die Schlüssel der Zimmer verlangte. Sie holte diesel¬ ben, und brachte sie an einem Ringe, von welchem einzelne los zu lösen waren. Jeder trug die Zahl sei¬ nes Zimmers auf sich eingegraben. Nachdem mein Beherberger die Magd verabschiedet hatte, schloß er mir die einzelnen Zimmer auf. Sie waren einander vollkommen gleich. Sie waren gleich groß, jedes hatte zwei Fenster, und jedes hatte ähnliche Geräthe wie das meine.
"Ihr seht," sagte er, "daß wir in unserem Hause nicht so ungesellig sind, und bei dessen Anlegung schon auf Gäste gerechnet haben. Es können im äußersten Nothfalle noch mehr untergebracht werden, als die Zimmer anzeigen, wenn wir zwei in ein Gemach thun, und noch andere Zimmer namentlich die im Erdge¬ schosse in Anspruch nehmen. Es ist aber in der Zeit, seit welcher dieses Haus besteht, der Nothfall noch nicht eingetreten."
Als wir an die östliche Seite des Hauses gekom¬ men waren, an die Seite, die seiner Wohnung gerade entgegensezt lag, öffnete er eine Thür, und wir traten nicht in ein Zimmer wie bisher sondern in drei, welche sehr schön eingerichtet waren, und zu lieblichem Woh¬ nen einluden. Das erste war ein Zimmer für einen
die Schlüſſel der Zimmer verlangte. Sie holte dieſel¬ ben, und brachte ſie an einem Ringe, von welchem einzelne los zu löſen waren. Jeder trug die Zahl ſei¬ nes Zimmers auf ſich eingegraben. Nachdem mein Beherberger die Magd verabſchiedet hatte, ſchloß er mir die einzelnen Zimmer auf. Sie waren einander vollkommen gleich. Sie waren gleich groß, jedes hatte zwei Fenſter, und jedes hatte ähnliche Geräthe wie das meine.
„Ihr ſeht,“ ſagte er, „daß wir in unſerem Hauſe nicht ſo ungeſellig ſind, und bei deſſen Anlegung ſchon auf Gäſte gerechnet haben. Es können im äußerſten Nothfalle noch mehr untergebracht werden, als die Zimmer anzeigen, wenn wir zwei in ein Gemach thun, und noch andere Zimmer namentlich die im Erdge¬ ſchoſſe in Anſpruch nehmen. Es iſt aber in der Zeit, ſeit welcher dieſes Haus beſteht, der Nothfall noch nicht eingetreten.“
Als wir an die öſtliche Seite des Hauſes gekom¬ men waren, an die Seite, die ſeiner Wohnung gerade entgegenſezt lag, öffnete er eine Thür, und wir traten nicht in ein Zimmer wie bisher ſondern in drei, welche ſehr ſchön eingerichtet waren, und zu lieblichem Woh¬ nen einluden. Das erſte war ein Zimmer für einen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0275"n="261"/>
die Schlüſſel der Zimmer verlangte. Sie holte dieſel¬<lb/>
ben, und brachte ſie an einem Ringe, von welchem<lb/>
einzelne los zu löſen waren. Jeder trug die Zahl ſei¬<lb/>
nes Zimmers auf ſich eingegraben. Nachdem mein<lb/>
Beherberger die Magd verabſchiedet hatte, ſchloß er<lb/>
mir die einzelnen Zimmer auf. Sie waren einander<lb/>
vollkommen gleich. Sie waren gleich groß, jedes hatte<lb/>
zwei Fenſter, und jedes hatte ähnliche Geräthe wie<lb/>
das meine.</p><lb/><p>„Ihr ſeht,“ſagte er, „daß wir in unſerem Hauſe<lb/>
nicht ſo ungeſellig ſind, und bei deſſen Anlegung ſchon<lb/>
auf Gäſte gerechnet haben. Es können im äußerſten<lb/>
Nothfalle noch mehr untergebracht werden, als die<lb/>
Zimmer anzeigen, wenn wir zwei in ein Gemach thun,<lb/>
und noch andere Zimmer namentlich die im Erdge¬<lb/>ſchoſſe in Anſpruch nehmen. Es iſt aber in der Zeit,<lb/>ſeit welcher dieſes Haus beſteht, der Nothfall noch<lb/>
nicht eingetreten.“</p><lb/><p>Als wir an die öſtliche Seite des Hauſes gekom¬<lb/>
men waren, an die Seite, die ſeiner Wohnung gerade<lb/>
entgegenſezt lag, öffnete er eine Thür, und wir traten<lb/>
nicht in ein Zimmer wie bisher ſondern in drei, welche<lb/>ſehr ſchön eingerichtet waren, und zu lieblichem Woh¬<lb/>
nen einluden. Das erſte war ein Zimmer für einen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[261/0275]
die Schlüſſel der Zimmer verlangte. Sie holte dieſel¬
ben, und brachte ſie an einem Ringe, von welchem
einzelne los zu löſen waren. Jeder trug die Zahl ſei¬
nes Zimmers auf ſich eingegraben. Nachdem mein
Beherberger die Magd verabſchiedet hatte, ſchloß er
mir die einzelnen Zimmer auf. Sie waren einander
vollkommen gleich. Sie waren gleich groß, jedes hatte
zwei Fenſter, und jedes hatte ähnliche Geräthe wie
das meine.
„Ihr ſeht,“ ſagte er, „daß wir in unſerem Hauſe
nicht ſo ungeſellig ſind, und bei deſſen Anlegung ſchon
auf Gäſte gerechnet haben. Es können im äußerſten
Nothfalle noch mehr untergebracht werden, als die
Zimmer anzeigen, wenn wir zwei in ein Gemach thun,
und noch andere Zimmer namentlich die im Erdge¬
ſchoſſe in Anſpruch nehmen. Es iſt aber in der Zeit,
ſeit welcher dieſes Haus beſteht, der Nothfall noch
nicht eingetreten.“
Als wir an die öſtliche Seite des Hauſes gekom¬
men waren, an die Seite, die ſeiner Wohnung gerade
entgegenſezt lag, öffnete er eine Thür, und wir traten
nicht in ein Zimmer wie bisher ſondern in drei, welche
ſehr ſchön eingerichtet waren, und zu lieblichem Woh¬
nen einluden. Das erſte war ein Zimmer für einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/275>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.