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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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sich wohl niemand mehr den Zweifeln hingegeben, ob
wir die nöthige Sachkenntniß besäßen, als wir selber.
Darum haben wir auch gar keine Veränderung in der
Wesenheit der Sache vorgenommen. Selbst dort, wo
es deutlich erwiesen war, daß Theile des Altars in
der Zeit in eine andere Gruppe gestellt worden waren,
als sie ursprünglich gewesen sein konnten, ließen wir
das Vorgefundene bestehen. Wir befreiten nur die
Gebilde von Schmuz und Übertünchung, befestigten
das Zerblätterte und Lediggewordene, ergänzten das
Mangelnde, wo, wie ich gesagt habe, dessen Gestalt
vollkommen bekannt war, füllten alles, was durch
Holzwürmer zerstört war, mit Holz aus, beugten durch
ein erprobtes Mittel den künftigen Zerstörungen die¬
ser Thiere vor, und überzogen endlich den ganzen Al¬
tar, da er fertig war, mit einem sehr matten Firnisse.
Es wird einmal eine Zeit kommen, in welcher vom
Staate aus vollkommen sachverständige Männer in
ein Amt werden vereinigt werden, das die Wiederher¬
stellung alter Kunstwerke einleiten, ihre Aufstellung
in dem ursprünglichen Sinne bewirken, und ihre Ver¬
unstaltung für kommende Zeiten verhindern wird; denn
so gut man uns gewähren ließ, die ja auch eine Ver¬
unstaltung hätten hervorbringen können, so gut wird

ſich wohl niemand mehr den Zweifeln hingegeben, ob
wir die nöthige Sachkenntniß beſäßen, als wir ſelber.
Darum haben wir auch gar keine Veränderung in der
Weſenheit der Sache vorgenommen. Selbſt dort, wo
es deutlich erwieſen war, daß Theile des Altars in
der Zeit in eine andere Gruppe geſtellt worden waren,
als ſie urſprünglich geweſen ſein konnten, ließen wir
das Vorgefundene beſtehen. Wir befreiten nur die
Gebilde von Schmuz und Übertünchung, befeſtigten
das Zerblätterte und Lediggewordene, ergänzten das
Mangelnde, wo, wie ich geſagt habe, deſſen Geſtalt
vollkommen bekannt war, füllten alles, was durch
Holzwürmer zerſtört war, mit Holz aus, beugten durch
ein erprobtes Mittel den künftigen Zerſtörungen die¬
ſer Thiere vor, und überzogen endlich den ganzen Al¬
tar, da er fertig war, mit einem ſehr matten Firniſſe.
Es wird einmal eine Zeit kommen, in welcher vom
Staate aus vollkommen ſachverſtändige Männer in
ein Amt werden vereinigt werden, das die Wiederher¬
ſtellung alter Kunſtwerke einleiten, ihre Aufſtellung
in dem urſprünglichen Sinne bewirken, und ihre Ver¬
unſtaltung für kommende Zeiten verhindern wird; denn
ſo gut man uns gewähren ließ, die ja auch eine Ver¬
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[166/0180] ſich wohl niemand mehr den Zweifeln hingegeben, ob wir die nöthige Sachkenntniß beſäßen, als wir ſelber. Darum haben wir auch gar keine Veränderung in der Weſenheit der Sache vorgenommen. Selbſt dort, wo es deutlich erwieſen war, daß Theile des Altars in der Zeit in eine andere Gruppe geſtellt worden waren, als ſie urſprünglich geweſen ſein konnten, ließen wir das Vorgefundene beſtehen. Wir befreiten nur die Gebilde von Schmuz und Übertünchung, befeſtigten das Zerblätterte und Lediggewordene, ergänzten das Mangelnde, wo, wie ich geſagt habe, deſſen Geſtalt vollkommen bekannt war, füllten alles, was durch Holzwürmer zerſtört war, mit Holz aus, beugten durch ein erprobtes Mittel den künftigen Zerſtörungen die¬ ſer Thiere vor, und überzogen endlich den ganzen Al¬ tar, da er fertig war, mit einem ſehr matten Firniſſe. Es wird einmal eine Zeit kommen, in welcher vom Staate aus vollkommen ſachverſtändige Männer in ein Amt werden vereinigt werden, das die Wiederher¬ ſtellung alter Kunſtwerke einleiten, ihre Aufſtellung in dem urſprünglichen Sinne bewirken, und ihre Ver¬ unſtaltung für kommende Zeiten verhindern wird; denn ſo gut man uns gewähren ließ, die ja auch eine Ver¬ unſtaltung hätten hervorbringen können, ſo gut wird

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/180>, abgerufen am 22.11.2024.