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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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indem sie dieselben zu Spionen ihrer Mitschüler erziehen, daß sie vom Beichtstuhle aus das Innere der Familien erspähen und durch Entzweiung der Hausgenossen ihre Herrschaft zu sichern suchen. Namentlich soll ihre Gewalt über die Weiber groß und dieser Weg ihnen der liebste seyn zum Herzen der Männer. Was allgemein anerkannt wird, ist der rege liturgische Eifer und die fromme Erfindungsgabe des Ordens, welch ersterer alle der Gesellschaft schon früher geläufige Erbauungsmittel in Bewegung setzt, während letztere durch verschiedene originelle Neuerungen den kirchlichen Apparat noch sachdienlich zu vermehren sucht. Da gibt es prachtvolle Gottesdienste, die den halben Tag andauern, Ablässe für viele Jahrtausende, wunderthätige Medaillen und Mirakelbüchlein, für die Frauen stachlige Bußgürtel, Keuschheitsgelübde für die Jungfrauen, geistliche Exercitien für die Weltpriester. Die letztern haben am schlimmsten angeschlagen. Auf solche Art wollte sich der Weltclerus von Tirol nicht heiligen lassen, und diese mystischen Kränzchen sind daher seit mehreren Jahren wieder unterblieben. Auch im übrigen haben die Jesuiten, wenn man aufrichtig seyn will, bisher nicht viel Glück gehabt. Zwar wußten sie sich schon manches reiche Vermächtniß zufallen zu lassen, aber sie haben noch keinen häuslichen Unfrieden gestiftet, ohne als Verursacher erkannt, keinen Nachschlüssel angesteckt, ohne dabei ertappt zu werden; sie haben noch keiner Ehefrau ein Cingulum gegeben, ohne daß man es gefunden, und als einer der Novizen über den ascetischen Exercitien in Wahnsinn verfiel, kam trotz aller Vorsicht selbst dieses zur Kunde der Welt. Auch die Weigerung, bei einer Diebstahlsuntersuchung ihren Sacristan vor das weltliche Gericht zu stellen, hatte nur zur Folge, daß die kaiserliche Hofkanzlei an die Behörden den Auftrag erließ, den Anmaßungen dieses Ordens in keiner Weise nachzugeben. Daß sie eine Mutter, die aus der Ferne herbeigeeilt, um ihren todkranken Sohn zu besuchen, von der Schwelle wiesen, hat ihnen endlich auch nicht viel genützt.

Eine bekannte Art von Schaustellungen, welche die Gesellschaft mit ihren Schülern veranstaltet, sind die Concertationen.

indem sie dieselben zu Spionen ihrer Mitschüler erziehen, daß sie vom Beichtstuhle aus das Innere der Familien erspähen und durch Entzweiung der Hausgenossen ihre Herrschaft zu sichern suchen. Namentlich soll ihre Gewalt über die Weiber groß und dieser Weg ihnen der liebste seyn zum Herzen der Männer. Was allgemein anerkannt wird, ist der rege liturgische Eifer und die fromme Erfindungsgabe des Ordens, welch ersterer alle der Gesellschaft schon früher geläufige Erbauungsmittel in Bewegung setzt, während letztere durch verschiedene originelle Neuerungen den kirchlichen Apparat noch sachdienlich zu vermehren sucht. Da gibt es prachtvolle Gottesdienste, die den halben Tag andauern, Ablässe für viele Jahrtausende, wunderthätige Medaillen und Mirakelbüchlein, für die Frauen stachlige Bußgürtel, Keuschheitsgelübde für die Jungfrauen, geistliche Exercitien für die Weltpriester. Die letztern haben am schlimmsten angeschlagen. Auf solche Art wollte sich der Weltclerus von Tirol nicht heiligen lassen, und diese mystischen Kränzchen sind daher seit mehreren Jahren wieder unterblieben. Auch im übrigen haben die Jesuiten, wenn man aufrichtig seyn will, bisher nicht viel Glück gehabt. Zwar wußten sie sich schon manches reiche Vermächtniß zufallen zu lassen, aber sie haben noch keinen häuslichen Unfrieden gestiftet, ohne als Verursacher erkannt, keinen Nachschlüssel angesteckt, ohne dabei ertappt zu werden; sie haben noch keiner Ehefrau ein Cingulum gegeben, ohne daß man es gefunden, und als einer der Novizen über den ascetischen Exercitien in Wahnsinn verfiel, kam trotz aller Vorsicht selbst dieses zur Kunde der Welt. Auch die Weigerung, bei einer Diebstahlsuntersuchung ihren Sacristan vor das weltliche Gericht zu stellen, hatte nur zur Folge, daß die kaiserliche Hofkanzlei an die Behörden den Auftrag erließ, den Anmaßungen dieses Ordens in keiner Weise nachzugeben. Daß sie eine Mutter, die aus der Ferne herbeigeeilt, um ihren todkranken Sohn zu besuchen, von der Schwelle wiesen, hat ihnen endlich auch nicht viel genützt.

Eine bekannte Art von Schaustellungen, welche die Gesellschaft mit ihren Schülern veranstaltet, sind die Concertationen.

