Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

deihens geben, wenn man sie an einem Orte haben
will; nur daß man die Thiere nicht erst an den Ort
sezen muß wie die Bäume, sie kommen selber, beson¬
ders die Vögel, denen das Übersiedeln so leicht ist."

"Und welche sind denn die Bedingungen ihres
Gedeihens?" fragte ich.

"Hauptsächlich Schuz und Nahrung," erwie¬
derte er.

"Wie kann man denn einen Vogel schüzen?"
fragte ich.

"Ihn kann man nicht schüzen," sagte mein Gast¬
freund, "er schüzt sich selber; aber die Gelegenheit
zum Schuze kann man ihm geben. Die Singvögel,
welche sich nicht mit Waffen vertheidigen können,
suchen gegen Feinde und Wetter Höhlungen in Bäu¬
men Felsen Mauern oder dergleichen auf, die so enge
sind, daß ihnen ihr meistens größerer Feind in diesel¬
ben nicht folgen kann, und so tief, daß er auch nicht
mit einem Schnabel oder einer Taze bis auf den
Grund zu langen vermag -- einige, wie die Spechte,
machen sich selber die Höhlungen in die Bäume --
oder sie gehen in solche Dickichte, daß Raubvögel
Wiesel und ähnliche Verfolger nicht durchzudringen

deihens geben, wenn man ſie an einem Orte haben
will; nur daß man die Thiere nicht erſt an den Ort
ſezen muß wie die Bäume, ſie kommen ſelber, beſon¬
ders die Vögel, denen das Überſiedeln ſo leicht iſt.“

„Und welche ſind denn die Bedingungen ihres
Gedeihens?“ fragte ich.

„Hauptſächlich Schuz und Nahrung,“ erwie¬
derte er.

„Wie kann man denn einen Vogel ſchüzen?“
fragte ich.

„Ihn kann man nicht ſchüzen,“ ſagte mein Gaſt¬
freund, „er ſchüzt ſich ſelber; aber die Gelegenheit
zum Schuze kann man ihm geben. Die Singvögel,
welche ſich nicht mit Waffen vertheidigen können,
ſuchen gegen Feinde und Wetter Höhlungen in Bäu¬
men Felſen Mauern oder dergleichen auf, die ſo enge
ſind, daß ihnen ihr meiſtens größerer Feind in dieſel¬
ben nicht folgen kann, und ſo tief, daß er auch nicht
mit einem Schnabel oder einer Taze bis auf den
Grund zu langen vermag — einige, wie die Spechte,
machen ſich ſelber die Höhlungen in die Bäume —
oder ſie gehen in ſolche Dickichte, daß Raubvögel
Wieſel und ähnliche Verfolger nicht durchzudringen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="232"/>
deihens geben, wenn man &#x017F;ie an einem Orte haben<lb/>
will; nur daß man die Thiere nicht er&#x017F;t an den Ort<lb/>
&#x017F;ezen muß wie die Bäume, &#x017F;ie kommen &#x017F;elber, be&#x017F;on¬<lb/>
ders die Vögel, denen das Über&#x017F;iedeln &#x017F;o leicht i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und welche &#x017F;ind denn die Bedingungen ihres<lb/>
Gedeihens?&#x201C; fragte ich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Haupt&#x017F;ächlich Schuz und Nahrung,&#x201C; erwie¬<lb/>
derte er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie kann man denn einen Vogel &#x017F;chüzen?&#x201C;<lb/>
fragte ich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihn kann man nicht &#x017F;chüzen,&#x201C; &#x017F;agte mein Ga&#x017F;<lb/>
freund, &#x201E;er &#x017F;chüzt &#x017F;ich &#x017F;elber; aber die Gelegenheit<lb/>
zum Schuze kann man ihm geben. Die Singvögel,<lb/>
welche &#x017F;ich nicht mit Waffen vertheidigen können,<lb/>
&#x017F;uchen gegen Feinde und Wetter Höhlungen in Bäu¬<lb/>
men Fel&#x017F;en Mauern oder dergleichen auf, die &#x017F;o enge<lb/>
&#x017F;ind, daß ihnen ihr mei&#x017F;tens größerer Feind in die&#x017F;el¬<lb/>
ben nicht folgen kann, und &#x017F;o tief, daß er auch nicht<lb/>
mit einem Schnabel oder einer Taze bis auf den<lb/>
Grund zu langen vermag &#x2014; einige, wie die Spechte,<lb/>
machen &#x017F;ich &#x017F;elber die Höhlungen in die Bäume &#x2014;<lb/>
oder &#x017F;ie gehen in &#x017F;olche Dickichte, daß Raubvögel<lb/>
Wie&#x017F;el und ähnliche Verfolger nicht durchzudringen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0246] deihens geben, wenn man ſie an einem Orte haben will; nur daß man die Thiere nicht erſt an den Ort ſezen muß wie die Bäume, ſie kommen ſelber, beſon¬ ders die Vögel, denen das Überſiedeln ſo leicht iſt.“ „Und welche ſind denn die Bedingungen ihres Gedeihens?“ fragte ich. „Hauptſächlich Schuz und Nahrung,“ erwie¬ derte er. „Wie kann man denn einen Vogel ſchüzen?“ fragte ich. „Ihn kann man nicht ſchüzen,“ ſagte mein Gaſt¬ freund, „er ſchüzt ſich ſelber; aber die Gelegenheit zum Schuze kann man ihm geben. Die Singvögel, welche ſich nicht mit Waffen vertheidigen können, ſuchen gegen Feinde und Wetter Höhlungen in Bäu¬ men Felſen Mauern oder dergleichen auf, die ſo enge ſind, daß ihnen ihr meiſtens größerer Feind in dieſel¬ ben nicht folgen kann, und ſo tief, daß er auch nicht mit einem Schnabel oder einer Taze bis auf den Grund zu langen vermag — einige, wie die Spechte, machen ſich ſelber die Höhlungen in die Bäume — oder ſie gehen in ſolche Dickichte, daß Raubvögel Wieſel und ähnliche Verfolger nicht durchzudringen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/246
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/246>, abgerufen am 23.11.2024.