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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Feier der Vermählung des Kronprinzen von Bayern in München gehalten wurde, erschienen viele Bauernbräute und Kranzeljungfern aus altbayerischen Landschaften mit den neu hervorgesuchten Schäpelen, und wie wir aus Schmeller sehen, so ist dieser Schmuck auch am Main und Rhein bekannt und geht in seinen Anfängen zurück bis auf Tristan und Isoldens fabelhafte Zeiten.

Die Tracht die wir oben beschrieben, wird von Frauen und Mädchen auch dann nicht abgelegt, wenn sie zu einem Wohlstand oder Ansehen gelangt sind, welches sie überall anderswo veranlassen würde sich städtisch zu kleiden. Heutigen Tages hält die Frau Landammännin für ihre hochgeachtete Person noch denselben Kleiderschnitt ganz passend, in welchem das ärmste Landmädchen erscheint. Nur am Saume des Waldes gegen das Allgau hin verlieren sich, wie Bergmann erzählt, allmählig die Eigenthümlichkeiten der Tracht zugleich mit denen der Mundart. Diejenigen, die der Mode des Allgaus folgen, heißen aber zur Zeit noch fremdhäsig - von Häs, das Gewand.

Seltsam wie die Tracht der Wälderinnen ist auch ihre Sprache. Die Männer richten sich im Umgange mit Fremden mehr nach dem Deutsch der Schule; aber bei den Frauen ist noch der ächte Laut des Waldes zu hören. Der singenden Höhe ihrer Stimmen haben wir schon gedacht; dazu kommt bei aller Raschheit des Vortrags ein eigenes Wiegen und Tragen der Sylben, auf welchen der Nachdruck liegt. Der Dialekt stimmt am nächsten zu den schweizerischen und erkauft die Weichheit, wie jene, oft nur durch gewaltthätige Abstumpfungen. Nie, gie, ko für nehmen, geben, kommen klingt eben so mild als unverständlich. Wie mancher junge Deutsche würde rathlos dastehen, wenn ihm, freilich wider alles Vermuthen, eines schönen Abends die Wäldersennin zuflüsterte: Wend ir it mo ze mer ue ko? was doch nichts anders bedeutet, als: Wollt ihr nicht morgen zu mir heraufkommen? Die Studirten nennen manches im Hochdeutschen verschollene Wort aus dem Nibelungenliede, das sich in der Wäldersprache erhalten hat - es sind dieß jedoch Erbstücke, wie sich deren in allen

Feier der Vermählung des Kronprinzen von Bayern in München gehalten wurde, erschienen viele Bauernbräute und Kranzeljungfern aus altbayerischen Landschaften mit den neu hervorgesuchten Schäpelen, und wie wir aus Schmeller sehen, so ist dieser Schmuck auch am Main und Rhein bekannt und geht in seinen Anfängen zurück bis auf Tristan und Isoldens fabelhafte Zeiten.

Die Tracht die wir oben beschrieben, wird von Frauen und Mädchen auch dann nicht abgelegt, wenn sie zu einem Wohlstand oder Ansehen gelangt sind, welches sie überall anderswo veranlassen würde sich städtisch zu kleiden. Heutigen Tages hält die Frau Landammännin für ihre hochgeachtete Person noch denselben Kleiderschnitt ganz passend, in welchem das ärmste Landmädchen erscheint. Nur am Saume des Waldes gegen das Allgau hin verlieren sich, wie Bergmann erzählt, allmählig die Eigenthümlichkeiten der Tracht zugleich mit denen der Mundart. Diejenigen, die der Mode des Allgaus folgen, heißen aber zur Zeit noch fremdhäsig – von Häs, das Gewand.

