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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Familien geklebt sind, welche seit Menschengedenken unter ihren Angehörigen weder einen Verbrecher noch eine Heroine gezählt.

Die Errungenschaft betreffend, so anerkennt man zwar im gebildeten Mittelstande das Glück, wieder mit der großen Monarchie unter dem angestammten Herrscherhause vereiniget zu seyn, hat aber dabei so manchen Vortheil, den man unter der vorigen Regierung genoß, noch nicht vergessen. Die größere Milde der Censur, der zwanglose literarische Verkehr mit ganz Deutschland, die Freiheit, die besten deutschen Hochschulen auch für tirolische Jünglinge benützen zu dürfen, das regere, strebsamere Leben, das sich schnell eingestellt hatte - diese und andre kleine neuere Freiheiten wünschte man herzlich gerne den großen alten einverleibt.

Während sich so diese Stimmungen langsam ausbildeten, kam der ständische Congreß alle Jahre vorschriftsmäßig zusammen, wohnte dem feierlichen Gottesdienste in der Hofkirche bei, zog in den großen Saal der Hofburg, wo das Bildniß Seiner Majestät unter einem Thronhimmel aufgestellt ist, ließ sich da mit dem Zwecke der Versammlung in schöner Rede bekannt machen, hörte das landesfürstliche Postulat ablesen und den Landmarschall in herkömmlichen Sprüchen erwiedern. Darauf begab er sich jedesmal in das Landhaus zur ersten Congreßsitzung und setzte die Sitzungen an den nächsten Tagen und mit Ausnahme der Feiertage so lange fort, bis der Gouverneur den Congreß auflöste. So verlieh er Jahre lang seine ständischen Studienstipendien, verwaltete den Approvisionirungsfond, vertheilte die Marschkosten und brachte Vorschläge, Bitten und Beschwerden an den Landesfürsten. Man hat immer weniger von ihm gehört, denn die Theilnahme verminderte sich in eben dem Grade, als das Vertrauen in seine rechtliche Pflichterfüllung wuchs. Nicht einmal bei der jedesmaligen Auflösung erregte er das öffentliche Nachsehen, denn es werden keine Lantagsabschiede ertheilt, sondern die ständischen Anbringen erhalten ihre Entgegnung in einer oft lange ausbleibenden Uebersicht von Rescripten, welche dann in Abschriften an die Vertreter gelangt, die unterdessen schon

Familien geklebt sind, welche seit Menschengedenken unter ihren Angehörigen weder einen Verbrecher noch eine Heroine gezählt.

Die Errungenschaft betreffend, so anerkennt man zwar im gebildeten Mittelstande das Glück, wieder mit der großen Monarchie unter dem angestammten Herrscherhause vereiniget zu seyn, hat aber dabei so manchen Vortheil, den man unter der vorigen Regierung genoß, noch nicht vergessen. Die größere Milde der Censur, der zwanglose literarische Verkehr mit ganz Deutschland, die Freiheit, die besten deutschen Hochschulen auch für tirolische Jünglinge benützen zu dürfen, das regere, strebsamere Leben, das sich schnell eingestellt hatte – diese und andre kleine neuere Freiheiten wünschte man herzlich gerne den großen alten einverleibt.

Während sich so diese Stimmungen langsam ausbildeten, kam der ständische Congreß alle Jahre vorschriftsmäßig zusammen, wohnte dem feierlichen Gottesdienste in der Hofkirche bei, zog in den großen Saal der Hofburg, wo das Bildniß Seiner Majestät unter einem Thronhimmel aufgestellt ist, ließ sich da mit dem Zwecke der Versammlung in schöner Rede bekannt machen, hörte das landesfürstliche Postulat ablesen und den Landmarschall in herkömmlichen Sprüchen erwiedern. Darauf begab er sich jedesmal in das Landhaus zur ersten Congreßsitzung und setzte die Sitzungen an den nächsten Tagen und mit Ausnahme der Feiertage so lange fort, bis der Gouverneur den Congreß auflöste. So verlieh er Jahre lang seine ständischen Studienstipendien, verwaltete den Approvisionirungsfond, vertheilte die Marschkosten und brachte Vorschläge, Bitten und Beschwerden an den Landesfürsten. Man hat immer weniger von ihm gehört, denn die Theilnahme verminderte sich in eben dem Grade, als das Vertrauen in seine rechtliche Pflichterfüllung wuchs. Nicht einmal bei der jedesmaligen Auflösung erregte er das öffentliche Nachsehen, denn es werden keine Lantagsabschiede ertheilt, sondern die ständischen Anbringen erhalten ihre Entgegnung in einer oft lange ausbleibenden Uebersicht von Rescripten, welche dann in Abschriften an die Vertreter gelangt, die unterdessen schon

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[631/0635] Familien geklebt sind, welche seit Menschengedenken unter ihren Angehörigen weder einen Verbrecher noch eine Heroine gezählt. Die Errungenschaft betreffend, so anerkennt man zwar im gebildeten Mittelstande das Glück, wieder mit der großen Monarchie unter dem angestammten Herrscherhause vereiniget zu seyn, hat aber dabei so manchen Vortheil, den man unter der vorigen Regierung genoß, noch nicht vergessen. Die größere Milde der Censur, der zwanglose literarische Verkehr mit ganz Deutschland, die Freiheit, die besten deutschen Hochschulen auch für tirolische Jünglinge benützen zu dürfen, das regere, strebsamere Leben, das sich schnell eingestellt hatte – diese und andre kleine neuere Freiheiten wünschte man herzlich gerne den großen alten einverleibt. Während sich so diese Stimmungen langsam ausbildeten, kam der ständische Congreß alle Jahre vorschriftsmäßig zusammen, wohnte dem feierlichen Gottesdienste in der Hofkirche bei, zog in den großen Saal der Hofburg, wo das Bildniß Seiner Majestät unter einem Thronhimmel aufgestellt ist, ließ sich da mit dem Zwecke der Versammlung in schöner Rede bekannt machen, hörte das landesfürstliche Postulat ablesen und den Landmarschall in herkömmlichen Sprüchen erwiedern. Darauf begab er sich jedesmal in das Landhaus zur ersten Congreßsitzung und setzte die Sitzungen an den nächsten Tagen und mit Ausnahme der Feiertage so lange fort, bis der Gouverneur den Congreß auflöste. So verlieh er Jahre lang seine ständischen Studienstipendien, verwaltete den Approvisionirungsfond, vertheilte die Marschkosten und brachte Vorschläge, Bitten und Beschwerden an den Landesfürsten. Man hat immer weniger von ihm gehört, denn die Theilnahme verminderte sich in eben dem Grade, als das Vertrauen in seine rechtliche Pflichterfüllung wuchs. Nicht einmal bei der jedesmaligen Auflösung erregte er das öffentliche Nachsehen, denn es werden keine Lantagsabschiede ertheilt, sondern die ständischen Anbringen erhalten ihre Entgegnung in einer oft lange ausbleibenden Uebersicht von Rescripten, welche dann in Abschriften an die Vertreter gelangt, die unterdessen schon

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/635>, abgerufen am 23.11.2024.