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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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stav nannte ihn Ziehvater -- habe diese Sammlung
angelegt, und die Anordnung so ausgedacht. Sie soll
nach dem Willen des alten Herrn noch einmal ge¬
macht, und der Gewerbschule zum Geschenke gegeben
werden.

Seine seltsame Kleidung und seine Gewohnheit
immer barhäuptig zu gehen, welch beides mir An¬
fangs sehr aufgefallen war, beirrte mich endlich gar
nicht mehr, ja es stimmte eigentlich zu der Umgebung
sowohl seiner Zimmer als der um ihn herum woh¬
nenden Bevölkerung, von der er sich nicht als etwas
Vornehmes abhob, der er vielmehr gleich war, und
von der er sich doch wieder als etwas Selbstständiges
unterschied. Mir fiel im Gegentheile ein, daß man¬
ches nicht geschmackvoll sei, was wir so heißen, am
wenigsten der Stadtrock und der Stadthut der Männer.

In die Zimmer, welche nach Frauenart eingerich¬
tet waren, wurde ich einmal auf meine Bitte geführt.
Sie gefielen mir wieder sehr, besonders das lezte
kleine, welchem ich jezt den Namen "die Rose" gab.
Man konnte in ihm sizen sinnen und durch das lieb¬
liche Fenster auf die Landschaft blicken. Daß ich nicht
um den Gebrauch dieser Zimmer fragte, begreift sich.

Ich erzählte meinem Gastfreunde oft von meinem

ſtav nannte ihn Ziehvater — habe dieſe Sammlung
angelegt, und die Anordnung ſo ausgedacht. Sie ſoll
nach dem Willen des alten Herrn noch einmal ge¬
macht, und der Gewerbſchule zum Geſchenke gegeben
werden.

Seine ſeltſame Kleidung und ſeine Gewohnheit
immer barhäuptig zu gehen, welch beides mir An¬
fangs ſehr aufgefallen war, beirrte mich endlich gar
nicht mehr, ja es ſtimmte eigentlich zu der Umgebung
ſowohl ſeiner Zimmer als der um ihn herum woh¬
nenden Bevölkerung, von der er ſich nicht als etwas
Vornehmes abhob, der er vielmehr gleich war, und
von der er ſich doch wieder als etwas Selbſtſtändiges
unterſchied. Mir fiel im Gegentheile ein, daß man¬
ches nicht geſchmackvoll ſei, was wir ſo heißen, am
wenigſten der Stadtrock und der Stadthut der Männer.

In die Zimmer, welche nach Frauenart eingerich¬
tet waren, wurde ich einmal auf meine Bitte geführt.
Sie gefielen mir wieder ſehr, beſonders das lezte
kleine, welchem ich jezt den Namen „die Roſe“ gab.
Man konnte in ihm ſizen ſinnen und durch das lieb¬
liche Fenſter auf die Landſchaft blicken. Daß ich nicht
um den Gebrauch dieſer Zimmer fragte, begreift ſich.

Ich erzählte meinem Gaſtfreunde oft von meinem

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[352/0366] ſtav nannte ihn Ziehvater — habe dieſe Sammlung angelegt, und die Anordnung ſo ausgedacht. Sie ſoll nach dem Willen des alten Herrn noch einmal ge¬ macht, und der Gewerbſchule zum Geſchenke gegeben werden. Seine ſeltſame Kleidung und ſeine Gewohnheit immer barhäuptig zu gehen, welch beides mir An¬ fangs ſehr aufgefallen war, beirrte mich endlich gar nicht mehr, ja es ſtimmte eigentlich zu der Umgebung ſowohl ſeiner Zimmer als der um ihn herum woh¬ nenden Bevölkerung, von der er ſich nicht als etwas Vornehmes abhob, der er vielmehr gleich war, und von der er ſich doch wieder als etwas Selbſtſtändiges unterſchied. Mir fiel im Gegentheile ein, daß man¬ ches nicht geſchmackvoll ſei, was wir ſo heißen, am wenigſten der Stadtrock und der Stadthut der Männer. In die Zimmer, welche nach Frauenart eingerich¬ tet waren, wurde ich einmal auf meine Bitte geführt. Sie gefielen mir wieder ſehr, beſonders das lezte kleine, welchem ich jezt den Namen „die Roſe“ gab. Man konnte in ihm ſizen ſinnen und durch das lieb¬ liche Fenſter auf die Landſchaft blicken. Daß ich nicht um den Gebrauch dieſer Zimmer fragte, begreift ſich. Ich erzählte meinem Gaſtfreunde oft von meinem

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/366>, abgerufen am 29.06.2024.