Stifter, Adalbert: Brigitta. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–301. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Aufrichtigkeit, daß gleiches Streben und Mittheilen zwischen ihnen herrschen sollte, aber weiter Nichts; an diesem sittlich festen Altare wollten sie stehen bleiben, vielleicht glücklich bis zum Lebensende -- sie wollten keine Frage weiter an das Schicksal thun, daß es keinen Stachel habe und nicht wieder tückisch sein möge. Dies sei nun schon mehrere Jahre so, und werde so bleiben. Das hatte der Major zu mir gesagt -- allein in einiger Zeit darauf that das ungefragte Schicksal von selber eine Antwort, die Alles schnell und auf unerwartete Art lösete. Es war schon sehr spät im Herbste, man könnte sagen, zu Anfang Winters, ein dichter Nebel lag eines Tages auf der bereits fest gefronten Haide, und ich ritt eben mit dem Major auf jenem neugebauten Wege mit der jungen Pappelallee, wir hatten vor, vielleicht ein wenig zu jagen, -- als wir plötzlich durch den Nebel herüber zwei dumpfe Schüsse fallen hörten. Das sind meine Pistolen und keine andern, rief der Major. Ehe ich Etwas begreifen und fragen konnte, sprengte er schon die Allee entlang, so furchtbar, wie ich nie ein Pferd habe laufen gesehen, ich folgte ihm nach, weil ich ein Unglück ahnete, und als ich wieder zu ihm kam, traf ich auf ein Schauspiel, so gräßlich und so herrlich, daß noch jetzt meine Seele schaudert und jauchzt: an der Stelle, wo der Galgen steht und der Binsenbach schillert, hatte der Major den Knaben Gustav gefunden, Aufrichtigkeit, daß gleiches Streben und Mittheilen zwischen ihnen herrschen sollte, aber weiter Nichts; an diesem sittlich festen Altare wollten sie stehen bleiben, vielleicht glücklich bis zum Lebensende — sie wollten keine Frage weiter an das Schicksal thun, daß es keinen Stachel habe und nicht wieder tückisch sein möge. Dies sei nun schon mehrere Jahre so, und werde so bleiben. Das hatte der Major zu mir gesagt — allein in einiger Zeit darauf that das ungefragte Schicksal von selber eine Antwort, die Alles schnell und auf unerwartete Art lösete. Es war schon sehr spät im Herbste, man könnte sagen, zu Anfang Winters, ein dichter Nebel lag eines Tages auf der bereits fest gefronten Haide, und ich ritt eben mit dem Major auf jenem neugebauten Wege mit der jungen Pappelallee, wir hatten vor, vielleicht ein wenig zu jagen, — als wir plötzlich durch den Nebel herüber zwei dumpfe Schüsse fallen hörten. Das sind meine Pistolen und keine andern, rief der Major. Ehe ich Etwas begreifen und fragen konnte, sprengte er schon die Allee entlang, so furchtbar, wie ich nie ein Pferd habe laufen gesehen, ich folgte ihm nach, weil ich ein Unglück ahnete, und als ich wieder zu ihm kam, traf ich auf ein Schauspiel, so gräßlich und so herrlich, daß noch jetzt meine Seele schaudert und jauchzt: an der Stelle, wo der Galgen steht und der Binsenbach schillert, hatte der Major den Knaben Gustav gefunden, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0084"/> Aufrichtigkeit, daß gleiches Streben und Mittheilen zwischen ihnen herrschen sollte, aber weiter Nichts; an diesem sittlich festen Altare wollten sie stehen bleiben, vielleicht glücklich bis zum Lebensende — sie wollten keine Frage weiter an das Schicksal thun, daß es keinen Stachel habe und nicht wieder tückisch sein möge. Dies sei nun schon mehrere Jahre so, und werde so bleiben.</p><lb/> <p>Das hatte der Major zu mir gesagt — allein in einiger Zeit darauf that das ungefragte Schicksal von selber eine Antwort, die Alles schnell und auf unerwartete Art lösete.</p><lb/> <p>Es war schon sehr spät im Herbste, man könnte sagen, zu Anfang Winters, ein dichter Nebel lag eines Tages auf der bereits fest gefronten Haide, und ich ritt eben mit dem Major auf jenem neugebauten Wege mit der jungen Pappelallee, wir hatten vor, vielleicht ein wenig zu jagen, — als wir plötzlich durch den Nebel herüber zwei dumpfe Schüsse fallen hörten.</p><lb/> <p>Das sind meine Pistolen und keine andern, rief der Major.</p><lb/> <p>Ehe ich Etwas begreifen und fragen konnte, sprengte er schon die Allee entlang, so furchtbar, wie ich nie ein Pferd habe laufen gesehen, ich folgte ihm nach, weil ich ein Unglück ahnete, und als ich wieder zu ihm kam, traf ich auf ein Schauspiel, so gräßlich und so herrlich, daß noch jetzt meine Seele schaudert und jauchzt: an der Stelle, wo der Galgen steht und der Binsenbach schillert, hatte der Major den Knaben Gustav gefunden,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
Aufrichtigkeit, daß gleiches Streben und Mittheilen zwischen ihnen herrschen sollte, aber weiter Nichts; an diesem sittlich festen Altare wollten sie stehen bleiben, vielleicht glücklich bis zum Lebensende — sie wollten keine Frage weiter an das Schicksal thun, daß es keinen Stachel habe und nicht wieder tückisch sein möge. Dies sei nun schon mehrere Jahre so, und werde so bleiben.
Das hatte der Major zu mir gesagt — allein in einiger Zeit darauf that das ungefragte Schicksal von selber eine Antwort, die Alles schnell und auf unerwartete Art lösete.
Es war schon sehr spät im Herbste, man könnte sagen, zu Anfang Winters, ein dichter Nebel lag eines Tages auf der bereits fest gefronten Haide, und ich ritt eben mit dem Major auf jenem neugebauten Wege mit der jungen Pappelallee, wir hatten vor, vielleicht ein wenig zu jagen, — als wir plötzlich durch den Nebel herüber zwei dumpfe Schüsse fallen hörten.
Das sind meine Pistolen und keine andern, rief der Major.
Ehe ich Etwas begreifen und fragen konnte, sprengte er schon die Allee entlang, so furchtbar, wie ich nie ein Pferd habe laufen gesehen, ich folgte ihm nach, weil ich ein Unglück ahnete, und als ich wieder zu ihm kam, traf ich auf ein Schauspiel, so gräßlich und so herrlich, daß noch jetzt meine Seele schaudert und jauchzt: an der Stelle, wo der Galgen steht und der Binsenbach schillert, hatte der Major den Knaben Gustav gefunden,
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