Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Decan zu Innsbruck, jetzige Domherr zu Brixen, zu preisen und öffentlich zu empfehlen nicht müde wird. Es sind die Redemptoristen, denen man die Wiederaufnahme dieser alten jesuitischen Erfindung verdankt. Der Verlauf der Unternehmung aber ist ungefähr folgender: Wenn ein Pfarrer sich bewogen gefunden hat eine Mission zu erbitten, so ergeht die Verkündigung, und alles Volk richtet sich ein, acht oder vierzehn Tage zu feiern. Die Wirthe, welche große Gönner der Missionen sind, und etliche Andächtige der Gemeinde schießen einen Zehrpfennig zusammen und übernehmen die unentgeltliche Verpflegung der geistlichen Gäste. Sind dann diese mit festlichem Gepränge empfangen, so beginnen die Uebungen, theils in der Kirche, theils auch außerhalb, wobei von einer rothausgeschlagenen Bühne herab gepredigt wird. Den Anfang bilden die Standespredigten nach vier Abtheilungen, nämlich für Junggesellen, Jungfrauen, Ehemänner und Weiber. Es fehlt dabei für die ledigen Leute nicht an ausführlicher Schilderung der Gefahren der Keuschheit, und mit den verheiratheten werden weitläufig die Geheimnisse des Ehebunds besprochen. Alles Volk das herbeigekommen, legt nun auch die Beichte ab. In dieser werden die Bußfertigen sehr eindringlich geprüft, mit unermüdlichem Eifer, aber ungemein wenig Menschenkenntniß. Da soll die innerste Falte des Herzens sich öffnen, und deßwegen wird insbesondre die Jugend oft nach Lastern gefragt, von denen sie sich vorher nichts träumen ließ. Folgt dann in schwarzbehängter Kirche die Bußpredigt im Großen, der Kern des Ganzen. Dazu wird gerne ein wohlgestalter junger Priester gewählt, der mit süßer Tenorstimme einzudringen weiß in die Seelen des schwachen Geschlechts, denn diesem steht die Initiative der Empfindung zu. Er ergeht sich zuerst über die Erbsünde, die Verdorbenheit der menschlichen Natur und über die Nothwendigkeit der Entsündigung durch Buße. Dann schlägt er ein öffentliches Bekenntniß der Sünden vor, und da diese Idee zunächst keinen Anklang findet, so beginnt er mit öffentlicher Selbstanklage. Er sey selbst ein unwürdiger Priester, selbst voll Sünden und voll Laster, sey nicht werth hier oben zu stehen und die priesterlichen Decan zu Innsbruck, jetzige Domherr zu Brixen, zu preisen und öffentlich zu empfehlen nicht müde wird. Es sind die Redemptoristen, denen man die Wiederaufnahme dieser alten jesuitischen Erfindung verdankt. Der Verlauf der Unternehmung aber ist ungefähr folgender: Wenn ein Pfarrer sich bewogen gefunden hat eine Mission zu erbitten, so ergeht die Verkündigung, und alles Volk richtet sich ein, acht oder vierzehn Tage zu feiern. Die Wirthe, welche große Gönner der Missionen sind, und etliche Andächtige der Gemeinde schießen einen Zehrpfennig zusammen und übernehmen die unentgeltliche Verpflegung der geistlichen Gäste. Sind dann diese mit festlichem Gepränge empfangen, so beginnen die Uebungen, theils in der Kirche, theils auch außerhalb, wobei von einer rothausgeschlagenen Bühne herab gepredigt wird. Den Anfang bilden die Standespredigten nach vier Abtheilungen, nämlich für Junggesellen, Jungfrauen, Ehemänner und Weiber. Es fehlt dabei für die ledigen Leute nicht an ausführlicher Schilderung der Gefahren der Keuschheit, und mit den verheiratheten werden weitläufig die Geheimnisse des Ehebunds besprochen. Alles Volk das herbeigekommen, legt nun auch die Beichte ab. In dieser werden die Bußfertigen sehr eindringlich geprüft, mit unermüdlichem Eifer, aber ungemein wenig Menschenkenntniß. Da soll die innerste Falte des Herzens sich öffnen, und deßwegen wird insbesondre die Jugend oft nach Lastern gefragt, von denen sie sich vorher nichts träumen ließ. Folgt dann in schwarzbehängter Kirche die Bußpredigt im Großen, der Kern des Ganzen. Dazu wird gerne ein wohlgestalter junger Priester gewählt, der mit süßer Tenorstimme einzudringen weiß in die Seelen des schwachen Geschlechts, denn diesem steht die Initiative der Empfindung zu. Er ergeht sich zuerst über die Erbsünde, die Verdorbenheit der menschlichen Natur und über die Nothwendigkeit der Entsündigung durch Buße. Dann schlägt er ein öffentliches Bekenntniß der Sünden vor, und da diese Idee zunächst keinen Anklang findet, so beginnt er mit öffentlicher Selbstanklage. Er sey selbst ein unwürdiger Priester, selbst voll Sünden und voll Laster, sey nicht werth hier oben zu stehen und die priesterlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0659" n="655"/> Decan