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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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den ich ihm gebracht hatte, dessen Schönheit ich ganz
gewiß zu beurtheilen verstand, und der ihm selber
viele Freude gemacht zu haben schien, etwas verferti¬
gen zu lassen. Ich konnte auch den Marmor in dem
Rosenhause gar nicht auffinden. Er war in dem Vor¬
rathshause gelegen, wo sich auch öfter Steine von
mir befunden hatten. Jezt war er nicht mehr dort.
War er, um nicht Verlezungen zu erfahren, in einen
anderen sichereren Ort gebracht worden, oder hatte
man ihn doch irgendwohin gesendet, wo an ihm ge¬
arbeitet wurde? Das Lezte war nicht denkbar, da
mein Gastfreund alle Dinge aus Holz und Stein in
seinem Hause arbeiten ließ, wozu auch nicht nur die
Vorrichtungen und Werkzeuge vorhanden waren, son¬
dern wohin auch zu jeder Zeit die etwa noch man¬
gelnden Arbeitskräfte gezogen werden können.

Ich machte eines Tages eine Reise in das Lauter¬
thal, und hielt mich einige Zeit in demselben auf.
Es war nicht, um meine gewöhnliche Beschäftigung
dort vorzunehmen, sondern um nach den Arbeiten mit
meinem Marmor zu sehen. In der Nähe des Ahorn¬
gasthauses -- etwa zwei Wegestunden von demselben
entfernt -- befand sich die Anstalt, in welcher Marmor
gesägt und geschliffen wurde, und in welcher man ver¬

den ich ihm gebracht hatte, deſſen Schönheit ich ganz
gewiß zu beurtheilen verſtand, und der ihm ſelber
viele Freude gemacht zu haben ſchien, etwas verferti¬
gen zu laſſen. Ich konnte auch den Marmor in dem
Roſenhauſe gar nicht auffinden. Er war in dem Vor¬
rathshauſe gelegen, wo ſich auch öfter Steine von
mir befunden hatten. Jezt war er nicht mehr dort.
War er, um nicht Verlezungen zu erfahren, in einen
anderen ſichereren Ort gebracht worden, oder hatte
man ihn doch irgendwohin geſendet, wo an ihm ge¬
arbeitet wurde? Das Lezte war nicht denkbar, da
mein Gaſtfreund alle Dinge aus Holz und Stein in
ſeinem Hauſe arbeiten ließ, wozu auch nicht nur die
Vorrichtungen und Werkzeuge vorhanden waren, ſon¬
dern wohin auch zu jeder Zeit die etwa noch man¬
gelnden Arbeitskräfte gezogen werden können.

Ich machte eines Tages eine Reiſe in das Lauter¬
thal, und hielt mich einige Zeit in demſelben auf.
Es war nicht, um meine gewöhnliche Beſchäftigung
dort vorzunehmen, ſondern um nach den Arbeiten mit
meinem Marmor zu ſehen. In der Nähe des Ahorn¬
gaſthauſes — etwa zwei Wegeſtunden von demſelben
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[171/0185] den ich ihm gebracht hatte, deſſen Schönheit ich ganz gewiß zu beurtheilen verſtand, und der ihm ſelber viele Freude gemacht zu haben ſchien, etwas verferti¬ gen zu laſſen. Ich konnte auch den Marmor in dem Roſenhauſe gar nicht auffinden. Er war in dem Vor¬ rathshauſe gelegen, wo ſich auch öfter Steine von mir befunden hatten. Jezt war er nicht mehr dort. War er, um nicht Verlezungen zu erfahren, in einen anderen ſichereren Ort gebracht worden, oder hatte man ihn doch irgendwohin geſendet, wo an ihm ge¬ arbeitet wurde? Das Lezte war nicht denkbar, da mein Gaſtfreund alle Dinge aus Holz und Stein in ſeinem Hauſe arbeiten ließ, wozu auch nicht nur die Vorrichtungen und Werkzeuge vorhanden waren, ſon¬ dern wohin auch zu jeder Zeit die etwa noch man¬ gelnden Arbeitskräfte gezogen werden können. Ich machte eines Tages eine Reiſe in das Lauter¬ thal, und hielt mich einige Zeit in demſelben auf. Es war nicht, um meine gewöhnliche Beſchäftigung dort vorzunehmen, ſondern um nach den Arbeiten mit meinem Marmor zu ſehen. In der Nähe des Ahorn¬ gaſthauſes — etwa zwei Wegeſtunden von demſelben entfernt — befand ſich die Anſtalt, in welcher Marmor geſägt und geſchliffen wurde, und in welcher man ver¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/185>, abgerufen am 02.05.2024.