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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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den Melcherleuten war jeder Gesang und alles Jauchzen verboten. Diese Sorgfalt für die Thiere erbitterte aber die Menschen; im Jahre 1694 hatten die Wächter in der Floite noch einhundertneunundsiebenzig Steinböcke gezählt; im Jahre 1706 wurden die letzten zwölf getödtet. Die Hirsche zeigen sich sparsam im Vorarlberg, in einigen Gegenden des Unterinnthals, im obern Vintschgau. Die Gemse kommt in den nördlichen Gebirgen häufiger vor, als in den südlichen. Es ist dort nichts seltenes, Rudeln von achtzehn bis vierundzwanzig Stücken zu gewahren. In Südtirol nährt das Gebirge von Ampezzo die meisten. Rehe und Hasen sind selten; auf hohen Alpen kommt der kleine weiße Schneehase (Lepus variabilis) vor, der wegen des Genusses der edlern Kräuter ein sehr schmackhaftes Fleisch bietet. Außer Tirol und der Schweiz kennen ihn wenige Länder. Das Murmelthier (Marmota alpina) in gewöhnlicher Sprechweise Murmentel, hat nur in einigen Hochgebirgen des Nordens, z. B. im Kaunserthale, im Pitz- und Oetzthale, in der obern Gegend des Paznauns, in den Seitenthälern des Wippthales seinen Aufenthalt. Es hat wenig Werth und das Fleisch ist nicht allgemein beliebt.

An Federwild hegt das Land die edelsten Gattungen, als den Auerhahn (Tetrao urogallus), den Birk- oder Spielhahn (Tetrao tetrix), das Schneehuhn (Tetrao Lagopus), das Haselhuhn (Tetrao bonasia), das Steinhuhn (Tetrao sonatilis) und das Repphuhn (Tetrao perdix). Auerhahn, Spielhahn und Schneehuhn lieben das Hochgebirge, Haselhuhn, Stein- und Repphuhn wärmere Lagen. Das seltenste ist das Haselhuhn, wegen seines zarten Fleisches am höchsten geschätzt. (Für Freunde gebratenen Federwildes kein besserer Ort als das Wirthshaus zu Salrain auf dem Ritten; dort wird der Wißbegierige, der das Hochland auch von dieser schmackhaften Seite kennen lernen will, binnen acht Tagen gründlichere Studien durchmachen, als anderswo vielleicht in Monaten.)

Unter den reißenden Thieren steht obenan der Bär. Er ist in Vorarlberg ganz ausgerottet - den letzten hat ja der Stier bei Sibratsgfäll erstochen - aber in Tirol noch

den Melcherleuten war jeder Gesang und alles Jauchzen verboten. Diese Sorgfalt für die Thiere erbitterte aber die Menschen; im Jahre 1694 hatten die Wächter in der Floite noch einhundertneunundsiebenzig Steinböcke gezählt; im Jahre 1706 wurden die letzten zwölf getödtet. Die Hirsche zeigen sich sparsam im Vorarlberg, in einigen Gegenden des Unterinnthals, im obern Vintschgau. Die Gemse kommt in den nördlichen Gebirgen häufiger vor, als in den südlichen. Es ist dort nichts seltenes, Rudeln von achtzehn bis vierundzwanzig Stücken zu gewahren. In Südtirol nährt das Gebirge von Ampezzo die meisten. Rehe und Hasen sind selten; auf hohen Alpen kommt der kleine weiße Schneehase (Lepus variabilis) vor, der wegen des Genusses der edlern Kräuter ein sehr schmackhaftes Fleisch bietet. Außer Tirol und der Schweiz kennen ihn wenige Länder. Das Murmelthier (Marmota alpina) in gewöhnlicher Sprechweise Murmentel, hat nur in einigen Hochgebirgen des Nordens, z. B. im Kaunserthale, im Pitz- und Oetzthale, in der obern Gegend des Paznauns, in den Seitenthälern des Wippthales seinen Aufenthalt. Es hat wenig Werth und das Fleisch ist nicht allgemein beliebt.

