Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Die Regierung, die damals über den Innkreis, wie das bayerisch gebliebene Tirol nun hieß, zu Innsbruck eingesetzt war, waltete versöhnend und suchte die scharfen Wunden zu lindern, so viel die schwere Zeit erlaubte. Ob man sich ganz aufrichtig glücklich gefühlt, ist freilich zu bezweifeln, denn der Tiroler Herz stand zu Oesterreich; aber so viel ist gewiß, daß die Verwaltung des Freiherrn von Lerchenfeld, wie sie vom Jahre 1810 bis 1814 geführt wurde, von allen Urtheilsfähigen als musterhaft betrachtet wird. So kam das Jahr 1814 herbei und mit ihm kam Tirol wieder an Oesterreich. Auch das Jahr 1816 erschien und während desselben zeigte sich der ersehnte Kaiser Franz zu Innsbruck. Man meinte in ihm die gute alte Zeit selbst wiederkehren zu sehen und der Jubel war unermeßlich. Es gab wieder ein Land Tirol und die Tiroler huldigten feierlich, "um ihre durch alle Stürme einer verhängnißvollen Zeit unter den schwersten Prüfungen so glänzend bewährte Treue und Anhänglichkeit neu zu bekräftigen." Es waren Tage des hellsten Freudenrausches und in der momentanen Freiheit mochte auch die milde bayerische Spannung, der man so eben entkommen war, sehr drückend erscheinen - es fehlte nicht an Demonstrationen, die der nächsten Vergangenheit einen Charakter aufdrücken wollten, den sie, so lange sie Gegenwart gewesen, kaum gezeigt hatte. Man war also im Jahre 1816 und sah einer rosigen Zukunft entgegen. Was vor allem beruhigte und erfreute, war, daß der religiöse Boden wieder fest stand. Die frechen Aergernisse im Bereich des Glaubens, wie sie etliche bayerische Beamte, zumal in der Zeit vor dem Aufstande verübt, die waren nicht mehr zu befürchten, und überhaupt sollte die kühle, aufgeklärte Haltung, welche die bayerische Regierung gegen die Kirche angenommen, in ein warmes Freundschaftsverhältniß übergehen, wie es der frommen Kirchlichkeit des Volkes entsprach. Und so kamen denn auch schnell die abgeschafften Feiertage zu Ehren, alle Nebenandachten wurden wieder freigegeben, Gott der Herr ward wieder mit Glocken begrüßt, wenn er in Gewittern vorüberfuhr, und die Geburt des Heilands wie früher gefeiert Die Regierung, die damals über den Innkreis, wie das bayerisch gebliebene Tirol nun hieß, zu Innsbruck eingesetzt war, waltete versöhnend und suchte die scharfen Wunden zu lindern, so viel die schwere Zeit erlaubte. Ob man sich ganz aufrichtig glücklich gefühlt, ist freilich zu bezweifeln, denn der Tiroler Herz stand zu Oesterreich; aber so viel ist gewiß, daß die Verwaltung des Freiherrn von Lerchenfeld, wie sie vom Jahre 1810 bis 1814 geführt wurde, von allen Urtheilsfähigen als musterhaft betrachtet wird. So kam das Jahr 1814 herbei und mit ihm kam Tirol wieder an Oesterreich. Auch das Jahr 1816 erschien und während desselben zeigte sich der ersehnte Kaiser Franz zu Innsbruck. Man meinte in ihm die gute alte Zeit selbst wiederkehren zu sehen und der Jubel war unermeßlich. Es gab wieder ein Land Tirol und die Tiroler huldigten feierlich, „um ihre durch alle Stürme einer verhängnißvollen Zeit unter den schwersten Prüfungen so glänzend bewährte Treue und Anhänglichkeit neu zu bekräftigen.“ Es waren Tage des hellsten Freudenrausches und in der momentanen Freiheit mochte auch die milde bayerische Spannung, der man so eben entkommen war, sehr drückend erscheinen – es fehlte nicht an Demonstrationen, die der nächsten Vergangenheit einen Charakter aufdrücken wollten, den sie, so lange sie Gegenwart gewesen, kaum gezeigt hatte. Man war also im Jahre 1816 und sah einer rosigen Zukunft entgegen. Was vor allem beruhigte und erfreute, war, daß der religiöse Boden wieder fest stand. Die frechen Aergernisse im Bereich des Glaubens, wie sie etliche bayerische Beamte, zumal in der Zeit vor dem Aufstande