Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst die unzähligen Welten des ewigen Raumes
dazu gerechnet? Und dennoch dürfte es ganz anders
sein. Ich glaube daher, daß Gustav erst nach Erler¬
nung der Naturwissenschaften zu den Wissenschaften
des Menschen übergehen soll, und daß er da unge¬
fähr die Reihe beobachten soll: Körperlehre Seelen¬
lehre Denklehre Sittenlehre Rechtslehre Geschichte.
Hierauf mag er etwas von den Büchern der soge¬
nannten Weltweisheit lesen, dann aber muß er in
das Leben selber hinaus kommen."

Zum Unterrichte für Gustav waren gewisse Stun¬
den festgesezt, welche der alte Mann nie versäumte,
andere Stunden waren für die Selbstarbeit bestimmt,
welche Gustav wieder gewissenhaft hielt. Die übrige
Zeit war zu freier Beschäftigung überlassen.

In solchen Zeiten waren wir manches Mal in
dem Lesezimmer. Mein Gastfreund kam auch öfter und
gelegentlich auch Eustach oder der eine und der an¬
dere Arbeiter. Für Gustav waren nach der Wahl sei¬
nes Lehrers die Bücher, die er lesen durfte, bestimmt.
Er benuzte sie fleißig, ich sah aber nie, daß er nach
einem anderen langte. Eustach und die anderen Leute
hatten freie Auswahl und natürlich ich auch. Da ich
das erste Mal in diesem Hause war, hatte ich es ge¬

ſelbſt die unzähligen Welten des ewigen Raumes
dazu gerechnet? Und dennoch dürfte es ganz anders
ſein. Ich glaube daher, daß Guſtav erſt nach Erler¬
nung der Naturwiſſenſchaften zu den Wiſſenſchaften
des Menſchen übergehen ſoll, und daß er da unge¬
fähr die Reihe beobachten ſoll: Körperlehre Seelen¬
lehre Denklehre Sittenlehre Rechtslehre Geſchichte.
Hierauf mag er etwas von den Büchern der ſoge¬
nannten Weltweisheit leſen, dann aber muß er in
das Leben ſelber hinaus kommen.“

Zum Unterrichte für Guſtav waren gewiſſe Stun¬
den feſtgeſezt, welche der alte Mann nie verſäumte,
andere Stunden waren für die Selbſtarbeit beſtimmt,
welche Guſtav wieder gewiſſenhaft hielt. Die übrige
Zeit war zu freier Beſchäftigung überlaſſen.

In ſolchen Zeiten waren wir manches Mal in
dem Leſezimmer. Mein Gaſtfreund kam auch öfter und
gelegentlich auch Euſtach oder der eine und der an¬
dere Arbeiter. Für Guſtav waren nach der Wahl ſei¬
nes Lehrers die Bücher, die er leſen durfte, beſtimmt.
Er benuzte ſie fleißig, ich ſah aber nie, daß er nach
einem anderen langte. Euſtach und die anderen Leute
hatten freie Auswahl und natürlich ich auch. Da ich
das erſte Mal in dieſem Hauſe war, hatte ich es ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0357" n="343"/>
&#x017F;elb&#x017F;t die unzähligen Welten des ewigen Raumes<lb/>
dazu gerechnet? Und dennoch dürfte es ganz anders<lb/>
&#x017F;ein. Ich glaube daher, daß Gu&#x017F;tav er&#x017F;t nach Erler¬<lb/>
nung der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften zu den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften<lb/>
des Men&#x017F;chen übergehen &#x017F;oll, und daß er da unge¬<lb/>
fähr die Reihe beobachten &#x017F;oll: Körperlehre Seelen¬<lb/>
lehre Denklehre Sittenlehre Rechtslehre Ge&#x017F;chichte.<lb/>
Hierauf mag er etwas von den Büchern der &#x017F;oge¬<lb/>
nannten Weltweisheit le&#x017F;en, dann aber muß er in<lb/>
das Leben &#x017F;elber hinaus kommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Zum Unterrichte für Gu&#x017F;tav waren gewi&#x017F;&#x017F;e Stun¬<lb/>
den fe&#x017F;tge&#x017F;ezt, welche der alte Mann nie ver&#x017F;äumte,<lb/>
andere Stunden waren für die Selb&#x017F;tarbeit be&#x017F;timmt,<lb/>
welche Gu&#x017F;tav wieder gewi&#x017F;&#x017F;enhaft hielt. Die übrige<lb/>
Zeit war zu freier Be&#x017F;chäftigung überla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>In &#x017F;olchen Zeiten waren wir manches Mal in<lb/>
dem Le&#x017F;ezimmer. Mein Ga&#x017F;tfreund kam auch öfter und<lb/>
gelegentlich auch Eu&#x017F;tach oder der eine und der an¬<lb/>
dere Arbeiter. Für Gu&#x017F;tav waren nach der Wahl &#x017F;ei¬<lb/>
nes Lehrers die Bücher, die er le&#x017F;en durfte, be&#x017F;timmt.<lb/>
Er benuzte &#x017F;ie fleißig, ich &#x017F;ah aber nie, daß er nach<lb/>
einem anderen langte. Eu&#x017F;tach und die anderen Leute<lb/>
hatten freie Auswahl und natürlich ich auch. Da ich<lb/>
das er&#x017F;te Mal in die&#x017F;em Hau&#x017F;e war, hatte ich es ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0357] ſelbſt die unzähligen Welten des ewigen Raumes dazu gerechnet? Und dennoch dürfte es ganz anders ſein. Ich glaube daher, daß Guſtav erſt nach Erler¬ nung der Naturwiſſenſchaften zu den Wiſſenſchaften des Menſchen übergehen ſoll, und daß er da unge¬ fähr die Reihe beobachten ſoll: Körperlehre Seelen¬ lehre Denklehre Sittenlehre Rechtslehre Geſchichte. Hierauf mag er etwas von den Büchern der ſoge¬ nannten Weltweisheit leſen, dann aber muß er in das Leben ſelber hinaus kommen.“ Zum Unterrichte für Guſtav waren gewiſſe Stun¬ den feſtgeſezt, welche der alte Mann nie verſäumte, andere Stunden waren für die Selbſtarbeit beſtimmt, welche Guſtav wieder gewiſſenhaft hielt. Die übrige Zeit war zu freier Beſchäftigung überlaſſen. In ſolchen Zeiten waren wir manches Mal in dem Leſezimmer. Mein Gaſtfreund kam auch öfter und gelegentlich auch Euſtach oder der eine und der an¬ dere Arbeiter. Für Guſtav waren nach der Wahl ſei¬ nes Lehrers die Bücher, die er leſen durfte, beſtimmt. Er benuzte ſie fleißig, ich ſah aber nie, daß er nach einem anderen langte. Euſtach und die anderen Leute hatten freie Auswahl und natürlich ich auch. Da ich das erſte Mal in dieſem Hauſe war, hatte ich es ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/357
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/357>, abgerufen am 22.07.2024.