Seltsam wie die Tracht der Wälderinnen ist auch ihre Sprache. Die Männer richten sich im Umgange mit Fremden mehr nach dem Deutsch der Schule; aber bei den Frauen ist noch der ächte Laut des Waldes zu hören. Der singenden Höhe ihrer Stimmen haben wir schon gedacht; dazu kommt bei aller Raschheit des Vortrags ein eigenes Wiegen und Tragen der Sylben, auf welchen der Nachdruck liegt. Der Dialekt stimmt am nächsten zu den schweizerischen und erkauft die Weichheit, wie jene, oft nur durch gewaltthätige Abstumpfungen. Nie, gie, ko für nehmen, geben, kommen klingt eben so mild als unverständlich. Wie mancher junge Deutsche würde rathlos dastehen, wenn ihm, freilich wider alles Vermuthen, eines schönen Abends die Wäldersennin zuflüsterte: Wend ir it mo ze mer ue ko? was doch nichts anders bedeutet, als: Wollt ihr nicht morgen zu mir heraufkommen? Die Studirten nennen manches im Hochdeutschen verschollene Wort aus dem Nibelungenliede, das sich in der Wäldersprache erhalten hat – es sind dieß jedoch Erbstücke, wie sich deren in allen

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Feier der Vermählung des Kronprinzen von Bayern in München gehalten wurde, erschienen viele Bauernbräute und Kranzeljungfern aus altbayerischen Landschaften mit den neu hervorgesuchten Schäpelen, und wie wir aus Schmeller sehen, so ist dieser Schmuck auch am Main und Rhein bekannt und geht in seinen Anfängen zurück bis auf Tristan und Isoldens fabelhafte Zeiten.</p>
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[49/0054] Feier der Vermählung des Kronprinzen von Bayern in München gehalten wurde, erschienen viele Bauernbräute und Kranzeljungfern aus altbayerischen Landschaften mit den neu hervorgesuchten Schäpelen, und wie wir aus Schmeller sehen, so ist dieser Schmuck auch am Main und Rhein bekannt und geht in seinen Anfängen zurück bis auf Tristan und Isoldens fabelhafte Zeiten. Die Tracht die wir oben beschrieben, wird von Frauen und Mädchen auch dann nicht abgelegt, wenn sie zu einem Wohlstand oder Ansehen gelangt sind, welches sie überall anderswo veranlassen würde sich städtisch zu kleiden. Heutigen Tages hält die Frau Landammännin für ihre hochgeachtete Person noch denselben Kleiderschnitt ganz passend, in welchem das ärmste Landmädchen erscheint. Nur am Saume des Waldes gegen das Allgau hin verlieren sich, wie Bergmann erzählt, allmählig die Eigenthümlichkeiten der Tracht zugleich mit denen der Mundart. Diejenigen, die der Mode des Allgaus folgen, heißen aber zur Zeit noch fremdhäsig – von Häs, das Gewand. Seltsam wie die Tracht der Wälderinnen ist auch ihre Sprache. Die Männer richten sich im Umgange mit Fremden mehr nach dem Deutsch der Schule; aber bei den Frauen ist noch der ächte Laut des Waldes zu hören. Der singenden Höhe ihrer Stimmen haben wir schon gedacht; dazu kommt bei aller Raschheit des Vortrags ein eigenes Wiegen und Tragen der Sylben, auf welchen der Nachdruck liegt. Der Dialekt stimmt am nächsten zu den schweizerischen und erkauft die Weichheit, wie jene, oft nur durch gewaltthätige Abstumpfungen. Nie, gie, ko für nehmen, geben, kommen klingt eben so mild als unverständlich. Wie mancher junge Deutsche würde rathlos dastehen, wenn ihm, freilich wider alles Vermuthen, eines schönen Abends die Wäldersennin zuflüsterte: Wend ir it mo ze mer ue ko? was doch nichts anders bedeutet, als: Wollt ihr nicht morgen zu mir heraufkommen? Die Studirten nennen manches im Hochdeutschen verschollene Wort aus dem Nibelungenliede, das sich in der Wäldersprache erhalten hat – es sind dieß jedoch Erbstücke, wie sich deren in allen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/54>, abgerufen am 23.11.2024.