verübt, die waren nicht mehr zu befürchten, und überhaupt sollte die kühle, aufgeklärte Haltung, welche die bayerische Regierung gegen die Kirche angenommen, in ein warmes Freundschaftsverhältniß übergehen, wie es der frommen Kirchlichkeit des Volkes entsprach. Und so kamen denn auch schnell die abgeschafften Feiertage zu Ehren, alle Nebenandachten wurden wieder freigegeben, Gott der Herr ward wieder mit Glocken begrüßt, wenn er in Gewittern vorüberfuhr, und die Geburt des Heilands wie früher gefeiert <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0613" n="609"/> Die Regierung, die damals über den Innkreis, wie das bayerisch gebliebene Tirol nun hieß, zu Innsbruck eingesetzt war, waltete versöhnend und suchte die scharfen Wunden zu lindern, so viel die schwere Zeit erlaubte. 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Es gab wieder ein Land Tirol und die Tiroler huldigten feierlich, „um ihre durch alle Stürme einer verhängnißvollen Zeit unter den schwersten Prüfungen so glänzend bewährte Treue und Anhänglichkeit neu zu bekräftigen.“ Es waren Tage des hellsten Freudenrausches und in der momentanen Freiheit mochte auch die milde bayerische Spannung, der man so eben entkommen war, sehr drückend erscheinen – es fehlte nicht an Demonstrationen, die der nächsten Vergangenheit einen Charakter aufdrücken wollten, den sie, so lange sie Gegenwart gewesen, kaum gezeigt hatte.</p> <p>Man war also im Jahre 1816 und sah einer rosigen Zukunft entgegen. Was vor allem beruhigte und erfreute, war, daß der religiöse Boden wieder fest stand. 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Die Regierung, die damals über den Innkreis, wie das bayerisch gebliebene Tirol nun hieß, zu Innsbruck eingesetzt war, waltete versöhnend und suchte die scharfen Wunden zu lindern, so viel die schwere Zeit erlaubte. Ob man sich ganz aufrichtig glücklich gefühlt, ist freilich zu bezweifeln, denn der Tiroler Herz stand zu Oesterreich; aber so viel ist gewiß, daß die Verwaltung des Freiherrn von Lerchenfeld, wie sie vom Jahre 1810 bis 1814 geführt wurde, von allen Urtheilsfähigen als musterhaft betrachtet wird.
So kam das Jahr 1814 herbei und mit ihm kam Tirol wieder an Oesterreich. Auch das Jahr 1816 erschien und während desselben zeigte sich der ersehnte Kaiser Franz zu Innsbruck. Man meinte in ihm die gute alte Zeit selbst wiederkehren zu sehen und der Jubel war unermeßlich. Es gab wieder ein Land Tirol und die Tiroler huldigten feierlich, „um ihre durch alle Stürme einer verhängnißvollen Zeit unter den schwersten Prüfungen so glänzend bewährte Treue und Anhänglichkeit neu zu bekräftigen.“ Es waren Tage des hellsten Freudenrausches und in der momentanen Freiheit mochte auch die milde bayerische Spannung, der man so eben entkommen war, sehr drückend erscheinen – es fehlte nicht an Demonstrationen, die der nächsten Vergangenheit einen Charakter aufdrücken wollten, den sie, so lange sie Gegenwart gewesen, kaum gezeigt hatte.
Man war also im Jahre 1816 und sah einer rosigen Zukunft entgegen. Was vor allem beruhigte und erfreute, war, daß der religiöse Boden wieder fest stand. Die frechen Aergernisse im Bereich des Glaubens, wie sie etliche bayerische Beamte, zumal in der Zeit vor dem Aufstande verübt, die waren nicht mehr zu befürchten, und überhaupt sollte die kühle, aufgeklärte Haltung, welche die bayerische Regierung gegen die Kirche angenommen, in ein warmes Freundschaftsverhältniß übergehen, wie es der frommen Kirchlichkeit des Volkes entsprach. Und so kamen denn auch schnell die abgeschafften Feiertage zu Ehren, alle Nebenandachten wurden wieder freigegeben, Gott der Herr ward wieder mit Glocken begrüßt, wenn er in Gewittern vorüberfuhr, und die Geburt des Heilands wie früher gefeiert
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