Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Haus herum, und schien mir bedeutend weit in die
Tiefe zu gehen.

Ich versuchte zuerst die Thürgriffe, aber sie öffneten
nicht. Dann nahm ich meine Zuflucht zu dem Glocken¬
griffe, und läutete.

Auf den Klang der Gloke kam ein Mann hinter
den Gebüschen des Gartens gegen mich hervor. Als
er an der innern Seite des Gitters vor mir stand, sah
ich, daß es ein Mann mit schneeweißen Haaren war,
die er nicht bedeckt hatte. Sonst war er unscheinbar,
und hatte eine Art Hausjacke an, oder wie man das
Ding nennen soll, das ihm überall enge anlag, und
fast bis auf die Knie herab reichte. Er sah mich einen
Augenblick an, da er zu mir herangekommen war, und
sagte dann: "Was wollt ihr, lieber Herr?"

"Es ist ein Gewitter im Anzuge," antwortete ich,
"und es wird in Kurzem über diese Gegend kommen.
Ich bin ein Wandersmann, wie ihr an meinem Ränz¬
chen seht, und bitte daher, daß mir in diesem Hause
so lange ein Obdach gegeben werde, bis der Regen
oder wenigstens der schwerere vorüber ist."

"Das Gewitter wird nicht zum Ausbruche kom¬
men," sagte der Mann.

"Es wird keine Stunde dauern, daß es kommt,

Haus herum, und ſchien mir bedeutend weit in die
Tiefe zu gehen.

Ich verſuchte zuerſt die Thürgriffe, aber ſie öffneten
nicht. Dann nahm ich meine Zuflucht zu dem Glocken¬
griffe, und läutete.

Auf den Klang der Gloke kam ein Mann hinter
den Gebüſchen des Gartens gegen mich hervor. Als
er an der innern Seite des Gitters vor mir ſtand, ſah
ich, daß es ein Mann mit ſchneeweißen Haaren war,
die er nicht bedeckt hatte. Sonſt war er unſcheinbar,
und hatte eine Art Hausjacke an, oder wie man das
Ding nennen ſoll, das ihm überall enge anlag, und
faſt bis auf die Knie herab reichte. Er ſah mich einen
Augenblick an, da er zu mir herangekommen war, und
ſagte dann: „Was wollt ihr, lieber Herr?“

„Es iſt ein Gewitter im Anzuge,“ antwortete ich,
„und es wird in Kurzem über dieſe Gegend kommen.
Ich bin ein Wandersmann, wie ihr an meinem Ränz¬
chen ſeht, und bitte daher, daß mir in dieſem Hauſe
ſo lange ein Obdach gegeben werde, bis der Regen
oder wenigſtens der ſchwerere vorüber iſt.“

„Das Gewitter wird nicht zum Ausbruche kom¬
men,“ ſagte der Mann.

„Es wird keine Stunde dauern, daß es kommt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="66"/>
Haus herum, und &#x017F;chien mir bedeutend weit in die<lb/>
Tiefe zu gehen.</p><lb/>
        <p>Ich ver&#x017F;uchte zuer&#x017F;t die Thürgriffe, aber &#x017F;ie öffneten<lb/>
nicht. Dann nahm ich meine Zuflucht zu dem Glocken¬<lb/>
griffe, und läutete.</p><lb/>
        <p>Auf den Klang der Gloke kam ein Mann hinter<lb/>
den Gebü&#x017F;chen des Gartens gegen mich hervor. Als<lb/>
er an der innern Seite des Gitters vor mir &#x017F;tand, &#x017F;ah<lb/>
ich, daß es ein Mann mit &#x017F;chneeweißen Haaren war,<lb/>
die er nicht bedeckt hatte. Son&#x017F;t war er un&#x017F;cheinbar,<lb/>
und hatte eine Art Hausjacke an, oder wie man das<lb/>
Ding nennen &#x017F;oll, das ihm überall enge anlag, und<lb/>
fa&#x017F;t bis auf die Knie herab reichte. Er &#x017F;ah mich einen<lb/>
Augenblick an, da er zu mir herangekommen war, und<lb/>
&#x017F;agte dann: &#x201E;Was wollt ihr, lieber Herr?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t ein Gewitter im Anzuge,&#x201C; antwortete ich,<lb/>
&#x201E;und es wird in Kurzem über die&#x017F;e Gegend kommen.<lb/>
Ich bin ein Wandersmann, wie ihr an meinem Ränz¬<lb/>
chen &#x017F;eht, und bitte daher, daß mir in die&#x017F;em Hau&#x017F;e<lb/>
&#x017F;o lange ein Obdach gegeben werde, bis der Regen<lb/>
oder wenig&#x017F;tens der &#x017F;chwerere vorüber i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Gewitter wird nicht zum Ausbruche kom¬<lb/>
men,&#x201C; &#x017F;agte der Mann.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es wird keine Stunde dauern, daß es kommt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0080] Haus herum, und ſchien mir bedeutend weit in die Tiefe zu gehen. Ich verſuchte zuerſt die Thürgriffe, aber ſie öffneten nicht. Dann nahm ich meine Zuflucht zu dem Glocken¬ griffe, und läutete. Auf den Klang der Gloke kam ein Mann hinter den Gebüſchen des Gartens gegen mich hervor. Als er an der innern Seite des Gitters vor mir ſtand, ſah ich, daß es ein Mann mit ſchneeweißen Haaren war, die er nicht bedeckt hatte. Sonſt war er unſcheinbar, und hatte eine Art Hausjacke an, oder wie man das Ding nennen ſoll, das ihm überall enge anlag, und faſt bis auf die Knie herab reichte. Er ſah mich einen Augenblick an, da er zu mir herangekommen war, und ſagte dann: „Was wollt ihr, lieber Herr?“ „Es iſt ein Gewitter im Anzuge,“ antwortete ich, „und es wird in Kurzem über dieſe Gegend kommen. Ich bin ein Wandersmann, wie ihr an meinem Ränz¬ chen ſeht, und bitte daher, daß mir in dieſem Hauſe ſo lange ein Obdach gegeben werde, bis der Regen oder wenigſtens der ſchwerere vorüber iſt.“ „Das Gewitter wird nicht zum Ausbruche kom¬ men,“ ſagte der Mann. „Es wird keine Stunde dauern, daß es kommt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/80
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/80>, abgerufen am 24.11.2024.