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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Der Landeshauptmann, als Präsident der Sitzungen, bezeichnet die Gegenstände der Berathung, entscheidet bei gleichen Stimmen und eröffnet den Beschluß. Dem Landeshauptmann zur Linken sitzt der Landesmarschall, der ohne eigenes Votum über ordnungsmäßige Abgabe der Stimmen wacht. Seine Würde ist wie früher ein erbliches Mannslehen, das auf der Burg zu Sprechenstein ruht und jetzt dem Fürsten von Auersperg zusteht, der sich aber gewöhnlich vertreten läßt. Bei der Abstimmung wird zuerst ein Mitglied des Prälatenstandes, dann einer der Herren, dann ein Vertreter der Städte, zuletzt einer aus dem Bauernstande aufgerufen. Die Stimmen werden mannweise gezählt. Es ist Gepflogenheit, daß die Vertreter des Bauernstandes, auch wenn sie sonst als Herren gekleidet gehen, bei festlichen Aufzügen in der Bauerntracht ihrer Heimath erscheinen. Außerdem wurde ungefähr mit den alten Befugnissen die ständische perennirende Activität wieder hergestellt. Für Ausarbeitung und Abhaltung sämmtlicher Vorträge, sowohl in den Congreßsitzungen als in der ständischen Activität, ist, nach früherem Gebrauche, ein Generalreferent mit dem sogenannten votum informativum bestellt, der von den Ständen ernannt und vom Landesfürsten bestätiget wird.

Die Rechte der Stände können wir wohl nicht besser umschreiben, als mit Stafflers eigenen Worten. Es gehören dahin nämlich: "das schöne Vorzugsrecht, des Landes Nutzen, Wohlfahrt und Ehre in Wort und That zu fördern; dann insbesondere das Recht der eigenen Besteuerung (offenbar euphemistisch statt: Steuererhebung); das Recht auf die Dotation des ständischen Fondes aus dem Staatsschatze; die freie Wahl der Repräsentanten (vorbehaltlich der landesfürstlichen Genehmigung); die Ernennung der ständischen Beamten; die Verleihung einiger Studienstipendien; die Verwaltung des Approvisionirungsfondes;*) die Vertheilung der Marschkosten-Beitragspflicht;

*) Dieser Approvisionirungsfond ist bestimmt für Herbeischaffung des Getraidebedarfes sowohl in Fällen eines drückenden Mangels, als zum Behufe der Landesvertheidigung. Er bildet sich

Der Landeshauptmann, als Präsident der Sitzungen, bezeichnet die Gegenstände der Berathung, entscheidet bei gleichen Stimmen und eröffnet den Beschluß. Dem Landeshauptmann zur Linken sitzt der Landesmarschall, der ohne eigenes Votum über ordnungsmäßige Abgabe der Stimmen wacht. Seine Würde ist wie früher ein erbliches Mannslehen, das auf der Burg zu Sprechenstein ruht und jetzt dem Fürsten von Auersperg zusteht, der sich aber gewöhnlich vertreten läßt. Bei der Abstimmung wird zuerst ein Mitglied des Prälatenstandes, dann einer der Herren, dann ein Vertreter der Städte, zuletzt einer aus dem Bauernstande aufgerufen. Die Stimmen werden mannweise gezählt. Es ist Gepflogenheit, daß die Vertreter des Bauernstandes, auch wenn sie sonst als Herren gekleidet gehen, bei festlichen Aufzügen in der Bauerntracht ihrer Heimath erscheinen. Außerdem wurde ungefähr mit den alten Befugnissen die ständische perennirende Activität wieder hergestellt. Für Ausarbeitung und Abhaltung sämmtlicher Vorträge, sowohl in den Congreßsitzungen als in der ständischen Activität, ist, nach früherem Gebrauche, ein Generalreferent mit dem sogenannten votum informativum bestellt, der von den Ständen ernannt und vom Landesfürsten bestätiget wird.

Die Rechte der Stände können wir wohl nicht besser umschreiben, als mit Stafflers eigenen Worten. Es gehören dahin nämlich: „das schöne Vorzugsrecht, des Landes Nutzen, Wohlfahrt und Ehre in Wort und That zu fördern; dann insbesondere das Recht der eigenen Besteuerung (offenbar euphemistisch statt: Steuererhebung); das Recht auf die Dotation des ständischen Fondes aus dem Staatsschatze; die freie Wahl der Repräsentanten (vorbehaltlich der landesfürstlichen Genehmigung); die Ernennung der ständischen Beamten; die Verleihung einiger Studienstipendien; die Verwaltung des Approvisionirungsfondes;*) die Vertheilung der Marschkosten-Beitragspflicht;

*) Dieser Approvisionirungsfond ist bestimmt für Herbeischaffung des Getraidebedarfes sowohl in Fällen eines drückenden Mangels, als zum Behufe der Landesvertheidigung. Er bildet sich
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[621/0625] Der Landeshauptmann, als Präsident der Sitzungen, bezeichnet die Gegenstände der Berathung, entscheidet bei gleichen Stimmen und eröffnet den Beschluß. Dem Landeshauptmann zur Linken sitzt der Landesmarschall, der ohne eigenes Votum über ordnungsmäßige Abgabe der Stimmen wacht. Seine Würde ist wie früher ein erbliches Mannslehen, das auf der Burg zu Sprechenstein ruht und jetzt dem Fürsten von Auersperg zusteht, der sich aber gewöhnlich vertreten läßt. Bei der Abstimmung wird zuerst ein Mitglied des Prälatenstandes, dann einer der Herren, dann ein Vertreter der Städte, zuletzt einer aus dem Bauernstande aufgerufen. Die Stimmen werden mannweise gezählt. Es ist Gepflogenheit, daß die Vertreter des Bauernstandes, auch wenn sie sonst als Herren gekleidet gehen, bei festlichen Aufzügen in der Bauerntracht ihrer Heimath erscheinen. Außerdem wurde ungefähr mit den alten Befugnissen die ständische perennirende Activität wieder hergestellt. Für Ausarbeitung und Abhaltung sämmtlicher Vorträge, sowohl in den Congreßsitzungen als in der ständischen Activität, ist, nach früherem Gebrauche, ein Generalreferent mit dem sogenannten votum informativum bestellt, der von den Ständen ernannt und vom Landesfürsten bestätiget wird. Die Rechte der Stände können wir wohl nicht besser umschreiben, als mit Stafflers eigenen Worten. Es gehören dahin nämlich: „das schöne Vorzugsrecht, des Landes Nutzen, Wohlfahrt und Ehre in Wort und That zu fördern; dann insbesondere das Recht der eigenen Besteuerung (offenbar euphemistisch statt: Steuererhebung); das Recht auf die Dotation des ständischen Fondes aus dem Staatsschatze; die freie Wahl der Repräsentanten (vorbehaltlich der landesfürstlichen Genehmigung); die Ernennung der ständischen Beamten; die Verleihung einiger Studienstipendien; die Verwaltung des Approvisionirungsfondes; *) die Vertheilung der Marschkosten-Beitragspflicht; *) Dieser Approvisionirungsfond ist bestimmt für Herbeischaffung des Getraidebedarfes sowohl in Fällen eines drückenden Mangels, als zum Behufe der Landesvertheidigung. Er bildet sich

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/625>, abgerufen am 24.07.2024.