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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Mehrheit der Landammann ausgerufen. Reiter mit ländlich aufgeputzten Pferden hielten an den vier Bäumen, um dem harrenden Ehegemahl des siegenden Bewerbers die Freudenbotschaft zu überbringen, ein Dienst welchen die neue Frau Landammännin mit vier Kronen belohnte. Der oft heißen Wahl folgten vierzehn frohe Festtage mit Musik, Tanz und Trinkgelagen, alles zu Ehren des neuen Landammanns, der dann auch die Zeche zu bezahlen hatte. Also wurde das Landammannamt von alten Zeiten her "mit mehrerer Hand besetzt," aber die Wahl lief nicht immer ohne Unfrieden ab, und der Landesbrauch klagt rührend, "daß vielmals große Unruhe und hochsträfliche Excesse vorbeigegangen, hiedurch der sonst so angenehme Friede gestört, das Land verschreit, aller Gehorsam und Respect vergessen und bei Seiten gesetzt worden, was nothwendig dem lieben Vaterlande den endlichen Untergang und Verlierung all der von den Eltern so theuer erworbenen Freiheiten bringen müsse." So weiß man daß im October des Jahres 1741 die Auen von Andelsbuch viel Hader und Streit, und am Ende gar die Niederlage und Flucht der störrigen Anhänger eines durchgefallenen Bewerbers sahen. Leider weiß man dazu auch daß der neue Landammann am 12 November desselben Jahrs, da er eben am Tisch saß sein Nachtmahl einzunehmen, durch das Fenster herein erschossen wurde. Ueber den Thäter ist bis heute noch nichts Sicheres bekannt worden.

Zwischen Bezau und Reute erhebt sich ein waldiger Hügelrücken, die Bezeck genannt, auf dessen Höhe jetzt noch etlich verfallenes Gemäuer zu sehen. Hier stand ehedem das Rathhaus des innern Bregenzerwaldes, ein hölzernes Gebäude auf acht Säulen ruhend; hier wurden die Volkversammlungen gehalten, und davon heißt es im Landesbrauch im allerersten Hauptstück: "Was auf der Bezeck ist gemacht und angenommen worden, selbes soll alldorten auch wiederum abgethan werden." Dieser "Landesbrauch" oder "Hauptordnung des k. k. Bregenzerhinterwaldes" enthält die alten Freiheiten und das alte Herkommen des innern Waldes. Die letzte Abfassung wurde auf der Bezeck am 3, 4 und 5 August 1744 vorgenommen, wo der Landesbrauch "neu durchgegangen, in vielen Stücken besser

Mehrheit der Landammann ausgerufen. Reiter mit ländlich aufgeputzten Pferden hielten an den vier Bäumen, um dem harrenden Ehegemahl des siegenden Bewerbers die Freudenbotschaft zu überbringen, ein Dienst welchen die neue Frau Landammännin mit vier Kronen belohnte. Der oft heißen Wahl folgten vierzehn frohe Festtage mit Musik, Tanz und Trinkgelagen, alles zu Ehren des neuen Landammanns, der dann auch die Zeche zu bezahlen hatte. Also wurde das Landammannamt von alten Zeiten her „mit mehrerer Hand besetzt," aber die Wahl lief nicht immer ohne Unfrieden ab, und der Landesbrauch klagt rührend, „daß vielmals große Unruhe und hochsträfliche Excesse vorbeigegangen, hiedurch der sonst so angenehme Friede gestört, das Land verschreit, aller Gehorsam und Respect vergessen und bei Seiten gesetzt worden, was nothwendig dem lieben Vaterlande den endlichen Untergang und Verlierung all der von den Eltern so theuer erworbenen Freiheiten bringen müsse." So weiß man daß im October des Jahres 1741 die Auen von Andelsbuch viel Hader und Streit, und am Ende gar die Niederlage und Flucht der störrigen Anhänger eines durchgefallenen Bewerbers sahen. Leider weiß man dazu auch daß der neue Landammann am 12 November desselben Jahrs, da er eben am Tisch saß sein Nachtmahl einzunehmen, durch das Fenster herein erschossen wurde. Ueber den Thäter ist bis heute noch nichts Sicheres bekannt worden.

