ren Jahren überſtrichen worden ſind, wegzunehmen,
weil unſer Freund meinte, daß dieſelbe das Haus
entſtelle, und daß es ſich weit ſchöner zeigen würde,
wenn ſie weggenommen, und der bloße Stein ſicht¬
bar wäre. Heuer iſt nun die ganze vordere Fläche
des Hauſes fertig geworden, die Gerüſte werden eben
abgebrochen, und da werden, wenn die Spuren
auch auf dem Boden vor dem Hauſe vertilgt ſind,
wenn der Sand geebnet iſt, wenn der Raſen gereinigt
und gewaſchen iſt, daß er keine Kalkflecke, ſondern
das reine Grün zeigt, wir alle hinausfahren, um die
Sache zu betrachten und ein Urtheil abzugeben, ob
das Haus den Gewinn gemacht habe, der ſich uns
verſprochen hat. Es werden auch andere Menſchen
kommen, es werden wahrſcheinlich ſich einige Nach¬
barn einfinden, und da ihr zu unſern Freunden aus
dem Asperhofe gehört, und da wir alle euer Urtheil
in Anſchlag bringen möchten, ſo ſeid ihr gebethen, auch
dabei zu ſein, und die Geſellſchaft zu vermehren.“

„Mein Urtheil iſt wohl ſehr geringe,“ antwortete
ich, „und wenn es nicht ganz verwerflich iſt, und wenn
ich mir einige Kenntniſſe und eine beſtimmte Empfin¬
dung des Schönen erworben habe, ſo danke ich alles
dem Beſizer dieſes Hauſes, der mich ſo gütig aufge¬

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[295/0309] ren Jahren überſtrichen worden ſind, wegzunehmen, weil unſer Freund meinte, daß dieſelbe das Haus entſtelle, und daß es ſich weit ſchöner zeigen würde, wenn ſie weggenommen, und der bloße Stein ſicht¬ bar wäre. Heuer iſt nun die ganze vordere Fläche des Hauſes fertig geworden, die Gerüſte werden eben abgebrochen, und da werden, wenn die Spuren auch auf dem Boden vor dem Hauſe vertilgt ſind, wenn der Sand geebnet iſt, wenn der Raſen gereinigt und gewaſchen iſt, daß er keine Kalkflecke, ſondern das reine Grün zeigt, wir alle hinausfahren, um die Sache zu betrachten und ein Urtheil abzugeben, ob das Haus den Gewinn gemacht habe, der ſich uns verſprochen hat. Es werden auch andere Menſchen kommen, es werden wahrſcheinlich ſich einige Nach¬ barn einfinden, und da ihr zu unſern Freunden aus dem Asperhofe gehört, und da wir alle euer Urtheil in Anſchlag bringen möchten, ſo ſeid ihr gebethen, auch dabei zu ſein, und die Geſellſchaft zu vermehren.“ „Mein Urtheil iſt wohl ſehr geringe,“ antwortete ich, „und wenn es nicht ganz verwerflich iſt, und wenn ich mir einige Kenntniſſe und eine beſtimmte Empfin¬ dung des Schönen erworben habe, ſo danke ich alles dem Beſizer dieſes Hauſes, der mich ſo gütig aufge¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/309>, abgerufen am 22.11.2024.