schiedene. Ihr werdet dieses Wort erst recht einsehen, wenn ihr älter seid."
"Und habt ihr dieses Haus eigens zu dem Zwecke der Schreinerei erbaut?" fragte ich weiter.
"Ja," antwortete er, "wir haben es eigens zu die¬ sem Zwecke erbaut. Es ist aber viel später entstanden als das Wohnhaus. Da wir einmal so weit waren, die Sachen zu Hause machen zu lassen, so war der Schritt ein ganz leichter, uns eine eigene Werkstätte hiefür einzurichten. Der Bau dieses Hauses war aber bei weitem nicht das Schwerste, viel schwerer war es die Menschen zu finden. Ich hatte mehrere Schreiner, und mußte sie entlassen. Ich lernte nach und nach sel¬ ber, und da trat mir der Starrsinn der Eigenwille und das Herkommen entgegen. Ich nahm endlich solche Leute, die nicht Schreiner waren, und sich erst hier unterrichten sollten. Aber auch diese hatten wie die Frühern eine Sünde, welche in arbeitenden Ständen und auch wohl in andern sehr häufig ist, die Sünde der Erfolggenügsamkeit oder der Fahrlässigkeit, die stets sagt: ""es ist so auch recht,"" und die jede weitere Vorsicht für unnöthig erachtet. Es ist diese Sünde in den unbedeutendsten und wichtigsten Dingen des Lebens vorhanden, und sie ist mir in meinen früheren
ſchiedene. Ihr werdet dieſes Wort erſt recht einſehen, wenn ihr älter ſeid.“
„Und habt ihr dieſes Haus eigens zu dem Zwecke der Schreinerei erbaut?“ fragte ich weiter.
„Ja,“ antwortete er, „wir haben es eigens zu die¬ ſem Zwecke erbaut. Es iſt aber viel ſpäter entſtanden als das Wohnhaus. Da wir einmal ſo weit waren, die Sachen zu Hauſe machen zu laſſen, ſo war der Schritt ein ganz leichter, uns eine eigene Werkſtätte hiefür einzurichten. Der Bau dieſes Hauſes war aber bei weitem nicht das Schwerſte, viel ſchwerer war es die Menſchen zu finden. Ich hatte mehrere Schreiner, und mußte ſie entlaſſen. Ich lernte nach und nach ſel¬ ber, und da trat mir der Starrſinn der Eigenwille und das Herkommen entgegen. Ich nahm endlich ſolche Leute, die nicht Schreiner waren, und ſich erſt hier unterrichten ſollten. Aber auch dieſe hatten wie die Frühern eine Sünde, welche in arbeitenden Ständen und auch wohl in andern ſehr häufig iſt, die Sünde der Erfolggenügſamkeit oder der Fahrläſſigkeit, die ſtets ſagt: „„es iſt ſo auch recht,““ und die jede weitere Vorſicht für unnöthig erachtet. Es iſt dieſe Sünde in den unbedeutendſten und wichtigſten Dingen des Lebens vorhanden, und ſie iſt mir in meinen früheren
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ſchiedene. Ihr werdet dieſes Wort erſt recht einſehen,
wenn ihr älter ſeid.“
„Und habt ihr dieſes Haus eigens zu dem Zwecke
der Schreinerei erbaut?“ fragte ich weiter.
„Ja,“ antwortete er, „wir haben es eigens zu die¬
ſem Zwecke erbaut. Es iſt aber viel ſpäter entſtanden
als das Wohnhaus. Da wir einmal ſo weit waren,
die Sachen zu Hauſe machen zu laſſen, ſo war der
Schritt ein ganz leichter, uns eine eigene Werkſtätte
hiefür einzurichten. Der Bau dieſes Hauſes war aber
bei weitem nicht das Schwerſte, viel ſchwerer war es
die Menſchen zu finden. Ich hatte mehrere Schreiner,
und mußte ſie entlaſſen. Ich lernte nach und nach ſel¬
ber, und da trat mir der Starrſinn der Eigenwille und
das Herkommen entgegen. Ich nahm endlich ſolche
Leute, die nicht Schreiner waren, und ſich erſt hier
unterrichten ſollten. Aber auch dieſe hatten wie die
Frühern eine Sünde, welche in arbeitenden Ständen
und auch wohl in andern ſehr häufig iſt, die Sünde
der Erfolggenügſamkeit oder der Fahrläſſigkeit, die
ſtets ſagt: „„es iſt ſo auch recht,““ und die jede weitere
Vorſicht für unnöthig erachtet. Es iſt dieſe Sünde
in den unbedeutendſten und wichtigſten Dingen des
Lebens vorhanden, und ſie iſt mir in meinen früheren
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/160>, abgerufen am 22.11.2024.
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