Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Allem. Auch Eustach, Gustav aber ganz gewiß, stan¬
den im entschiedenen Vorzuge vor meinen Gesell¬
schaftsleuten. Weil ich nun diese Menschen sehr gut
kannte, und weil sie mir keine hohe Rücksichtnahme
mehr einflößten, war es mir unersprießlich, mit ihnen
zu sein, und es erschien mir, daß ich die Zeit besser
würde benüzen können. Aber auch die Erfahrungen
in dieser Hinsicht mochte mein Vater für nüzlich ge¬
halten haben. Ich machte sie nur an jungen Männern.
Über Mädchen konnte ich ein Urtheil gar nicht sagen,
weil ich sehr wenig mit ihnen sprach, und weil mich
natürlich keine in meiner Zurückgezogenheit aufsuchen
konnte. Bei älteren Leuten, Männern wie Frauen,
kam mir oft jemand entgegen, dem ich Achtung
zollen mußte; aber auch zu alten Leuten wie zu Mäd¬
chen konnte ich mich nicht drängen. Unter denen, wel¬
chen ich mehr zugethan war, stand der Sohn des Ju¬
welenhändlers oben an, ich war ihm wirklich in der
eigentlichen Bedeutung ein Freund. Wir brachten
außer unseren Kleinodienlehrstunden manche Zeit mit
einander zu, wir besprachen verschiedene Dinge, und
lasen auch mitunter kleine Abschnitte von Schriften
mit einander, die wir gemeinschaftlich achteten. Seine
Eltern waren sehr liebenswürdig und fein. Der junge

Allem. Auch Euſtach, Guſtav aber ganz gewiß, ſtan¬
den im entſchiedenen Vorzuge vor meinen Geſell¬
ſchaftsleuten. Weil ich nun dieſe Menſchen ſehr gut
kannte, und weil ſie mir keine hohe Rückſichtnahme
mehr einflößten, war es mir unerſprießlich, mit ihnen
zu ſein, und es erſchien mir, daß ich die Zeit beſſer
würde benüzen können. Aber auch die Erfahrungen
in dieſer Hinſicht mochte mein Vater für nüzlich ge¬
halten haben. Ich machte ſie nur an jungen Männern.
Über Mädchen konnte ich ein Urtheil gar nicht ſagen,
weil ich ſehr wenig mit ihnen ſprach, und weil mich
natürlich keine in meiner Zurückgezogenheit aufſuchen
konnte. Bei älteren Leuten, Männern wie Frauen,
kam mir oft jemand entgegen, dem ich Achtung
zollen mußte; aber auch zu alten Leuten wie zu Mäd¬
chen konnte ich mich nicht drängen. Unter denen, wel¬
chen ich mehr zugethan war, ſtand der Sohn des Ju¬
welenhändlers oben an, ich war ihm wirklich in der
eigentlichen Bedeutung ein Freund. Wir brachten
außer unſeren Kleinodienlehrſtunden manche Zeit mit
einander zu, wir beſprachen verſchiedene Dinge, und
laſen auch mitunter kleine Abſchnitte von Schriften
mit einander, die wir gemeinſchaftlich achteten. Seine
Eltern waren ſehr liebenswürdig und fein. Der junge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0293" n="279"/>
Allem. Auch Eu&#x017F;tach, Gu&#x017F;tav aber ganz gewiß, &#x017F;tan¬<lb/>
den im ent&#x017F;chiedenen Vorzuge vor meinen Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaftsleuten. Weil ich nun die&#x017F;e Men&#x017F;chen &#x017F;ehr gut<lb/>
kannte, und weil &#x017F;ie mir keine hohe Rück&#x017F;ichtnahme<lb/>
mehr einflößten, war es mir uner&#x017F;prießlich, mit ihnen<lb/>
zu &#x017F;ein, und es er&#x017F;chien mir, daß ich die Zeit be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
würde benüzen können. Aber auch die Erfahrungen<lb/>
in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht mochte mein Vater für nüzlich ge¬<lb/>
halten haben. Ich machte &#x017F;ie nur an jungen Männern.<lb/>
Über Mädchen konnte ich ein Urtheil gar nicht &#x017F;agen,<lb/>
weil ich &#x017F;ehr wenig mit ihnen &#x017F;prach, und weil mich<lb/>
natürlich keine in meiner Zurückgezogenheit auf&#x017F;uchen<lb/>
konnte. Bei älteren Leuten, Männern wie Frauen,<lb/>
kam mir oft jemand entgegen, dem ich Achtung<lb/>
zollen mußte; aber auch zu alten Leuten wie zu Mäd¬<lb/>
chen konnte ich mich nicht drängen. Unter denen, wel¬<lb/>
chen ich mehr zugethan war, &#x017F;tand der Sohn des Ju¬<lb/>
welenhändlers oben an, ich war ihm wirklich in der<lb/>
eigentlichen Bedeutung ein Freund. Wir brachten<lb/>
außer un&#x017F;eren Kleinodienlehr&#x017F;tunden manche Zeit mit<lb/>
einander zu, wir be&#x017F;prachen ver&#x017F;chiedene Dinge, und<lb/>
la&#x017F;en auch mitunter kleine Ab&#x017F;chnitte von Schriften<lb/>
mit einander, die wir gemein&#x017F;chaftlich achteten. Seine<lb/>
Eltern waren &#x017F;ehr liebenswürdig und fein. Der junge<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0293] Allem. Auch Euſtach, Guſtav aber ganz gewiß, ſtan¬ den im entſchiedenen Vorzuge vor meinen Geſell¬ ſchaftsleuten. Weil ich nun dieſe Menſchen ſehr gut kannte, und weil ſie mir keine hohe Rückſichtnahme mehr einflößten, war es mir unerſprießlich, mit ihnen zu ſein, und es erſchien mir, daß ich die Zeit beſſer würde benüzen können. Aber auch die Erfahrungen in dieſer Hinſicht mochte mein Vater für nüzlich ge¬ halten haben. Ich machte ſie nur an jungen Männern. Über Mädchen konnte ich ein Urtheil gar nicht ſagen, weil ich ſehr wenig mit ihnen ſprach, und weil mich natürlich keine in meiner Zurückgezogenheit aufſuchen konnte. Bei älteren Leuten, Männern wie Frauen, kam mir oft jemand entgegen, dem ich Achtung zollen mußte; aber auch zu alten Leuten wie zu Mäd¬ chen konnte ich mich nicht drängen. Unter denen, wel¬ chen ich mehr zugethan war, ſtand der Sohn des Ju¬ welenhändlers oben an, ich war ihm wirklich in der eigentlichen Bedeutung ein Freund. Wir brachten außer unſeren Kleinodienlehrſtunden manche Zeit mit einander zu, wir beſprachen verſchiedene Dinge, und laſen auch mitunter kleine Abſchnitte von Schriften mit einander, die wir gemeinſchaftlich achteten. Seine Eltern waren ſehr liebenswürdig und fein. Der junge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/293
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/293>, abgerufen am 17.05.2024.