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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Nachdem wir den Berg herabgestiegen, waren wir im Zillerthal und kehrten in Mayrhofen ein, in seinem letzten Dorfe. In der kleinen Ebene, die es umgibt, kommen vier Bäche zusammen, aus den vier innern Thälern, in welche sich hier das Hauptthal verästet. Von Mayrhofen sind zwei Stunden nach Zell, ein lieblicher Weg durch freundliche Dörfer. Zell selbst ist ein stattlicher Ort mit großen steinernen Häusern, einer bedeutsamen Kirche und achthundert Einwohnern.

Es war der Dinzeltag der Schuhmacher, der Handwerksjahrtag dieser Zunft. An solchen Festen ist noch Musik und Tanz gestattet, und so gab sich erwünschte Gelegenheit, die Zillerthaler tanzen zu sehen, was jetzt selbst auf der Zeller Kirchweih nicht mehr möglich ist. Von dem Tanz der Zillerthaler hat Lewald eine sehr lebendige Schilderung gegeben; viele andere thaten auch das Ihrige, um die seltsame, fast außerweltliche Fröhlichkeit, die dabei walten soll, zu zeichnen. Gleichwohl scheint sich nun auch hierin mehr Ruhe und Mäßigung eingestellt zu haben, wenigstens entsprach das Groteske dieser Leibesübung an jenem Tage keineswegs den Schilderungen die davon zu lesen sind. Man spielte beim Neuwirth in zwei Stuben auf; in der untern ein Geiger und ein Zitherer, in der obern eine Geige und ein Contrabaß. Die beiden Tanzböden waren sehr ärmlich ausgestattet - wenige Kerzen mit Kloben in die Wand gesteckt, verbreiteten ein höchst zweifelhaftes Licht. In diesem Halbdunkel glaubte ich gleichwohl einige schöne Umrisse jungfräulicher Gesichter zu erkennen und ich habe kaum zu viel gesehen, denn andern Tages fand ich bei hellem Sonnenscheine alles bestätigt, was man von der Schönheit der weiblichen Thaljugend sagt. Die Balltoilette der Mädchen war ziemlich sorgfältig; die Buben stacken zumeist in schmutzigen Hemden und hatten der Bequemlichkeit wegen die Joppen abgelegt. Der Wirth that sich am meisten hervor, und wagte trotz seines Wänstchens die höchsten Sprünge. Der Neuwirth spielt noch so den alten Zillerthaler fort; nicht ohne heimliches Lächeln seiner einheimischen Vertrauten, jedennoch zum großen Vergnügen fremder Gäste,

Nachdem wir den Berg herabgestiegen, waren wir im Zillerthal und kehrten in Mayrhofen ein, in seinem letzten Dorfe. In der kleinen Ebene, die es umgibt, kommen vier Bäche zusammen, aus den vier innern Thälern, in welche sich hier das Hauptthal verästet. Von Mayrhofen sind zwei Stunden nach Zell, ein lieblicher Weg durch freundliche Dörfer. Zell selbst ist ein stattlicher Ort mit großen steinernen Häusern, einer bedeutsamen Kirche und achthundert Einwohnern.