An Federwild hegt das Land die edelsten Gattungen, als den Auerhahn (Tetrao urogallus), den Birk- oder Spielhahn (Tetrao tetrix), das Schneehuhn (Tetrao Lagopus), das Haselhuhn (Tetrao bonasia), das Steinhuhn (Tetrao sonatilis) und das Repphuhn (Tetrao perdix). Auerhahn, Spielhahn und Schneehuhn lieben das Hochgebirge, Haselhuhn, Stein- und Repphuhn wärmere Lagen. Das seltenste ist das Haselhuhn, wegen seines zarten Fleisches am höchsten geschätzt. (Für Freunde gebratenen Federwildes kein besserer Ort als das Wirthshaus zu Salrain auf dem Ritten; dort wird der Wißbegierige, der das Hochland auch von dieser schmackhaften Seite kennen lernen will, binnen acht Tagen gründlichere Studien durchmachen, als anderswo vielleicht in Monaten.)

Unter den reißenden Thieren steht obenan der Bär. Er ist in Vorarlberg ganz ausgerottet – den letzten hat ja der Stier bei Sibratsgfäll erstochen – aber in Tirol noch

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[572/0576] den Melcherleuten war jeder Gesang und alles Jauchzen verboten. Diese Sorgfalt für die Thiere erbitterte aber die Menschen; im Jahre 1694 hatten die Wächter in der Floite noch einhundertneunundsiebenzig Steinböcke gezählt; im Jahre 1706 wurden die letzten zwölf getödtet. Die Hirsche zeigen sich sparsam im Vorarlberg, in einigen Gegenden des Unterinnthals, im obern Vintschgau. Die Gemse kommt in den nördlichen Gebirgen häufiger vor, als in den südlichen. Es ist dort nichts seltenes, Rudeln von achtzehn bis vierundzwanzig Stücken zu gewahren. In Südtirol nährt das Gebirge von Ampezzo die meisten. Rehe und Hasen sind selten; auf hohen Alpen kommt der kleine weiße Schneehase (Lepus variabilis) vor, der wegen des Genusses der edlern Kräuter ein sehr schmackhaftes Fleisch bietet. Außer Tirol und der Schweiz kennen ihn wenige Länder. Das Murmelthier (Marmota alpina) in gewöhnlicher Sprechweise Murmentel, hat nur in einigen Hochgebirgen des Nordens, z. B. im Kaunserthale, im Pitz- und Oetzthale, in der obern Gegend des Paznauns, in den Seitenthälern des Wippthales seinen Aufenthalt. Es hat wenig Werth und das Fleisch ist nicht allgemein beliebt. An Federwild hegt das Land die edelsten Gattungen, als den Auerhahn (Tetrao urogallus), den Birk- oder Spielhahn (Tetrao tetrix), das Schneehuhn (Tetrao Lagopus), das Haselhuhn (Tetrao bonasia), das Steinhuhn (Tetrao sonatilis) und das Repphuhn (Tetrao perdix). Auerhahn, Spielhahn und Schneehuhn lieben das Hochgebirge, Haselhuhn, Stein- und Repphuhn wärmere Lagen. Das seltenste ist das Haselhuhn, wegen seines zarten Fleisches am höchsten geschätzt. (Für Freunde gebratenen Federwildes kein besserer Ort als das Wirthshaus zu Salrain auf dem Ritten; dort wird der Wißbegierige, der das Hochland auch von dieser schmackhaften Seite kennen lernen will, binnen acht Tagen gründlichere Studien durchmachen, als anderswo vielleicht in Monaten.) Unter den reißenden Thieren steht obenan der Bär. Er ist in Vorarlberg ganz ausgerottet – den letzten hat ja der Stier bei Sibratsgfäll erstochen – aber in Tirol noch

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/576>, abgerufen am 23.11.2024.