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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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neuen Schulen vernachlässige man diese Pflege zu
sehr, die bei uns um so nothwendiger wäre, als sich
durch das Zusammengehäuftsein in dunstigen und
heißen Stuben ohnehin Übel erzeugen, die dem Auf¬
enthalte in freier Luft fremd sind. Darum werden
auch die Geisteskräfte von Schülern der neuen Zeit
nicht entwickelt, wie sie sollten, und wie sie es bei
Kindern, die in Wald und Feldern schweifen, freilich
auf Kosten ihres höheren Wesens wirklich sind. Da¬
her stamme ein Theil der Schalheit und Trägheit
unserer Zeiten. Ich ging mit Gustav jezt, da ich viele
Muße hatte, sehr fleißig zu dem Wäldchen, und da
ich in der Kunst des Schwimmens eine große Fertig¬
keit hatte, so sah er an mir ein Vorbild, dem er nach¬
streben konnte, und lernte Gelenkigkeit und Ausdauer
mehr, als er es ohne mich gekonnt hätte.

Überhaupt gewann Gustav eine immer größere
Neigung zu mir. Es mochte, wie ich mir schon früher
gedacht hatte, zuerst der Umstand eingewirkt haben,
daß ich ihm an Alter nicht so sehr ferne stand. Dazu
mochte sich gesellt haben, daß ich, der ich eigentlich
sehr einsam und abgeschlossen erzogen worden war,
viel tiefer in spätere Jahre hinein die Merkmale der
Kindheit bewahrt haben mochte als andere Leute, die

Stifter, Nachsommer. II. 7

neuen Schulen vernachläſſige man dieſe Pflege zu
ſehr, die bei uns um ſo nothwendiger wäre, als ſich
durch das Zuſammengehäuftſein in dunſtigen und
heißen Stuben ohnehin Übel erzeugen, die dem Auf¬
enthalte in freier Luft fremd ſind. Darum werden
auch die Geiſteskräfte von Schülern der neuen Zeit
nicht entwickelt, wie ſie ſollten, und wie ſie es bei
Kindern, die in Wald und Feldern ſchweifen, freilich
auf Koſten ihres höheren Weſens wirklich ſind. Da¬
her ſtamme ein Theil der Schalheit und Trägheit
unſerer Zeiten. Ich ging mit Guſtav jezt, da ich viele
Muße hatte, ſehr fleißig zu dem Wäldchen, und da
ich in der Kunſt des Schwimmens eine große Fertig¬
keit hatte, ſo ſah er an mir ein Vorbild, dem er nach¬
ſtreben konnte, und lernte Gelenkigkeit und Ausdauer
mehr, als er es ohne mich gekonnt hätte.

Überhaupt gewann Guſtav eine immer größere
Neigung zu mir. Es mochte, wie ich mir ſchon früher
gedacht hatte, zuerſt der Umſtand eingewirkt haben,
daß ich ihm an Alter nicht ſo ſehr ferne ſtand. Dazu
mochte ſich geſellt haben, daß ich, der ich eigentlich
ſehr einſam und abgeſchloſſen erzogen worden war,
viel tiefer in ſpätere Jahre hinein die Merkmale der
Kindheit bewahrt haben mochte als andere Leute, die

Stifter, Nachſommer. II. 7
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[97/0111] neuen Schulen vernachläſſige man dieſe Pflege zu ſehr, die bei uns um ſo nothwendiger wäre, als ſich durch das Zuſammengehäuftſein in dunſtigen und heißen Stuben ohnehin Übel erzeugen, die dem Auf¬ enthalte in freier Luft fremd ſind. Darum werden auch die Geiſteskräfte von Schülern der neuen Zeit nicht entwickelt, wie ſie ſollten, und wie ſie es bei Kindern, die in Wald und Feldern ſchweifen, freilich auf Koſten ihres höheren Weſens wirklich ſind. Da¬ her ſtamme ein Theil der Schalheit und Trägheit unſerer Zeiten. Ich ging mit Guſtav jezt, da ich viele Muße hatte, ſehr fleißig zu dem Wäldchen, und da ich in der Kunſt des Schwimmens eine große Fertig¬ keit hatte, ſo ſah er an mir ein Vorbild, dem er nach¬ ſtreben konnte, und lernte Gelenkigkeit und Ausdauer mehr, als er es ohne mich gekonnt hätte. Überhaupt gewann Guſtav eine immer größere Neigung zu mir. Es mochte, wie ich mir ſchon früher gedacht hatte, zuerſt der Umſtand eingewirkt haben, daß ich ihm an Alter nicht ſo ſehr ferne ſtand. Dazu mochte ſich geſellt haben, daß ich, der ich eigentlich ſehr einſam und abgeſchloſſen erzogen worden war, viel tiefer in ſpätere Jahre hinein die Merkmale der Kindheit bewahrt haben mochte als andere Leute, die Stifter, Nachſommer. II. 7

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/111>, abgerufen am 25.11.2024.