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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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durch die Reihen der Bäume der Vorstadt zuführte.
Ich schritt neben den düsteren Laternen vorbei, kam
wieder in die Gassen der Vorstadt, durchging sie, und
war endlich in dem Hause meiner Eltern.

Es war beinahe Mitternacht geworden. Die
Mutter, welche es sich bei solchen Gelegenheiten nicht
nehmen läßt, besonders auf die Gesundheit der Ihri¬
gen bedacht zu sein, war noch angekleidet, und war¬
tete meiner im Speisezimmer. Die Magd, welche mir
die Wohnung geöffnet hatte, sagte mir dieses, und
wies mich dahin. Die Mutter hatte noch ein Abend¬
essen für mich in Bereitschaft, und wollte, daß ich es
einnehme. Ich sagte ihr aber, daß ich noch zu sehr
mit dem Schauspiele beschäftigt sei, und nichts essen
könne. Sie wurde besorgt, und sprach von Arznei.
Ich erwiederte ihr, daß ich sehr wohl sei, und daß
mir gar nichts als Ruhe noth thue.

"Nun, wenn dir Ruhe noth thut, so ruhe," sagte
sie, "ich will dich nicht zwingen, ich habe es gut ge¬
meint."

"Gut gemeint wie immer, theure Mutter," ant¬
wortete ich, "darum danke ich auch."

Ich ergrif ihre Hand, und küßte sie. Wir wünsch¬

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durch die Reihen der Bäume der Vorſtadt zuführte.
Ich ſchritt neben den düſteren Laternen vorbei, kam
wieder in die Gaſſen der Vorſtadt, durchging ſie, und
war endlich in dem Hauſe meiner Eltern.

Es war beinahe Mitternacht geworden. Die
Mutter, welche es ſich bei ſolchen Gelegenheiten nicht
nehmen läßt, beſonders auf die Geſundheit der Ihri¬
gen bedacht zu ſein, war noch angekleidet, und war¬
tete meiner im Speiſezimmer. Die Magd, welche mir
die Wohnung geöffnet hatte, ſagte mir dieſes, und
wies mich dahin. Die Mutter hatte noch ein Abend¬
eſſen für mich in Bereitſchaft, und wollte, daß ich es
einnehme. Ich ſagte ihr aber, daß ich noch zu ſehr
mit dem Schauſpiele beſchäftigt ſei, und nichts eſſen
könne. Sie wurde beſorgt, und ſprach von Arznei.
Ich erwiederte ihr, daß ich ſehr wohl ſei, und daß
mir gar nichts als Ruhe noth thue.

„Nun, wenn dir Ruhe noth thut, ſo ruhe,“ ſagte
ſie, „ich will dich nicht zwingen, ich habe es gut ge¬
meint.“

„Gut gemeint wie immer, theure Mutter,“ ant¬
wortete ich, „darum danke ich auch.“

Ich ergrif ihre Hand, und küßte ſie. Wir wünſch¬

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[307/0321] durch die Reihen der Bäume der Vorſtadt zuführte. Ich ſchritt neben den düſteren Laternen vorbei, kam wieder in die Gaſſen der Vorſtadt, durchging ſie, und war endlich in dem Hauſe meiner Eltern. Es war beinahe Mitternacht geworden. Die Mutter, welche es ſich bei ſolchen Gelegenheiten nicht nehmen läßt, beſonders auf die Geſundheit der Ihri¬ gen bedacht zu ſein, war noch angekleidet, und war¬ tete meiner im Speiſezimmer. Die Magd, welche mir die Wohnung geöffnet hatte, ſagte mir dieſes, und wies mich dahin. Die Mutter hatte noch ein Abend¬ eſſen für mich in Bereitſchaft, und wollte, daß ich es einnehme. Ich ſagte ihr aber, daß ich noch zu ſehr mit dem Schauſpiele beſchäftigt ſei, und nichts eſſen könne. Sie wurde beſorgt, und ſprach von Arznei. Ich erwiederte ihr, daß ich ſehr wohl ſei, und daß mir gar nichts als Ruhe noth thue. „Nun, wenn dir Ruhe noth thut, ſo ruhe,“ ſagte ſie, „ich will dich nicht zwingen, ich habe es gut ge¬ meint.“ „Gut gemeint wie immer, theure Mutter,“ ant¬ wortete ich, „darum danke ich auch.“ Ich ergrif ihre Hand, und küßte ſie. Wir wünſch¬ 20 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/321>, abgerufen am 28.09.2024.