Es war der Dinzeltag der Schuhmacher, der Handwerksjahrtag dieser Zunft. An solchen Festen ist noch Musik und Tanz gestattet, und so gab sich erwünschte Gelegenheit, die Zillerthaler tanzen zu sehen, was jetzt selbst auf der Zeller Kirchweih nicht mehr möglich ist. Von dem Tanz der Zillerthaler hat Lewald eine sehr lebendige Schilderung gegeben; viele andere thaten auch das Ihrige, um die seltsame, fast außerweltliche Fröhlichkeit, die dabei walten soll, zu zeichnen. Gleichwohl scheint sich nun auch hierin mehr Ruhe und Mäßigung eingestellt zu haben, wenigstens entsprach das Groteske dieser Leibesübung an jenem Tage keineswegs den Schilderungen die davon zu lesen sind. Man spielte beim Neuwirth in zwei Stuben auf; in der untern ein Geiger und ein Zitherer, in der obern eine Geige und ein Contrabaß. Die beiden Tanzböden waren sehr ärmlich ausgestattet – wenige Kerzen mit Kloben in die Wand gesteckt, verbreiteten ein höchst zweifelhaftes Licht. In diesem Halbdunkel glaubte ich gleichwohl einige schöne Umrisse jungfräulicher Gesichter zu erkennen und ich habe kaum zu viel gesehen, denn andern Tages fand ich bei hellem Sonnenscheine alles bestätigt, was man von der Schönheit der weiblichen Thaljugend sagt. Die Balltoilette der Mädchen war ziemlich sorgfältig; die Buben stacken zumeist in schmutzigen Hemden und hatten der Bequemlichkeit wegen die Joppen abgelegt. Der Wirth that sich am meisten hervor, und wagte trotz seines Wänstchens die höchsten Sprünge. Der Neuwirth spielt noch so den alten Zillerthaler fort; nicht ohne heimliches Lächeln seiner einheimischen Vertrauten, jedennoch zum großen Vergnügen fremder Gäste,

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[537/0541] Nachdem wir den Berg herabgestiegen, waren wir im Zillerthal und kehrten in Mayrhofen ein, in seinem letzten Dorfe. In der kleinen Ebene, die es umgibt, kommen vier Bäche zusammen, aus den vier innern Thälern, in welche sich hier das Hauptthal verästet. Von Mayrhofen sind zwei Stunden nach Zell, ein lieblicher Weg durch freundliche Dörfer. Zell selbst ist ein stattlicher Ort mit großen steinernen Häusern, einer bedeutsamen Kirche und achthundert Einwohnern. Es war der Dinzeltag der Schuhmacher, der Handwerksjahrtag dieser Zunft. An solchen Festen ist noch Musik und Tanz gestattet, und so gab sich erwünschte Gelegenheit, die Zillerthaler tanzen zu sehen, was jetzt selbst auf der Zeller Kirchweih nicht mehr möglich ist. Von dem Tanz der Zillerthaler hat Lewald eine sehr lebendige Schilderung gegeben; viele andere thaten auch das Ihrige, um die seltsame, fast außerweltliche Fröhlichkeit, die dabei walten soll, zu zeichnen. Gleichwohl scheint sich nun auch hierin mehr Ruhe und Mäßigung eingestellt zu haben, wenigstens entsprach das Groteske dieser Leibesübung an jenem Tage keineswegs den Schilderungen die davon zu lesen sind. Man spielte beim Neuwirth in zwei Stuben auf; in der untern ein Geiger und ein Zitherer, in der obern eine Geige und ein Contrabaß. Die beiden Tanzböden waren sehr ärmlich ausgestattet – wenige Kerzen mit Kloben in die Wand gesteckt, verbreiteten ein höchst zweifelhaftes Licht. In diesem Halbdunkel glaubte ich gleichwohl einige schöne Umrisse jungfräulicher Gesichter zu erkennen und ich habe kaum zu viel gesehen, denn andern Tages fand ich bei hellem Sonnenscheine alles bestätigt, was man von der Schönheit der weiblichen Thaljugend sagt. Die Balltoilette der Mädchen war ziemlich sorgfältig; die Buben stacken zumeist in schmutzigen Hemden und hatten der Bequemlichkeit wegen die Joppen abgelegt. Der Wirth that sich am meisten hervor, und wagte trotz seines Wänstchens die höchsten Sprünge. Der Neuwirth spielt noch so den alten Zillerthaler fort; nicht ohne heimliches Lächeln seiner einheimischen Vertrauten, jedennoch zum großen Vergnügen fremder Gäste,

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/541>, abgerufen am 23.11.2024.