Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

darzuthun suchten, daß die Wünsche des Landes mit dieser Redaction nicht erfüllt seyen; doch war's nun zu spät, das schwere Werk wieder aufzunehmen. Eines hatten die Tiroler gewonnen - sie konnten wieder von ihren alten Freiheiten sprechen, und das geschah auch und geschieht noch zur Stunde. Die Regierung legt diesen Reden nichts in den Weg - ja vielmehr sie sind officieller Styl geworden. Sie finden sich von Zeit zu Zeit im Tiroler Boten, sie tauchen bei feierlichen Gelegenheiten in Liedern auf, sie verewigen sich in Druckschriften. Wenn der Kaiser oder die Erzherzoge in das Land kommen, so spricht man zu ihnen von den alten vielhundertjährigen Freiheiten Tirols und lobt die Treue der Habsburger, die "das köstliche Kleinod" je und je gewahrt. Die Fürsten pflegen dann milde zu lächeln und freuen sich der Anerkennung ihres Verdienstes.

Allein die Freiheit hat hier so zu sagen nur ein amtliches Kanzleileben; der durchschnittliche Tiroler zeigt keinen Stolz darauf und nimmt auch das Wort nie in den Mund. Auf die eine Hälfte der ständischen Wirksamkeit, auf den Antheil an der Gesetzgebung, hat er freilich nicht sehr schwer verzichtet. Er hat die österreichischen Gesetze überkommen, ohne daß er darum gefragt wurde; allein sie sind ihm gerecht und bequem geworden. "Tirol und Vorarlberg wird nach den österreichischen Gesetzen verwaltet und, wie Staffler mit Wahrheit bemerkt, das Land freut sich dieses Gemeingutes mit andern Provinzen. Unverkennbar wohnt in allen Zweigen der Gesetzgebung der Geist der Ordnung, des Rechts und der Billigkeit, der überall darnach strebt, nicht nur den ruhigen Genuß der Privatrechte den einzelnen Staatsbürgern sicher zu stellen, sondern auch deren Bedürfnisse in ihrer Gesammtheit zu befriedigen, mit Einem Worte das Glück des Volkes zu gründen und zu fördern."

Insofern die österreichischen Gesetze mit tirolischen Verhältnissen in Widerspruch kamen, wurden von jeher zweckdienliche Ausnahmen festgestellt und außerdem manche gute althergebrachte Einrichtung dem Lande wohlwollend erhalten.

Der Tiroler weiß, daß man in allen diesen Dingen nur sein Bestes wolle; daß man ihm das Alte selten genommen, ohne

darzuthun suchten, daß die Wünsche des Landes mit dieser Redaction nicht erfüllt seyen; doch war’s nun zu spät, das schwere Werk wieder aufzunehmen. Eines hatten die Tiroler gewonnen – sie konnten wieder von ihren alten Freiheiten sprechen, und das geschah auch und geschieht noch zur Stunde. Die Regierung legt diesen Reden nichts in den Weg – ja vielmehr sie sind officieller Styl geworden. Sie finden sich von Zeit zu Zeit im Tiroler Boten, sie tauchen bei feierlichen Gelegenheiten in Liedern auf, sie verewigen sich in Druckschriften. Wenn der Kaiser oder die Erzherzoge in das Land kommen, so spricht man zu ihnen von den alten vielhundertjährigen Freiheiten Tirols und lobt die Treue der Habsburger, die „das köstliche Kleinod“ je und je gewahrt. Die Fürsten pflegen dann milde zu lächeln und freuen sich der Anerkennung ihres Verdienstes.

Allein die Freiheit hat hier so zu sagen nur ein amtliches Kanzleileben; der durchschnittliche Tiroler zeigt keinen Stolz darauf und nimmt auch das Wort nie in den Mund. Auf die eine Hälfte der ständischen Wirksamkeit, auf den Antheil an der Gesetzgebung, hat er freilich nicht sehr schwer verzichtet. Er hat die österreichischen Gesetze überkommen, ohne daß er darum gefragt wurde; allein sie sind ihm gerecht und bequem geworden. „Tirol und Vorarlberg wird nach den österreichischen Gesetzen verwaltet und, wie Staffler mit Wahrheit bemerkt, das Land freut sich dieses Gemeingutes mit andern Provinzen. Unverkennbar wohnt in allen Zweigen der Gesetzgebung der Geist der Ordnung, des Rechts und der Billigkeit, der überall darnach strebt, nicht nur den ruhigen Genuß der Privatrechte den einzelnen Staatsbürgern sicher zu stellen, sondern auch deren Bedürfnisse in ihrer Gesammtheit zu befriedigen, mit Einem Worte das Glück des Volkes zu gründen und zu fördern.“

Insofern die österreichischen Gesetze mit tirolischen Verhältnissen in Widerspruch kamen, wurden von jeher zweckdienliche Ausnahmen festgestellt und außerdem manche gute althergebrachte Einrichtung dem Lande wohlwollend erhalten.

