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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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zuweilen ins Freie, und brachten den Tag in einem
Dorfe oder auf einem Berge zu.

Die Mutter, welche über die Erwerbung des Vor¬
stadthauses außerordentlich erfreut war, widmete sich
mit gesteigerter Thätigkeit dem Hauswesen. Alle
Samstage prangte das Linnen "weiß wie Kirschen¬
blüthe" auf dem Aufhängeplaze im Garten, und Zim¬
mer für Zimmer mußte unter ihrer Aufsicht gereiniget
werden, außer denen, in welchen die Kostbarkeiten des
Vaters waren, deren Abstäubung und Reinigung im¬
mer unter seinen Augen vor sich gehen mußte. Das Obst
die Blumen und die Gemüse des Gartens besorgte sie
mit dem Vater gemeinschaftlich. Sie bekam einen Ruf
in der Umgebung, daß Nachbarinnen kamen, und von
ihr Dienstboten verlangten, die in unserem Hause ge¬
lernt hätten.

Als wir nach und nach heran wuchsen, wurden
wir immer mehr in den Umgang der Eltern gezogen,
der Vater zeigte uns seine Bilder, und erklärte uns
manches in denselben. Er sagte, daß er nur alte habe,
die einen gewissen Werth besizen, den man immer
haben könne, wenn man einmal genöthigt sein sollte,
die Bilder zu verkaufen. Er zeigte uns, wenn wir
spazieren gingen, die Wirkungen von Licht und Schat¬

zuweilen ins Freie, und brachten den Tag in einem
Dorfe oder auf einem Berge zu.

Die Mutter, welche über die Erwerbung des Vor¬
ſtadthauſes außerordentlich erfreut war, widmete ſich
mit geſteigerter Thätigkeit dem Hausweſen. Alle
Samſtage prangte das Linnen „weiß wie Kirſchen¬
blüthe“ auf dem Aufhängeplaze im Garten, und Zim¬
mer für Zimmer mußte unter ihrer Aufſicht gereiniget
werden, außer denen, in welchen die Koſtbarkeiten des
Vaters waren, deren Abſtäubung und Reinigung im¬
mer unter ſeinen Augen vor ſich gehen mußte. Das Obſt
die Blumen und die Gemüſe des Gartens beſorgte ſie
mit dem Vater gemeinſchaftlich. Sie bekam einen Ruf
in der Umgebung, daß Nachbarinnen kamen, und von
ihr Dienſtboten verlangten, die in unſerem Hauſe ge¬
lernt hätten.

Als wir nach und nach heran wuchſen, wurden
wir immer mehr in den Umgang der Eltern gezogen,
der Vater zeigte uns ſeine Bilder, und erklärte uns
manches in denſelben. Er ſagte, daß er nur alte habe,
die einen gewiſſen Werth beſizen, den man immer
haben könne, wenn man einmal genöthigt ſein ſollte,
die Bilder zu verkaufen. Er zeigte uns, wenn wir
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[12/0026] zuweilen ins Freie, und brachten den Tag in einem Dorfe oder auf einem Berge zu. Die Mutter, welche über die Erwerbung des Vor¬ ſtadthauſes außerordentlich erfreut war, widmete ſich mit geſteigerter Thätigkeit dem Hausweſen. Alle Samſtage prangte das Linnen „weiß wie Kirſchen¬ blüthe“ auf dem Aufhängeplaze im Garten, und Zim¬ mer für Zimmer mußte unter ihrer Aufſicht gereiniget werden, außer denen, in welchen die Koſtbarkeiten des Vaters waren, deren Abſtäubung und Reinigung im¬ mer unter ſeinen Augen vor ſich gehen mußte. Das Obſt die Blumen und die Gemüſe des Gartens beſorgte ſie mit dem Vater gemeinſchaftlich. Sie bekam einen Ruf in der Umgebung, daß Nachbarinnen kamen, und von ihr Dienſtboten verlangten, die in unſerem Hauſe ge¬ lernt hätten. Als wir nach und nach heran wuchſen, wurden wir immer mehr in den Umgang der Eltern gezogen, der Vater zeigte uns ſeine Bilder, und erklärte uns manches in denſelben. Er ſagte, daß er nur alte habe, die einen gewiſſen Werth beſizen, den man immer haben könne, wenn man einmal genöthigt ſein ſollte, die Bilder zu verkaufen. Er zeigte uns, wenn wir ſpazieren gingen, die Wirkungen von Licht und Schat¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/26>, abgerufen am 21.11.2024.