Zwischen Bezau und Reute erhebt sich ein waldiger Hügelrücken, die Bezeck genannt, auf dessen Höhe jetzt noch etlich verfallenes Gemäuer zu sehen. Hier stand ehedem das Rathhaus des innern Bregenzerwaldes, ein hölzernes Gebäude auf acht Säulen ruhend; hier wurden die Volkversammlungen gehalten, und davon heißt es im Landesbrauch im allerersten Hauptstück: „Was auf der Bezeck ist gemacht und angenommen worden, selbes soll alldorten auch wiederum abgethan werden." Dieser „Landesbrauch" oder „Hauptordnung des k. k. Bregenzerhinterwaldes" enthält die alten Freiheiten und das alte Herkommen des innern Waldes. Die letzte Abfassung wurde auf der Bezeck am 3, 4 und 5 August 1744 vorgenommen, wo der Landesbrauch „neu durchgegangen, in vielen Stücken besser

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Mehrheit der Landammann ausgerufen. Reiter mit ländlich aufgeputzten Pferden hielten an den vier Bäumen, um dem harrenden Ehegemahl des siegenden Bewerbers die Freudenbotschaft zu überbringen, ein Dienst welchen die neue Frau Landammännin mit vier Kronen belohnte. Der oft heißen Wahl folgten vierzehn frohe Festtage mit Musik, Tanz und Trinkgelagen, alles zu Ehren des neuen Landammanns, der dann auch die Zeche zu bezahlen hatte. Also wurde das Landammannamt von alten Zeiten her &#x201E;mit mehrerer Hand besetzt," aber die Wahl lief nicht immer ohne Unfrieden ab, und der Landesbrauch klagt rührend, &#x201E;daß vielmals große Unruhe und hochsträfliche Excesse vorbeigegangen, hiedurch der sonst so angenehme Friede gestört, das Land verschreit, aller Gehorsam und Respect vergessen und bei Seiten gesetzt worden, was nothwendig dem lieben Vaterlande den endlichen Untergang und Verlierung all der von den Eltern so theuer erworbenen Freiheiten bringen müsse." So weiß man daß im October des Jahres 1741 die Auen von Andelsbuch viel Hader und Streit, und am Ende gar die Niederlage und Flucht der störrigen Anhänger eines durchgefallenen Bewerbers sahen. Leider weiß man dazu auch daß der neue Landammann am 12 November desselben Jahrs, da er eben am Tisch saß sein Nachtmahl einzunehmen, durch das Fenster herein erschossen wurde. Ueber den Thäter ist bis heute noch nichts Sicheres bekannt worden.</p>
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[54/0059] Mehrheit der Landammann ausgerufen. Reiter mit ländlich aufgeputzten Pferden hielten an den vier Bäumen, um dem harrenden Ehegemahl des siegenden Bewerbers die Freudenbotschaft zu überbringen, ein Dienst welchen die neue Frau Landammännin mit vier Kronen belohnte. Der oft heißen Wahl folgten vierzehn frohe Festtage mit Musik, Tanz und Trinkgelagen, alles zu Ehren des neuen Landammanns, der dann auch die Zeche zu bezahlen hatte. Also wurde das Landammannamt von alten Zeiten her „mit mehrerer Hand besetzt," aber die Wahl lief nicht immer ohne Unfrieden ab, und der Landesbrauch klagt rührend, „daß vielmals große Unruhe und hochsträfliche Excesse vorbeigegangen, hiedurch der sonst so angenehme Friede gestört, das Land verschreit, aller Gehorsam und Respect vergessen und bei Seiten gesetzt worden, was nothwendig dem lieben Vaterlande den endlichen Untergang und Verlierung all der von den Eltern so theuer erworbenen Freiheiten bringen müsse." So weiß man daß im October des Jahres 1741 die Auen von Andelsbuch viel Hader und Streit, und am Ende gar die Niederlage und Flucht der störrigen Anhänger eines durchgefallenen Bewerbers sahen. Leider weiß man dazu auch daß der neue Landammann am 12 November desselben Jahrs, da er eben am Tisch saß sein Nachtmahl einzunehmen, durch das Fenster herein erschossen wurde. Ueber den Thäter ist bis heute noch nichts Sicheres bekannt worden. Zwischen Bezau und Reute erhebt sich ein waldiger Hügelrücken, die Bezeck genannt, auf dessen Höhe jetzt noch etlich verfallenes Gemäuer zu sehen. Hier stand ehedem das Rathhaus des innern Bregenzerwaldes, ein hölzernes Gebäude auf acht Säulen ruhend; hier wurden die Volkversammlungen gehalten, und davon heißt es im Landesbrauch im allerersten Hauptstück: „Was auf der Bezeck ist gemacht und angenommen worden, selbes soll alldorten auch wiederum abgethan werden." Dieser „Landesbrauch" oder „Hauptordnung des k. k. Bregenzerhinterwaldes" enthält die alten Freiheiten und das alte Herkommen des innern Waldes. Die letzte Abfassung wurde auf der Bezeck am 3, 4 und 5 August 1744 vorgenommen, wo der Landesbrauch „neu durchgegangen, in vielen Stücken besser

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/59>, abgerufen am 23.11.2024.