Der Tiroler weiß, daß man in allen diesen Dingen nur sein Bestes wolle; daß man ihm das Alte selten genommen, ohne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0627" n="623"/>
darzuthun suchten, daß die Wünsche des Landes mit dieser Redaction nicht erfüllt seyen; doch war&#x2019;s nun zu spät, das schwere Werk wieder aufzunehmen. Eines hatten die Tiroler gewonnen &#x2013; sie konnten wieder von ihren alten Freiheiten sprechen, und das geschah auch und geschieht noch zur Stunde. Die Regierung legt diesen Reden nichts in den Weg &#x2013; ja vielmehr sie sind officieller Styl geworden. Sie finden sich von Zeit zu Zeit im Tiroler Boten, sie tauchen bei feierlichen Gelegenheiten in Liedern auf, sie verewigen sich in Druckschriften. Wenn der Kaiser oder die Erzherzoge in das Land kommen, so spricht man zu ihnen von den alten vielhundertjährigen Freiheiten Tirols und lobt die Treue der Habsburger, die &#x201E;das köstliche Kleinod&#x201C; je und je gewahrt. Die Fürsten pflegen dann milde zu lächeln und freuen sich der Anerkennung ihres Verdienstes.</p>
        <p>Allein die Freiheit hat hier so zu sagen nur ein amtliches Kanzleileben; der durchschnittliche Tiroler zeigt keinen Stolz darauf und nimmt auch das Wort nie in den Mund. Auf die eine Hälfte der ständischen Wirksamkeit, auf den Antheil an der Gesetzgebung, hat er freilich nicht sehr schwer verzichtet. Er hat die österreichischen Gesetze überkommen, ohne daß er darum gefragt wurde; allein sie sind ihm gerecht und bequem geworden. &#x201E;Tirol und Vorarlberg wird nach den österreichischen Gesetzen verwaltet und, wie Staffler mit Wahrheit bemerkt, das Land freut sich dieses Gemeingutes mit andern Provinzen. Unverkennbar wohnt in allen Zweigen der Gesetzgebung der Geist der Ordnung, des Rechts und der Billigkeit, der überall darnach strebt, nicht nur den ruhigen Genuß der Privatrechte den einzelnen Staatsbürgern sicher zu stellen, sondern auch deren Bedürfnisse in ihrer Gesammtheit zu befriedigen, mit Einem Worte das Glück des Volkes zu gründen und zu fördern.&#x201C;</p>
        <p>Insofern die österreichischen Gesetze mit tirolischen Verhältnissen in Widerspruch kamen, wurden von jeher zweckdienliche Ausnahmen festgestellt und außerdem manche gute althergebrachte Einrichtung dem Lande wohlwollend erhalten.</p>
        <p>Der Tiroler weiß, daß man in allen diesen Dingen nur sein Bestes wolle; daß man ihm das Alte selten genommen, ohne
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[623/0627] darzuthun suchten, daß die Wünsche des Landes mit dieser Redaction nicht erfüllt seyen; doch war’s nun zu spät, das schwere Werk wieder aufzunehmen. Eines hatten die Tiroler gewonnen – sie konnten wieder von ihren alten Freiheiten sprechen, und das geschah auch und geschieht noch zur Stunde. Die Regierung legt diesen Reden nichts in den Weg – ja vielmehr sie sind officieller Styl geworden. Sie finden sich von Zeit zu Zeit im Tiroler Boten, sie tauchen bei feierlichen Gelegenheiten in Liedern auf, sie verewigen sich in Druckschriften. Wenn der Kaiser oder die Erzherzoge in das Land kommen, so spricht man zu ihnen von den alten vielhundertjährigen Freiheiten Tirols und lobt die Treue der Habsburger, die „das köstliche Kleinod“ je und je gewahrt. Die Fürsten pflegen dann milde zu lächeln und freuen sich der Anerkennung ihres Verdienstes. Allein die Freiheit hat hier so zu sagen nur ein amtliches Kanzleileben; der durchschnittliche Tiroler zeigt keinen Stolz darauf und nimmt auch das Wort nie in den Mund. Auf die eine Hälfte der ständischen Wirksamkeit, auf den Antheil an der Gesetzgebung, hat er freilich nicht sehr schwer verzichtet. Er hat die österreichischen Gesetze überkommen, ohne daß er darum gefragt wurde; allein sie sind ihm gerecht und bequem geworden. „Tirol und Vorarlberg wird nach den österreichischen Gesetzen verwaltet und, wie Staffler mit Wahrheit bemerkt, das Land freut sich dieses Gemeingutes mit andern Provinzen. Unverkennbar wohnt in allen Zweigen der Gesetzgebung der Geist der Ordnung, des Rechts und der Billigkeit, der überall darnach strebt, nicht nur den ruhigen Genuß der Privatrechte den einzelnen Staatsbürgern sicher zu stellen, sondern auch deren Bedürfnisse in ihrer Gesammtheit zu befriedigen, mit Einem Worte das Glück des Volkes zu gründen und zu fördern.“ Insofern die österreichischen Gesetze mit tirolischen Verhältnissen in Widerspruch kamen, wurden von jeher zweckdienliche Ausnahmen festgestellt und außerdem manche gute althergebrachte Einrichtung dem Lande wohlwollend erhalten. Der Tiroler weiß, daß man in allen diesen Dingen nur sein Bestes wolle; daß man ihm das Alte selten genommen, ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/627
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/627>, abgerufen am 23.11.2024.