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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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theures, aber gern vergebenes Kleinod gewagt, da wußte er gleich gar nicht was er Alles ersinnen sollte, um das Seinige zur Erhöhung unsrer Freuden beizutragen. Zuerst einmal wollte er die Thüre zuschlagen, die in die volle äußere Wirthsstube führt, Herr ** verhinderte dieß aber mit den schönen Worten: ich kann nur froh seyn unter meinem Volk - dann ließ er die Vorhänge herunter, damit man nicht von außen durch Neugier beschwerlich würde, brachte das Beste aus seinem Rauchfange, Schinken und Zungen, damit wir auch etwas zu essen hätten, und dann als das Töchterlein Ludwina endlich auch aus der Kirche gekommen, mußte sie gleich ihre Harmonika holen, einen großen Kasten, in dem allerlei Walzer und Ländler schlummerten und den sie auf dem Schooß mit zierlicher Geläufigkeit behandelte, während der rechte Fuß klappernd den Tact dazu schlug. Als aber die erste Flasche ausgestochen, waren wir schnell entschlossen und beschworen auch noch die beiden andern gebieterisch herauf aus ihrem traurigen Verließe. Mit welchen freundlichen Ausrufungen bewunderte da der Wirth nicht unsere Fertigkeit, als wir ihnen ihr silbernes Häubchen herunterrissen, ihr Drathgerüste abzogen und den Pfropfen springen ließen? Und als wir die ganze Familie eingeladen und allen von dem Wein eingeschenkt hatten von dem der Landesgouverneur genippt, da fehlte nur noch sehr wenig, so hätten wir alle zusammen förmlich Brüderschaft getrunken fürs liebe lange Leben und wären uns sämmtlich um den Hals gefallen - die Gäste vielleicht am ersten dem hübschen Töchterlein, das noch immer rastlos in unsern Enthusiasmus hineinschalmeite.

Das alles mußte aber auch ein Ende nehmen, und gegen Mittag schien's Zeit die flackernden Dünste, die das Banket in unsre Häupter getrieben, im Freien wieder verfliegen zu lassen. So griffen wir zum Stabe, begleitet von allen Hausgenossen, beschenkt mit Blumensträußen und einer Fluth von Abschiedsworten, die uns noch weithin nachgerufen wurden, insbesondere aber angestaunt von den Trinkern, die in der großen Stube saßen und alle aufstanden und mit gezogenen Hüten Spalier bildeten, wie aus Ehrfurcht vor einem geahnten

theures, aber gern vergebenes Kleinod gewagt, da wußte er gleich gar nicht was er Alles ersinnen sollte, um das Seinige zur Erhöhung unsrer Freuden beizutragen. Zuerst einmal wollte er die Thüre zuschlagen, die in die volle äußere Wirthsstube führt, Herr ** verhinderte dieß aber mit den schönen Worten: ich kann nur froh seyn unter meinem Volk – dann ließ er die Vorhänge herunter, damit man nicht von außen durch Neugier beschwerlich würde, brachte das Beste aus seinem Rauchfange, Schinken und Zungen, damit wir auch etwas zu essen hätten, und dann als das Töchterlein Ludwina endlich auch aus der Kirche gekommen, mußte sie gleich ihre Harmonika holen, einen großen Kasten, in dem allerlei Walzer und Ländler schlummerten und den sie auf dem Schooß mit zierlicher Geläufigkeit behandelte, während der rechte Fuß klappernd den Tact dazu schlug. Als aber die erste Flasche ausgestochen, waren wir schnell entschlossen und beschworen auch noch die beiden andern gebieterisch herauf aus ihrem traurigen Verließe. Mit welchen freundlichen Ausrufungen bewunderte da der Wirth nicht unsere Fertigkeit, als wir ihnen ihr silbernes Häubchen herunterrissen, ihr Drathgerüste abzogen und den Pfropfen springen ließen? Und als wir die ganze Familie eingeladen und allen von dem Wein eingeschenkt hatten von dem der Landesgouverneur genippt, da fehlte nur noch sehr wenig, so hätten wir alle zusammen förmlich Brüderschaft getrunken fürs liebe lange Leben und wären uns sämmtlich um den Hals gefallen – die Gäste vielleicht am ersten dem hübschen Töchterlein, das noch immer rastlos in unsern Enthusiasmus hineinschalmeite.

Das alles mußte aber auch ein Ende nehmen, und gegen Mittag schien’s Zeit die flackernden Dünste, die das Banket in unsre Häupter getrieben, im Freien wieder verfliegen zu lassen. So griffen wir zum Stabe, begleitet von allen Hausgenossen, beschenkt mit Blumensträußen und einer Fluth von Abschiedsworten, die uns noch weithin nachgerufen wurden, insbesondere aber angestaunt von den Trinkern, die in der großen Stube saßen und alle aufstanden und mit gezogenen Hüten Spalier bildeten, wie aus Ehrfurcht vor einem geahnten

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[70/0075] theures, aber gern vergebenes Kleinod gewagt, da wußte er gleich gar nicht was er Alles ersinnen sollte, um das Seinige zur Erhöhung unsrer Freuden beizutragen. Zuerst einmal wollte er die Thüre zuschlagen, die in die volle äußere Wirthsstube führt, Herr ** verhinderte dieß aber mit den schönen Worten: ich kann nur froh seyn unter meinem Volk – dann ließ er die Vorhänge herunter, damit man nicht von außen durch Neugier beschwerlich würde, brachte das Beste aus seinem Rauchfange, Schinken und Zungen, damit wir auch etwas zu essen hätten, und dann als das Töchterlein Ludwina endlich auch aus der Kirche gekommen, mußte sie gleich ihre Harmonika holen, einen großen Kasten, in dem allerlei Walzer und Ländler schlummerten und den sie auf dem Schooß mit zierlicher Geläufigkeit behandelte, während der rechte Fuß klappernd den Tact dazu schlug. Als aber die erste Flasche ausgestochen, waren wir schnell entschlossen und beschworen auch noch die beiden andern gebieterisch herauf aus ihrem traurigen Verließe. Mit welchen freundlichen Ausrufungen bewunderte da der Wirth nicht unsere Fertigkeit, als wir ihnen ihr silbernes Häubchen herunterrissen, ihr Drathgerüste abzogen und den Pfropfen springen ließen? Und als wir die ganze Familie eingeladen und allen von dem Wein eingeschenkt hatten von dem der Landesgouverneur genippt, da fehlte nur noch sehr wenig, so hätten wir alle zusammen förmlich Brüderschaft getrunken fürs liebe lange Leben und wären uns sämmtlich um den Hals gefallen – die Gäste vielleicht am ersten dem hübschen Töchterlein, das noch immer rastlos in unsern Enthusiasmus hineinschalmeite. Das alles mußte aber auch ein Ende nehmen, und gegen Mittag schien’s Zeit die flackernden Dünste, die das Banket in unsre Häupter getrieben, im Freien wieder verfliegen zu lassen. So griffen wir zum Stabe, begleitet von allen Hausgenossen, beschenkt mit Blumensträußen und einer Fluth von Abschiedsworten, die uns noch weithin nachgerufen wurden, insbesondere aber angestaunt von den Trinkern, die in der großen Stube saßen und alle aufstanden und mit gezogenen Hüten Spalier bildeten, wie aus Ehrfurcht vor einem geahnten

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/75>, abgerufen am 23.11.2024.