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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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reagirt als der Landmann im Gebirge, so wird man gestehen müssen, daß solche Art von Pädagogik im lieben Bayerlande alle Aussicht hat, wo möglich noch verderblicher zu wirken als anderswo. Ist der Bauer ja so schon nur mehr ein armes, ödes Menschenbild, das in die Kirche geht und Steuern bezahlt, und nicht zu verwundern, wenn er eingeschüchtert und zaghaft in politischen Dingen zu nichts mehr brauchbar ist, als Adressen zu unterschreiben, von denen er nichts versteht.

Gehen wir nun von dem tirolischen Bauern zu den Bürgern über. Dieser Stand ist in Tirol nicht sehr zahlreich geworden, da das Städteleben überhaupt nie zu großer Bedeutung kam. Der Gewerbsmann - hier zu Lande Handierer genannt - ist selten wohlhabend, bringt sich ehrlich fort, und befleißt sich einer großen Bescheidenheit gegen den Herrn sowohl als gegen den Bauern, der ihm zu arbeiten gibt. Der höhere Bürgerstand, zumal in Bozen und Innsbruck, fällt unter die Gattung der "Herren," von denen wir alsbald sprechen werden.*)

Eine erhebliche Mittelstufe zwischen dem Bauern und dem Bürger bilden die Dorfwirthe. Nicht selten sind dieselben wohlhabend, durch den Verkehr geschliffen, unternehmend, in weltlichen Dingen die Sprecher in der Gemeinde. Ihre Bedeutsamkeit trat zumal im Jahre Neun an den Tag, und ist daher auch von Freiherrn von Hormayr ihres Orts gehörig hervorgehoben worden.

Da der Bürgerstand in Tirol so wenig zu bedeuten hat, so mag man sagen, daß da außer dem Landvolk, mit dem der niedere Clerus gleichsam zusammengewachsen ist, nur mehr ein zweites, dem ersten eher entgegen als neben angestelltes Element zu finden sey, nämlich die "Herren." Darunter begreift sich, den Handierer abgerechnet, alles, was nicht Bauer ist, also Adel, Beamtenthum, der herrisch sich gebärdende Großbürger und die Gesammtheit der Geldleute. Auch schließen

*) Wer Ausführliches über die tirolische Industrie zu lesen wünscht, den verweisen wir auf Staffler 1. 342 ff.

reagirt als der Landmann im Gebirge, so wird man gestehen müssen, daß solche Art von Pädagogik im lieben Bayerlande alle Aussicht hat, wo möglich noch verderblicher zu wirken als anderswo. Ist der Bauer ja so schon nur mehr ein armes, ödes Menschenbild, das in die Kirche geht und Steuern bezahlt, und nicht zu verwundern, wenn er eingeschüchtert und zaghaft in politischen Dingen zu nichts mehr brauchbar ist, als Adressen zu unterschreiben, von denen er nichts versteht.

Gehen wir nun von dem tirolischen Bauern zu den Bürgern über. Dieser Stand ist in Tirol nicht sehr zahlreich geworden, da das Städteleben überhaupt nie zu großer Bedeutung kam. Der Gewerbsmann – hier zu Lande Handierer genannt – ist selten wohlhabend, bringt sich ehrlich fort, und befleißt sich einer großen Bescheidenheit gegen den Herrn sowohl als gegen den Bauern, der ihm zu arbeiten gibt. Der höhere Bürgerstand, zumal in Bozen und Innsbruck, fällt unter die Gattung der „Herren,“ von denen wir alsbald sprechen werden.*)

Eine erhebliche Mittelstufe zwischen dem Bauern und dem Bürger bilden die Dorfwirthe. Nicht selten sind dieselben wohlhabend, durch den Verkehr geschliffen, unternehmend, in weltlichen Dingen die Sprecher in der Gemeinde. Ihre Bedeutsamkeit trat zumal im Jahre Neun an den Tag, und ist daher auch von Freiherrn von Hormayr ihres Orts gehörig hervorgehoben worden.

Da der Bürgerstand in Tirol so wenig zu bedeuten hat, so mag man sagen, daß da außer dem Landvolk, mit dem der niedere Clerus gleichsam zusammengewachsen ist, nur mehr ein zweites, dem ersten eher entgegen als neben angestelltes Element zu finden sey, nämlich die „Herren.“ Darunter begreift sich, den Handierer abgerechnet, alles, was nicht Bauer ist, also Adel, Beamtenthum, der herrisch sich gebärdende Großbürger und die Gesammtheit der Geldleute. Auch schließen

*) Wer Ausführliches über die tirolische Industrie zu lesen wünscht, den verweisen wir auf Staffler 1. 342 ff.
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        <p>Da der Bürgerstand in Tirol so wenig zu bedeuten hat, so mag man sagen, daß da außer dem Landvolk, mit dem der niedere Clerus gleichsam zusammengewachsen ist, nur mehr ein zweites, dem ersten eher entgegen als neben angestelltes Element zu finden sey, nämlich die &#x201E;Herren.&#x201C; Darunter begreift sich, den Handierer abgerechnet, alles, was nicht Bauer ist, also Adel, Beamtenthum, der herrisch sich gebärdende Großbürger und die Gesammtheit der Geldleute. Auch schließen
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[658/0662] reagirt als der Landmann im Gebirge, so wird man gestehen müssen, daß solche Art von Pädagogik im lieben Bayerlande alle Aussicht hat, wo möglich noch verderblicher zu wirken als anderswo. Ist der Bauer ja so schon nur mehr ein armes, ödes Menschenbild, das in die Kirche geht und Steuern bezahlt, und nicht zu verwundern, wenn er eingeschüchtert und zaghaft in politischen Dingen zu nichts mehr brauchbar ist, als Adressen zu unterschreiben, von denen er nichts versteht. Gehen wir nun von dem tirolischen Bauern zu den Bürgern über. Dieser Stand ist in Tirol nicht sehr zahlreich geworden, da das Städteleben überhaupt nie zu großer Bedeutung kam. Der Gewerbsmann – hier zu Lande Handierer genannt – ist selten wohlhabend, bringt sich ehrlich fort, und befleißt sich einer großen Bescheidenheit gegen den Herrn sowohl als gegen den Bauern, der ihm zu arbeiten gibt. Der höhere Bürgerstand, zumal in Bozen und Innsbruck, fällt unter die Gattung der „Herren,“ von denen wir alsbald sprechen werden. *) Eine erhebliche Mittelstufe zwischen dem Bauern und dem Bürger bilden die Dorfwirthe. Nicht selten sind dieselben wohlhabend, durch den Verkehr geschliffen, unternehmend, in weltlichen Dingen die Sprecher in der Gemeinde. Ihre Bedeutsamkeit trat zumal im Jahre Neun an den Tag, und ist daher auch von Freiherrn von Hormayr ihres Orts gehörig hervorgehoben worden. Da der Bürgerstand in Tirol so wenig zu bedeuten hat, so mag man sagen, daß da außer dem Landvolk, mit dem der niedere Clerus gleichsam zusammengewachsen ist, nur mehr ein zweites, dem ersten eher entgegen als neben angestelltes Element zu finden sey, nämlich die „Herren.“ Darunter begreift sich, den Handierer abgerechnet, alles, was nicht Bauer ist, also Adel, Beamtenthum, der herrisch sich gebärdende Großbürger und die Gesammtheit der Geldleute. Auch schließen *) Wer Ausführliches über die tirolische Industrie zu lesen wünscht, den verweisen wir auf Staffler 1. 342 ff.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/662>, abgerufen am 23.11.2024.