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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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scheinende harmlose Linien, und doch eine solche Lieb¬
lichkeit Reinheit Bescheidenheit, daß man kaum weg¬
gehen konnte. Die blonden Haare, die sich von der
Stirn gegen hinten zogen, waren fast mit keinem
Aufwande gemacht, und doch konnte es kaum etwas
schöneres geben als diese blonden Locken. Der Vater
erlaubte, daß ich mir das Bild zweimal auf die Staf¬
felei stellen durfte.

Als wir mit dem Anschauen der Bilder fertig wa¬
ren, zog der Vater eine flache Lade aus einem Kasten
in dem Alterthumszimmer, stellte die Lade auf einen
Tisch in der Nähe des Fensters, und lud mich ein
hinzu zu gehen, und seine geschnittenen Steine anzu¬
sehen.

Ich that es.

Hier war meine Verwunderung fast noch größer
als bei den Bildern. Ich fand auf den Steinen die
Gestalten wieder, wie die eine war, welche auf der
Treppe des Hauses meines Gastfreundes stand.

"Das sind lauter antike Bildungen," sagte mein
Vater.

Es waren verschiedene Steine von verschiedenem
Werthe und verschiedener Größe. Edelsteine, die
durch ihren Stoff einen hohen Werth nach unsern

ſcheinende harmloſe Linien, und doch eine ſolche Lieb¬
lichkeit Reinheit Beſcheidenheit, daß man kaum weg¬
gehen konnte. Die blonden Haare, die ſich von der
Stirn gegen hinten zogen, waren faſt mit keinem
Aufwande gemacht, und doch konnte es kaum etwas
ſchöneres geben als dieſe blonden Locken. Der Vater
erlaubte, daß ich mir das Bild zweimal auf die Staf¬
felei ſtellen durfte.

Als wir mit dem Anſchauen der Bilder fertig wa¬
ren, zog der Vater eine flache Lade aus einem Kaſten
in dem Alterthumszimmer, ſtellte die Lade auf einen
Tiſch in der Nähe des Fenſters, und lud mich ein
hinzu zu gehen, und ſeine geſchnittenen Steine anzu¬
ſehen.

Ich that es.

Hier war meine Verwunderung faſt noch größer
als bei den Bildern. Ich fand auf den Steinen die
Geſtalten wieder, wie die eine war, welche auf der
Treppe des Hauſes meines Gaſtfreundes ſtand.

„Das ſind lauter antike Bildungen,“ ſagte mein
Vater.

Es waren verſchiedene Steine von verſchiedenem
Werthe und verſchiedener Größe. Edelſteine, die
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[238/0252] ſcheinende harmloſe Linien, und doch eine ſolche Lieb¬ lichkeit Reinheit Beſcheidenheit, daß man kaum weg¬ gehen konnte. Die blonden Haare, die ſich von der Stirn gegen hinten zogen, waren faſt mit keinem Aufwande gemacht, und doch konnte es kaum etwas ſchöneres geben als dieſe blonden Locken. Der Vater erlaubte, daß ich mir das Bild zweimal auf die Staf¬ felei ſtellen durfte. Als wir mit dem Anſchauen der Bilder fertig wa¬ ren, zog der Vater eine flache Lade aus einem Kaſten in dem Alterthumszimmer, ſtellte die Lade auf einen Tiſch in der Nähe des Fenſters, und lud mich ein hinzu zu gehen, und ſeine geſchnittenen Steine anzu¬ ſehen. Ich that es. Hier war meine Verwunderung faſt noch größer als bei den Bildern. Ich fand auf den Steinen die Geſtalten wieder, wie die eine war, welche auf der Treppe des Hauſes meines Gaſtfreundes ſtand. „Das ſind lauter antike Bildungen,“ ſagte mein Vater. Es waren verſchiedene Steine von verſchiedenem Werthe und verſchiedener Größe. Edelſteine, die durch ihren Stoff einen hohen Werth nach unſern

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/252>, abgerufen am 20.05.2024.