Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Brigitta. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–301. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

fast innig -- und als wir eine halbe Stunde geplaudert hatten, waren wir schon wieder so bekannt, wie zuvor. Es schien, als hätten wir uns seit unserer italienischen Reise gar nicht getrennt. Da ich mich ankleidete und dazu bemerkte, daß ein Koffer mit meinen anderen Sachen ankommen werde, schlug er vor, ich möchte bis dahin, oder, wenn ich wollte, in der Zeit meines ganzen Hierseins ungarische Kleider anziehen. Ich ging in die Sache ein, und die nöthigen Bestandstücke waren bald herbeigeschafft, wobei er bemerkte, daß er in den nächsten Tagen schon für Abwechslung sorgen werde. Wie wir nun so in den Hof hinunter kamen zu den mit uns gleich gekleideten Knechten, und wie diese aus den finstern Schnurrbärten und den buschigen Augenbrauen so beifällig auf uns blickten und uns die Pferde zu einem Morgenritte zuführten, war etwas so Edles und Beruhigendes in dem Schauspiele, daß ich mich innerlichst recht davon erquickt fühlte.

Wir ritten von der großen sanften Dogge begleitet in den Besitzungen des Majors herum. Er zeigte mir Alles und gab gelegentlich Befehle und Lobsprüche. Der Park, durch den wir zuerst ritten, war eine freundliche Wildniß, sehr gut gehegt, rein gehalten und von Wegen durchschnitten. Als wir hinaus auf die Felder kamen, wogten sie im dunkelsten Grün. Nur in England habe ich ein Gleiches gesehen; aber dort, schien es mir, war es zarter und weichlicher, während dieses hier kräftiger und sonnedurchdrungener erschien. Wir ritten hinter dem

fast innig — und als wir eine halbe Stunde geplaudert hatten, waren wir schon wieder so bekannt, wie zuvor. Es schien, als hätten wir uns seit unserer italienischen Reise gar nicht getrennt. Da ich mich ankleidete und dazu bemerkte, daß ein Koffer mit meinen anderen Sachen ankommen werde, schlug er vor, ich möchte bis dahin, oder, wenn ich wollte, in der Zeit meines ganzen Hierseins ungarische Kleider anziehen. Ich ging in die Sache ein, und die nöthigen Bestandstücke waren bald herbeigeschafft, wobei er bemerkte, daß er in den nächsten Tagen schon für Abwechslung sorgen werde. Wie wir nun so in den Hof hinunter kamen zu den mit uns gleich gekleideten Knechten, und wie diese aus den finstern Schnurrbärten und den buschigen Augenbrauen so beifällig auf uns blickten und uns die Pferde zu einem Morgenritte zuführten, war etwas so Edles und Beruhigendes in dem Schauspiele, daß ich mich innerlichst recht davon erquickt fühlte.

Wir ritten von der großen sanften Dogge begleitet in den Besitzungen des Majors herum. Er zeigte mir Alles und gab gelegentlich Befehle und Lobsprüche. Der Park, durch den wir zuerst ritten, war eine freundliche Wildniß, sehr gut gehegt, rein gehalten und von Wegen durchschnitten. Als wir hinaus auf die Felder kamen, wogten sie im dunkelsten Grün. Nur in England habe ich ein Gleiches gesehen; aber dort, schien es mir, war es zarter und weichlicher, während dieses hier kräftiger und sonnedurchdrungener erschien. Wir ritten hinter dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0031"/>
fast innig &#x2014; und als wir eine halbe                Stunde geplaudert hatten, waren wir schon wieder so bekannt, wie zuvor. Es schien,                als hätten wir uns seit unserer italienischen Reise gar nicht getrennt. Da ich mich                ankleidete und dazu bemerkte, daß ein Koffer mit meinen anderen Sachen ankommen                werde, schlug er vor, ich möchte bis dahin, oder, wenn ich wollte, in der Zeit meines                ganzen Hierseins ungarische Kleider anziehen. Ich ging in die Sache ein, und die                nöthigen Bestandstücke waren bald herbeigeschafft, wobei er bemerkte, daß er in den                nächsten Tagen schon für Abwechslung sorgen werde. Wie wir nun so in den Hof hinunter                kamen zu den mit uns gleich gekleideten Knechten, und wie diese aus den finstern                Schnurrbärten und den buschigen Augenbrauen so beifällig auf uns blickten und uns die                Pferde zu einem Morgenritte zuführten, war etwas so Edles und Beruhigendes in dem                Schauspiele, daß ich mich innerlichst recht davon erquickt fühlte.</p><lb/>
        <p>Wir ritten von der großen sanften Dogge begleitet in den Besitzungen des Majors                herum. Er zeigte mir Alles und gab gelegentlich Befehle und Lobsprüche. Der Park,                durch den wir zuerst ritten, war eine freundliche Wildniß, sehr gut gehegt, rein                gehalten und von Wegen durchschnitten. Als wir hinaus auf die Felder kamen, wogten                sie im dunkelsten Grün. Nur in England habe ich ein Gleiches gesehen; aber dort,                schien es mir, war es zarter und weichlicher, während dieses hier kräftiger und                sonnedurchdrungener erschien. Wir ritten hinter dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] fast innig — und als wir eine halbe Stunde geplaudert hatten, waren wir schon wieder so bekannt, wie zuvor. Es schien, als hätten wir uns seit unserer italienischen Reise gar nicht getrennt. Da ich mich ankleidete und dazu bemerkte, daß ein Koffer mit meinen anderen Sachen ankommen werde, schlug er vor, ich möchte bis dahin, oder, wenn ich wollte, in der Zeit meines ganzen Hierseins ungarische Kleider anziehen. Ich ging in die Sache ein, und die nöthigen Bestandstücke waren bald herbeigeschafft, wobei er bemerkte, daß er in den nächsten Tagen schon für Abwechslung sorgen werde. Wie wir nun so in den Hof hinunter kamen zu den mit uns gleich gekleideten Knechten, und wie diese aus den finstern Schnurrbärten und den buschigen Augenbrauen so beifällig auf uns blickten und uns die Pferde zu einem Morgenritte zuführten, war etwas so Edles und Beruhigendes in dem Schauspiele, daß ich mich innerlichst recht davon erquickt fühlte. Wir ritten von der großen sanften Dogge begleitet in den Besitzungen des Majors herum. Er zeigte mir Alles und gab gelegentlich Befehle und Lobsprüche. Der Park, durch den wir zuerst ritten, war eine freundliche Wildniß, sehr gut gehegt, rein gehalten und von Wegen durchschnitten. Als wir hinaus auf die Felder kamen, wogten sie im dunkelsten Grün. Nur in England habe ich ein Gleiches gesehen; aber dort, schien es mir, war es zarter und weichlicher, während dieses hier kräftiger und sonnedurchdrungener erschien. Wir ritten hinter dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:12:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:12:00Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_brigitta_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_brigitta_1910/31
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Brigitta. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–301. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_brigitta_1910/31>, abgerufen am 25.11.2024.