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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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in höchster kunstliebender Begeisterung nie fehlen darf,
durch jenes Schweben über dem Kunstwerke und das
ordnende Überschauen desselben, wie stark auch Em¬
pfindungen oder Thaten in demselben stürmen mö¬
gen, die das Kunstschaffen des Menschen dem Schaf¬
fen Gottes ähnlich macht, und Maß und Ordnung
blicken läßt, die uns so entzücken. Bewegung regt
an, Ruhe erfüllt, und so entsteht jener Abschluß in
der Seele, den wir Schönheit nennen. Es ist nicht
zu zweifeln, daß sich Andere vielleicht Anderes bei
diesen Worten denken, daß dieses Andere gut oder
besser als das Meinige sein kann -- gewöhnlich geht
es mit solchen Gangwörtern so, daß jeder seinen
eigenen Sinn hinein legt. Das Beste ist, daß die
schaffende Kraft in der Regel nicht nach solchen auf¬
gestellten Säzen wirkt, sondern das Rechte trifft, weil
sie die Kraft ist, und es desto sicherer trifft, je mehr
sie sich auf ihrem eigenthümlichen Wege naturgemäß
ausbildet. Für das Verständniß der Kunst, für solche,
welche ihre Werke beschauen, und sich darüber bespre¬
chen, sind Auslegungen derselben Einkleidung ihres
Wesens in Worte eine sehr nüzliche Sache, nur muß
man die Worte nicht zum Hauptgegenstande machen
und auf einen Sinn, den man ihnen beilegt, nicht so

in höchſter kunſtliebender Begeiſterung nie fehlen darf,
durch jenes Schweben über dem Kunſtwerke und das
ordnende Überſchauen desſelben, wie ſtark auch Em¬
pfindungen oder Thaten in demſelben ſtürmen mö¬
gen, die das Kunſtſchaffen des Menſchen dem Schaf¬
fen Gottes ähnlich macht, und Maß und Ordnung
blicken läßt, die uns ſo entzücken. Bewegung regt
an, Ruhe erfüllt, und ſo entſteht jener Abſchluß in
der Seele, den wir Schönheit nennen. Es iſt nicht
zu zweifeln, daß ſich Andere vielleicht Anderes bei
dieſen Worten denken, daß dieſes Andere gut oder
beſſer als das Meinige ſein kann — gewöhnlich geht
es mit ſolchen Gangwörtern ſo, daß jeder ſeinen
eigenen Sinn hinein legt. Das Beſte iſt, daß die
ſchaffende Kraft in der Regel nicht nach ſolchen auf¬
geſtellten Säzen wirkt, ſondern das Rechte trifft, weil
ſie die Kraft iſt, und es deſto ſicherer trifft, je mehr
ſie ſich auf ihrem eigenthümlichen Wege naturgemäß
ausbildet. Für das Verſtändniß der Kunſt, für ſolche,
welche ihre Werke beſchauen, und ſich darüber beſpre¬
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Weſens in Worte eine ſehr nüzliche Sache, nur muß
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[135/0149] in höchſter kunſtliebender Begeiſterung nie fehlen darf, durch jenes Schweben über dem Kunſtwerke und das ordnende Überſchauen desſelben, wie ſtark auch Em¬ pfindungen oder Thaten in demſelben ſtürmen mö¬ gen, die das Kunſtſchaffen des Menſchen dem Schaf¬ fen Gottes ähnlich macht, und Maß und Ordnung blicken läßt, die uns ſo entzücken. Bewegung regt an, Ruhe erfüllt, und ſo entſteht jener Abſchluß in der Seele, den wir Schönheit nennen. Es iſt nicht zu zweifeln, daß ſich Andere vielleicht Anderes bei dieſen Worten denken, daß dieſes Andere gut oder beſſer als das Meinige ſein kann — gewöhnlich geht es mit ſolchen Gangwörtern ſo, daß jeder ſeinen eigenen Sinn hinein legt. Das Beſte iſt, daß die ſchaffende Kraft in der Regel nicht nach ſolchen auf¬ geſtellten Säzen wirkt, ſondern das Rechte trifft, weil ſie die Kraft iſt, und es deſto ſicherer trifft, je mehr ſie ſich auf ihrem eigenthümlichen Wege naturgemäß ausbildet. Für das Verſtändniß der Kunſt, für ſolche, welche ihre Werke beſchauen, und ſich darüber beſpre¬ chen, ſind Auslegungen derſelben Einkleidung ihres Weſens in Worte eine ſehr nüzliche Sache, nur muß man die Worte nicht zum Hauptgegenſtande machen und auf einen Sinn, den man ihnen beilegt, nicht ſo

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/149>, abgerufen am 22.11.2024.