Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

senden paßt. Darum haben wir hier eine Anstalt für
Geräthe des Alterthums gegründet, die wir dem Un¬
tergange entreißen zusammenstellen reinigen glätten
und wieder in die Wohnlichkeit einzuführen suchen."

Es wurde, da ich mich in dem Schreinerhause be¬
fand, eben an der Platte eines Tisches gearbeitet, die,
wie mein Begleiter sagte, aus dem sechzehnten Jahr¬
hunderte stammte. Sie war in Hölzern von verschie¬
dener aber natürlicher Farbe eingelegt. Blos wo grü¬
nes Laub vorkam, war es von grüngebeiztem Holze.
Von außen war eine Verbrämung von in einander ge¬
schlungenen und schneckenartig gewundenen Rollen
Laubzweigen und Obst. Die innere Fläche, welche
von der Verbrämung durch ein Bänderwerk von ro¬
them Rosenholze abgeschnitten war, trug auf einem
Grunde von braunlich weißem Ahorne eine Samm¬
lung von Musikgeräthen. Sie waren freilich nicht in
dem Verhältnisse ihrer Größen eingelegt. Die Geige
war viel kleiner als die Mandoline, die Trommel und
der Dudelsack waren gleich groß, und unter beiden zog
sich die Flöte wie ein Weberbaum dahin. Aber im
Einzelnen erschienen mir die Sachen als sehr schön,
und die Mandoline war so rein und lieblich, wie ich
solche Dinge nicht schöner auf den alten Gemälden

ſenden paßt. Darum haben wir hier eine Anſtalt für
Geräthe des Alterthums gegründet, die wir dem Un¬
tergange entreißen zuſammenſtellen reinigen glätten
und wieder in die Wohnlichkeit einzuführen ſuchen.“

Es wurde, da ich mich in dem Schreinerhauſe be¬
fand, eben an der Platte eines Tiſches gearbeitet, die,
wie mein Begleiter ſagte, aus dem ſechzehnten Jahr¬
hunderte ſtammte. Sie war in Hölzern von verſchie¬
dener aber natürlicher Farbe eingelegt. Blos wo grü¬
nes Laub vorkam, war es von grüngebeiztem Holze.
Von außen war eine Verbrämung von in einander ge¬
ſchlungenen und ſchneckenartig gewundenen Rollen
Laubzweigen und Obſt. Die innere Fläche, welche
von der Verbrämung durch ein Bänderwerk von ro¬
them Roſenholze abgeſchnitten war, trug auf einem
Grunde von braunlich weißem Ahorne eine Samm¬
lung von Muſikgeräthen. Sie waren freilich nicht in
dem Verhältniſſe ihrer Größen eingelegt. Die Geige
war viel kleiner als die Mandoline, die Trommel und
der Dudelſack waren gleich groß, und unter beiden zog
ſich die Flöte wie ein Weberbaum dahin. Aber im
Einzelnen erſchienen mir die Sachen als ſehr ſchön,
und die Mandoline war ſo rein und lieblich, wie ich
ſolche Dinge nicht ſchöner auf den alten Gemälden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="141"/>
&#x017F;enden paßt. Darum haben wir hier eine An&#x017F;talt für<lb/>
Geräthe des Alterthums gegründet, die wir dem Un¬<lb/>
tergange entreißen zu&#x017F;ammen&#x017F;tellen reinigen glätten<lb/>
und wieder in die Wohnlichkeit einzuführen &#x017F;uchen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es wurde, da ich mich in dem Schreinerhau&#x017F;e be¬<lb/>
fand, eben an der Platte eines Ti&#x017F;ches gearbeitet, die,<lb/>
wie mein Begleiter &#x017F;agte, aus dem &#x017F;echzehnten Jahr¬<lb/>
hunderte &#x017F;tammte. Sie war in Hölzern von ver&#x017F;chie¬<lb/>
dener aber natürlicher Farbe eingelegt. Blos wo grü¬<lb/>
nes Laub vorkam, war es von grüngebeiztem Holze.<lb/>
Von außen war eine Verbrämung von in einander ge¬<lb/>
&#x017F;chlungenen und &#x017F;chneckenartig gewundenen Rollen<lb/>
Laubzweigen und Ob&#x017F;t. Die innere Fläche, welche<lb/>
von der Verbrämung durch ein Bänderwerk von ro¬<lb/>
them Ro&#x017F;enholze abge&#x017F;chnitten war, trug auf einem<lb/>
Grunde von braunlich weißem Ahorne eine Samm¬<lb/>
lung von Mu&#x017F;ikgeräthen. Sie waren freilich nicht in<lb/>
dem Verhältni&#x017F;&#x017F;e ihrer Größen eingelegt. Die Geige<lb/>
war viel kleiner als die Mandoline, die Trommel und<lb/>
der Dudel&#x017F;ack waren gleich groß, und unter beiden zog<lb/>
&#x017F;ich die Flöte wie ein Weberbaum dahin. Aber im<lb/>
Einzelnen er&#x017F;chienen mir die Sachen als &#x017F;ehr &#x017F;chön,<lb/>
und die Mandoline war &#x017F;o rein und lieblich, wie ich<lb/>
&#x017F;olche Dinge nicht &#x017F;chöner auf den alten Gemälden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0155] ſenden paßt. Darum haben wir hier eine Anſtalt für Geräthe des Alterthums gegründet, die wir dem Un¬ tergange entreißen zuſammenſtellen reinigen glätten und wieder in die Wohnlichkeit einzuführen ſuchen.“ Es wurde, da ich mich in dem Schreinerhauſe be¬ fand, eben an der Platte eines Tiſches gearbeitet, die, wie mein Begleiter ſagte, aus dem ſechzehnten Jahr¬ hunderte ſtammte. Sie war in Hölzern von verſchie¬ dener aber natürlicher Farbe eingelegt. Blos wo grü¬ nes Laub vorkam, war es von grüngebeiztem Holze. Von außen war eine Verbrämung von in einander ge¬ ſchlungenen und ſchneckenartig gewundenen Rollen Laubzweigen und Obſt. Die innere Fläche, welche von der Verbrämung durch ein Bänderwerk von ro¬ them Roſenholze abgeſchnitten war, trug auf einem Grunde von braunlich weißem Ahorne eine Samm¬ lung von Muſikgeräthen. Sie waren freilich nicht in dem Verhältniſſe ihrer Größen eingelegt. Die Geige war viel kleiner als die Mandoline, die Trommel und der Dudelſack waren gleich groß, und unter beiden zog ſich die Flöte wie ein Weberbaum dahin. Aber im Einzelnen erſchienen mir die Sachen als ſehr ſchön, und die Mandoline war ſo rein und lieblich, wie ich ſolche Dinge nicht ſchöner auf den alten Gemälden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/155
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/155>, abgerufen am 22.11.2024.