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indem sie dieselben zu Spionen ihrer Mitschüler erziehen, daß sie vom Beichtstuhle aus das Innere der Familien erspähen und durch Entzweiung der Hausgenossen ihre Herrschaft zu sichern suchen. Namentlich soll ihre Gewalt über die Weiber groß und dieser Weg ihnen der liebste seyn zum Herzen der Männer. Was allgemein anerkannt wird, ist der rege liturgische Eifer und die fromme Erfindungsgabe des Ordens, welch ersterer alle der Gesellschaft schon früher geläufige Erbauungsmittel in Bewegung setzt, während letztere durch verschiedene originelle Neuerungen den kirchlichen Apparat noch sachdienlich zu vermehren sucht. Da gibt es prachtvolle Gottesdienste, die den halben Tag andauern, Ablässe für viele Jahrtausende, wunderthätige Medaillen und Mirakelbüchlein, für die Frauen stachlige Bußgürtel, Keuschheitsgelübde für die Jungfrauen, geistliche Exercitien für die Weltpriester. Die letztern haben am schlimmsten angeschlagen. Auf solche Art wollte sich der Weltclerus von Tirol nicht heiligen lassen, und diese mystischen Kränzchen sind daher seit mehreren Jahren wieder unterblieben. Auch im übrigen haben die Jesuiten, wenn man aufrichtig seyn will, bisher nicht viel Glück gehabt. Zwar wußten sie sich schon manches reiche Vermächtniß zufallen zu lassen, aber sie haben noch keinen häuslichen Unfrieden gestiftet, ohne als Verursacher erkannt, keinen Nachschlüssel angesteckt, ohne dabei ertappt zu werden; sie haben noch keiner Ehefrau ein Cingulum gegeben, ohne daß man es gefunden, und als einer der Novizen über den ascetischen Exercitien in Wahnsinn verfiel, kam trotz aller Vorsicht selbst dieses zur Kunde der Welt. Auch die Weigerung, bei einer Diebstahlsuntersuchung ihren Sacristan vor das weltliche Gericht zu stellen, hatte nur zur Folge, daß die kaiserliche Hofkanzlei an die Behörden den Auftrag erließ, den Anmaßungen dieses Ordens in keiner Weise nachzugeben. Daß sie eine Mutter, die aus der Ferne herbeigeeilt, um ihren todkranken Sohn zu besuchen, von der Schwelle wiesen, hat ihnen endlich auch nicht viel genützt.</p>
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[640/0644] indem sie dieselben zu Spionen ihrer Mitschüler erziehen, daß sie vom Beichtstuhle aus das Innere der Familien erspähen und durch Entzweiung der Hausgenossen ihre Herrschaft zu sichern suchen. Namentlich soll ihre Gewalt über die Weiber groß und dieser Weg ihnen der liebste seyn zum Herzen der Männer. Was allgemein anerkannt wird, ist der rege liturgische Eifer und die fromme Erfindungsgabe des Ordens, welch ersterer alle der Gesellschaft schon früher geläufige Erbauungsmittel in Bewegung setzt, während letztere durch verschiedene originelle Neuerungen den kirchlichen Apparat noch sachdienlich zu vermehren sucht. Da gibt es prachtvolle Gottesdienste, die den halben Tag andauern, Ablässe für viele Jahrtausende, wunderthätige Medaillen und Mirakelbüchlein, für die Frauen stachlige Bußgürtel, Keuschheitsgelübde für die Jungfrauen, geistliche Exercitien für die Weltpriester. Die letztern haben am schlimmsten angeschlagen. Auf solche Art wollte sich der Weltclerus von Tirol nicht heiligen lassen, und diese mystischen Kränzchen sind daher seit mehreren Jahren wieder unterblieben. Auch im übrigen haben die Jesuiten, wenn man aufrichtig seyn will, bisher nicht viel Glück gehabt. Zwar wußten sie sich schon manches reiche Vermächtniß zufallen zu lassen, aber sie haben noch keinen häuslichen Unfrieden gestiftet, ohne als Verursacher erkannt, keinen Nachschlüssel angesteckt, ohne dabei ertappt zu werden; sie haben noch keiner Ehefrau ein Cingulum gegeben, ohne daß man es gefunden, und als einer der Novizen über den ascetischen Exercitien in Wahnsinn verfiel, kam trotz aller Vorsicht selbst dieses zur Kunde der Welt. Auch die Weigerung, bei einer Diebstahlsuntersuchung ihren Sacristan vor das weltliche Gericht zu stellen, hatte nur zur Folge, daß die kaiserliche Hofkanzlei an die Behörden den Auftrag erließ, den Anmaßungen dieses Ordens in keiner Weise nachzugeben. Daß sie eine Mutter, die aus der Ferne herbeigeeilt, um ihren todkranken Sohn zu besuchen, von der Schwelle wiesen, hat ihnen endlich auch nicht viel genützt. Eine bekannte Art von Schaustellungen, welche die Gesellschaft mit ihren Schülern veranstaltet, sind die Concertationen.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/644>, abgerufen am 23.11.2024.