zu Innsbruck, jetzige Domherr zu Brixen, zu preisen und öffentlich zu empfehlen nicht müde wird. Es sind die Redemptoristen, denen man die Wiederaufnahme dieser alten jesuitischen Erfindung verdankt. Der Verlauf der Unternehmung aber ist ungefähr folgender:</p> <p>Wenn ein Pfarrer sich bewogen gefunden hat eine Mission zu erbitten, so ergeht die Verkündigung, und alles Volk richtet sich ein, acht oder vierzehn Tage zu feiern. Die Wirthe, welche große Gönner der Missionen sind, und etliche Andächtige der Gemeinde schießen einen Zehrpfennig zusammen und übernehmen die unentgeltliche Verpflegung der geistlichen Gäste. Sind dann diese mit festlichem Gepränge empfangen, so beginnen die Uebungen, theils in der Kirche, theils auch außerhalb, wobei von einer rothausgeschlagenen Bühne herab gepredigt wird. Den Anfang bilden die Standespredigten nach vier Abtheilungen, nämlich für Junggesellen, Jungfrauen, Ehemänner und Weiber. Es fehlt dabei für die ledigen Leute nicht an ausführlicher Schilderung der Gefahren der Keuschheit, und mit den verheiratheten werden weitläufig die Geheimnisse des Ehebunds besprochen. Alles Volk das herbeigekommen, legt nun auch die Beichte ab. In dieser werden die Bußfertigen sehr eindringlich geprüft, mit unermüdlichem Eifer, aber ungemein wenig Menschenkenntniß. Da soll die innerste Falte des Herzens sich öffnen, und deßwegen wird insbesondre die Jugend oft nach Lastern gefragt, von denen sie sich vorher nichts träumen ließ. Folgt dann in schwarzbehängter Kirche die Bußpredigt im Großen, der Kern des Ganzen. Dazu wird gerne ein wohlgestalter junger Priester gewählt, der mit süßer Tenorstimme einzudringen weiß in die Seelen des schwachen Geschlechts, denn diesem steht die Initiative der Empfindung zu. Er ergeht sich zuerst über die Erbsünde, die Verdorbenheit der menschlichen Natur und über die Nothwendigkeit der Entsündigung durch Buße. Dann schlägt er ein öffentliches Bekenntniß der Sünden vor, und da diese Idee zunächst keinen Anklang findet, so beginnt er mit öffentlicher Selbstanklage. Er sey selbst ein unwürdiger Priester, selbst voll Sünden und voll Laster, sey nicht werth hier oben zu stehen und die priesterlichen </p> </div> </body> </text> </TEI> [655/0659]
Decan zu Innsbruck, jetzige Domherr zu Brixen, zu preisen und öffentlich zu empfehlen nicht müde wird. Es sind die Redemptoristen, denen man die Wiederaufnahme dieser alten jesuitischen Erfindung verdankt. Der Verlauf der Unternehmung aber ist ungefähr folgender:
Wenn ein Pfarrer sich bewogen gefunden hat eine Mission zu erbitten, so ergeht die Verkündigung, und alles Volk richtet sich ein, acht oder vierzehn Tage zu feiern. Die Wirthe, welche große Gönner der Missionen sind, und etliche Andächtige der Gemeinde schießen einen Zehrpfennig zusammen und übernehmen die unentgeltliche Verpflegung der geistlichen Gäste. Sind dann diese mit festlichem Gepränge empfangen, so beginnen die Uebungen, theils in der Kirche, theils auch außerhalb, wobei von einer rothausgeschlagenen Bühne herab gepredigt wird. Den Anfang bilden die Standespredigten nach vier Abtheilungen, nämlich für Junggesellen, Jungfrauen, Ehemänner und Weiber. Es fehlt dabei für die ledigen Leute nicht an ausführlicher Schilderung der Gefahren der Keuschheit, und mit den verheiratheten werden weitläufig die Geheimnisse des Ehebunds besprochen. Alles Volk das herbeigekommen, legt nun auch die Beichte ab. In dieser werden die Bußfertigen sehr eindringlich geprüft, mit unermüdlichem Eifer, aber ungemein wenig Menschenkenntniß. Da soll die innerste Falte des Herzens sich öffnen, und deßwegen wird insbesondre die Jugend oft nach Lastern gefragt, von denen sie sich vorher nichts träumen ließ. Folgt dann in schwarzbehängter Kirche die Bußpredigt im Großen, der Kern des Ganzen. Dazu wird gerne ein wohlgestalter junger Priester gewählt, der mit süßer Tenorstimme einzudringen weiß in die Seelen des schwachen Geschlechts, denn diesem steht die Initiative der Empfindung zu. Er ergeht sich zuerst über die Erbsünde, die Verdorbenheit der menschlichen Natur und über die Nothwendigkeit der Entsündigung durch Buße. Dann schlägt er ein öffentliches Bekenntniß der Sünden vor, und da diese Idee zunächst keinen Anklang findet, so beginnt er mit öffentlicher Selbstanklage. Er sey selbst ein unwürdiger Priester, selbst voll Sünden und voll Laster, sey nicht werth hier oben zu stehen und die priesterlichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |