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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Stille des Raumes und die reine Luft auch mitgewirkt
haben konnten. Da ich nun genauer auf dieses ge¬
legentliche Vogelzwitschern achtete, fand ich wirklich,
daß Töne sehr einsamer und immer in tiefen Wäldern
wohnender Vögel vorkamen. Es nahm sich dies wun¬
derlich in einem bewohnten und wohleingerichteten
Zimmer aus.

Da ich aber nun den Grund meiner Empfindung
aufgefunden hatte, oder aufgefunden zu haben glaubte,
war auch ein großer Theil ihrer Dunkelheit und mit¬
hin Annehmlichkeit verschwunden.

Wie ich nun so fortwährend auf den Vogelgesang
merkte, fiel mir sogleich auch etwas anderes ein. Wenn
ein Gewitter im Anzuge ist, und schwüle Lüfte in dem
Himmelsraume stocken, schweigen gewöhnlich die Wald¬
vögel. Ich erinnerte mich, daß ich in solchen Augenbli¬
ken oft in den schönsten dichtesten entlegensten Wäldern
nicht den geringsten Laut gehört habe, etwa ein ein¬
maliges oder zweimaliges Hämmern des Spechtes
ausgenommen oder den kurzen Schrei jenes Geiers,
den die Landleute Gießvogel nennen. Aber selbst er
schweigt, wenn das Gewitter in unmittelbarer An¬
näherung ist. Nur bei den Menschen wohnende Vögel,
die das Gewitter fürchten wie er, oder solche, die im

Stille des Raumes und die reine Luft auch mitgewirkt
haben konnten. Da ich nun genauer auf dieſes ge¬
legentliche Vogelzwitſchern achtete, fand ich wirklich,
daß Töne ſehr einſamer und immer in tiefen Wäldern
wohnender Vögel vorkamen. Es nahm ſich dies wun¬
derlich in einem bewohnten und wohleingerichteten
Zimmer aus.

Da ich aber nun den Grund meiner Empfindung
aufgefunden hatte, oder aufgefunden zu haben glaubte,
war auch ein großer Theil ihrer Dunkelheit und mit¬
hin Annehmlichkeit verſchwunden.

Wie ich nun ſo fortwährend auf den Vogelgeſang
merkte, fiel mir ſogleich auch etwas anderes ein. Wenn
ein Gewitter im Anzuge iſt, und ſchwüle Lüfte in dem
Himmelsraume ſtocken, ſchweigen gewöhnlich die Wald¬
vögel. Ich erinnerte mich, daß ich in ſolchen Augenbli¬
ken oft in den ſchönſten dichteſten entlegenſten Wäldern
nicht den geringſten Laut gehört habe, etwa ein ein¬
maliges oder zweimaliges Hämmern des Spechtes
ausgenommen oder den kurzen Schrei jenes Geiers,
den die Landleute Gießvogel nennen. Aber ſelbſt er
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[77/0091] Stille des Raumes und die reine Luft auch mitgewirkt haben konnten. Da ich nun genauer auf dieſes ge¬ legentliche Vogelzwitſchern achtete, fand ich wirklich, daß Töne ſehr einſamer und immer in tiefen Wäldern wohnender Vögel vorkamen. Es nahm ſich dies wun¬ derlich in einem bewohnten und wohleingerichteten Zimmer aus. Da ich aber nun den Grund meiner Empfindung aufgefunden hatte, oder aufgefunden zu haben glaubte, war auch ein großer Theil ihrer Dunkelheit und mit¬ hin Annehmlichkeit verſchwunden. Wie ich nun ſo fortwährend auf den Vogelgeſang merkte, fiel mir ſogleich auch etwas anderes ein. Wenn ein Gewitter im Anzuge iſt, und ſchwüle Lüfte in dem Himmelsraume ſtocken, ſchweigen gewöhnlich die Wald¬ vögel. Ich erinnerte mich, daß ich in ſolchen Augenbli¬ ken oft in den ſchönſten dichteſten entlegenſten Wäldern nicht den geringſten Laut gehört habe, etwa ein ein¬ maliges oder zweimaliges Hämmern des Spechtes ausgenommen oder den kurzen Schrei jenes Geiers, den die Landleute Gießvogel nennen. Aber ſelbſt er ſchweigt, wenn das Gewitter in unmittelbarer An¬ näherung iſt. Nur bei den Menſchen wohnende Vögel, die das Gewitter fürchten wie er, oder ſolche, die im

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/91>, abgerufen am 22.11.2024.