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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Manches Mal wurden Kinder zu uns eingeladen, mit
denen wir spielen durften, und öfter gingen wir auch
mit den Eltern zu Leuten, welche Kinder hatten, und
uns Spiele veranstalteten. Den Unterricht erhielten
wir in dem Hause von Lehrern, und dieser Unterricht
und die sogenannten Arbeitsstunden, in denen von
uns Kindern das verrichtet werden mußte, was uns
als Geschäft aufgetragen war, bildeten den regelmäßi¬
gen Verlauf der Zeit, von welchem nicht abgewichen
werden durfte.

Die Mutter war eine freundliche Frau, die uns
Kinder ungemein liebte, und die weit eher ein Ab¬
weichen von dem angegebenen Zeitenlaufe zu Gunsten
einer Lust gestatte hätte, wenn sie nicht von der Furcht
vor dem Vater davon abgehalten worden wäre. Sie
ging in dem Hause emsig herum, besorgte alles, ord¬
nete alles, ließ aus der obgenannten Furcht keine Aus¬
nahme zu, und war uns ein eben so ehrwürdiges
Bildniß des Guten wie der Vater, von welchem Bild¬
nisse gar nichts abgeändert werden konnte. Zu Hause
hatte sie gewöhnlich sehr einfache Kleider an. Nur zu¬
weilen, wenn sie mit dem Vater irgend wohin gehen
mußte, that sie ihre stattlichen seidenen Kleider an und
nahm ihren Schmuck, daß wir meinten, sie sei wie

Manches Mal wurden Kinder zu uns eingeladen, mit
denen wir ſpielen durften, und öfter gingen wir auch
mit den Eltern zu Leuten, welche Kinder hatten, und
uns Spiele veranſtalteten. Den Unterricht erhielten
wir in dem Hauſe von Lehrern, und dieſer Unterricht
und die ſogenannten Arbeitsſtunden, in denen von
uns Kindern das verrichtet werden mußte, was uns
als Geſchäft aufgetragen war, bildeten den regelmäßi¬
gen Verlauf der Zeit, von welchem nicht abgewichen
werden durfte.

Die Mutter war eine freundliche Frau, die uns
Kinder ungemein liebte, und die weit eher ein Ab¬
weichen von dem angegebenen Zeitenlaufe zu Gunſten
einer Luſt geſtatte hätte, wenn ſie nicht von der Furcht
vor dem Vater davon abgehalten worden wäre. Sie
ging in dem Hauſe emſig herum, beſorgte alles, ord¬
nete alles, ließ aus der obgenannten Furcht keine Aus¬
nahme zu, und war uns ein eben ſo ehrwürdiges
Bildniß des Guten wie der Vater, von welchem Bild¬
niſſe gar nichts abgeändert werden konnte. Zu Hauſe
hatte ſie gewöhnlich ſehr einfache Kleider an. Nur zu¬
weilen, wenn ſie mit dem Vater irgend wohin gehen
mußte, that ſie ihre ſtattlichen ſeidenen Kleider an und
nahm ihren Schmuck, daß wir meinten, ſie ſei wie

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[6/0020] Manches Mal wurden Kinder zu uns eingeladen, mit denen wir ſpielen durften, und öfter gingen wir auch mit den Eltern zu Leuten, welche Kinder hatten, und uns Spiele veranſtalteten. Den Unterricht erhielten wir in dem Hauſe von Lehrern, und dieſer Unterricht und die ſogenannten Arbeitsſtunden, in denen von uns Kindern das verrichtet werden mußte, was uns als Geſchäft aufgetragen war, bildeten den regelmäßi¬ gen Verlauf der Zeit, von welchem nicht abgewichen werden durfte. Die Mutter war eine freundliche Frau, die uns Kinder ungemein liebte, und die weit eher ein Ab¬ weichen von dem angegebenen Zeitenlaufe zu Gunſten einer Luſt geſtatte hätte, wenn ſie nicht von der Furcht vor dem Vater davon abgehalten worden wäre. Sie ging in dem Hauſe emſig herum, beſorgte alles, ord¬ nete alles, ließ aus der obgenannten Furcht keine Aus¬ nahme zu, und war uns ein eben ſo ehrwürdiges Bildniß des Guten wie der Vater, von welchem Bild¬ niſſe gar nichts abgeändert werden konnte. Zu Hauſe hatte ſie gewöhnlich ſehr einfache Kleider an. Nur zu¬ weilen, wenn ſie mit dem Vater irgend wohin gehen mußte, that ſie ihre ſtattlichen ſeidenen Kleider an und nahm ihren Schmuck, daß wir meinten, ſie ſei wie

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/20>, abgerufen am 24.11.2024.