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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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zu sagen aufstand und floh. Bald hatten auch die Sennen ihren Branntwein ausgetrunken und gingen fort, so daß ich mit dem Mädchen und ihrem wenig sichtbaren Bruder allein blieb. Ich habe ohne Ruhm zu melden ihrem schönen Mund nicht zwanzig Worte zu entlocken gewußt, von allem andern, was die scherzhaften Reden des Sennen andeuteten, ganz zu geschweigen.

So saß ich also zumeist allein im leichten Rauch des Herdes auf der hohen Bank, trank ein paar Gläser Wein und nährte mich von Brod und Käse. Meine Augen beschäftigten sich mit Kübeln, Pfannen, Milchschüsseln, Butterfässern und einer Menge unbeschreiblichen Plunders, der ringsumher stand, lag und hing. Die Luft war kühl und das Herdfeuer daher sehr erquickend.

Die Nacht war noch nicht ganz hereingebrochen, als das Mädchen kam und mir bemerkte, es sey Zeit zur Ruhe zu gehen; sie seyen schläfrig, die Nacht vorher habe eine Kuh gekälbert und sie um allen Schlaf gebracht. Ich überließ mich ihr mit völliger Hingebung, wohin sie mich auch führen würde. Sie aber leitete mich aus der Hütte und hinten an den Heustadel hin, zu dessen Dachraum eine Leiter emporging. Hier solle ich hinaufsteigen, oben werde ich warmes Heu und eine Decke finden. Gute Nacht!

Oben unterm Dach fand ich wirklich warmes Heu genug und nach einigem Tappen auch eine wollene Decke. Ich grub mir mein Lager in das weiche Bett und nahm die Decke über mich, recht eigentlich bis an die Ohren herauf. Es war nämlich kalt im Speicher, da zwischen Dach und Seitenwand ein handbreiter offener Raum für den nöthigen Luftzug gelassen war. Obgleich es noch früh an der Zeit, so kam doch bald ein süßer Schlummer über den müden Wanderer.

Mitten in der Nacht erwachte ich. Ein langer gleißender Lichtstreif stoß über mich hin und im ersten Taumel glaubte ich, die Decke brenne. Ich fuhr auf und sah durch eine Dachspalte in den lieben Mond, der da herein seinen harmlosen Glanz ergoß. Ich öffnete die Thüre und trat hinaus an die Leiter. Unendliche, tiefe Bergeinsamkeit im verklärenden

zu sagen aufstand und floh. Bald hatten auch die Sennen ihren Branntwein ausgetrunken und gingen fort, so daß ich mit dem Mädchen und ihrem wenig sichtbaren Bruder allein blieb. Ich habe ohne Ruhm zu melden ihrem schönen Mund nicht zwanzig Worte zu entlocken gewußt, von allem andern, was die scherzhaften Reden des Sennen andeuteten, ganz zu geschweigen.

So saß ich also zumeist allein im leichten Rauch des Herdes auf der hohen Bank, trank ein paar Gläser Wein und nährte mich von Brod und Käse. Meine Augen beschäftigten sich mit Kübeln, Pfannen, Milchschüsseln, Butterfässern und einer Menge unbeschreiblichen Plunders, der ringsumher stand, lag und hing. Die Luft war kühl und das Herdfeuer daher sehr erquickend.

Die Nacht war noch nicht ganz hereingebrochen, als das Mädchen kam und mir bemerkte, es sey Zeit zur Ruhe zu gehen; sie seyen schläfrig, die Nacht vorher habe eine Kuh gekälbert und sie um allen Schlaf gebracht. Ich überließ mich ihr mit völliger Hingebung, wohin sie mich auch führen würde. Sie aber leitete mich aus der Hütte und hinten an den Heustadel hin, zu dessen Dachraum eine Leiter emporging. Hier solle ich hinaufsteigen, oben werde ich warmes Heu und eine Decke finden. Gute Nacht!

Oben unterm Dach fand ich wirklich warmes Heu genug und nach einigem Tappen auch eine wollene Decke. Ich grub mir mein Lager in das weiche Bett und nahm die Decke über mich, recht eigentlich bis an die Ohren herauf. Es war nämlich kalt im Speicher, da zwischen Dach und Seitenwand ein handbreiter offener Raum für den nöthigen Luftzug gelassen war. Obgleich es noch früh an der Zeit, so kam doch bald ein süßer Schlummer über den müden Wanderer.

Mitten in der Nacht erwachte ich. Ein langer gleißender Lichtstreif stoß über mich hin und im ersten Taumel glaubte ich, die Decke brenne. Ich fuhr auf und sah durch eine Dachspalte in den lieben Mond, der da herein seinen harmlosen Glanz ergoß. Ich öffnete die Thüre und trat hinaus an die Leiter. Unendliche, tiefe Bergeinsamkeit im verklärenden

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[487/0491] zu sagen aufstand und floh. Bald hatten auch die Sennen ihren Branntwein ausgetrunken und gingen fort, so daß ich mit dem Mädchen und ihrem wenig sichtbaren Bruder allein blieb. Ich habe ohne Ruhm zu melden ihrem schönen Mund nicht zwanzig Worte zu entlocken gewußt, von allem andern, was die scherzhaften Reden des Sennen andeuteten, ganz zu geschweigen. So saß ich also zumeist allein im leichten Rauch des Herdes auf der hohen Bank, trank ein paar Gläser Wein und nährte mich von Brod und Käse. Meine Augen beschäftigten sich mit Kübeln, Pfannen, Milchschüsseln, Butterfässern und einer Menge unbeschreiblichen Plunders, der ringsumher stand, lag und hing. Die Luft war kühl und das Herdfeuer daher sehr erquickend. Die Nacht war noch nicht ganz hereingebrochen, als das Mädchen kam und mir bemerkte, es sey Zeit zur Ruhe zu gehen; sie seyen schläfrig, die Nacht vorher habe eine Kuh gekälbert und sie um allen Schlaf gebracht. Ich überließ mich ihr mit völliger Hingebung, wohin sie mich auch führen würde. Sie aber leitete mich aus der Hütte und hinten an den Heustadel hin, zu dessen Dachraum eine Leiter emporging. Hier solle ich hinaufsteigen, oben werde ich warmes Heu und eine Decke finden. Gute Nacht! Oben unterm Dach fand ich wirklich warmes Heu genug und nach einigem Tappen auch eine wollene Decke. Ich grub mir mein Lager in das weiche Bett und nahm die Decke über mich, recht eigentlich bis an die Ohren herauf. Es war nämlich kalt im Speicher, da zwischen Dach und Seitenwand ein handbreiter offener Raum für den nöthigen Luftzug gelassen war. Obgleich es noch früh an der Zeit, so kam doch bald ein süßer Schlummer über den müden Wanderer. Mitten in der Nacht erwachte ich. Ein langer gleißender Lichtstreif stoß über mich hin und im ersten Taumel glaubte ich, die Decke brenne. Ich fuhr auf und sah durch eine Dachspalte in den lieben Mond, der da herein seinen harmlosen Glanz ergoß. Ich öffnete die Thüre und trat hinaus an die Leiter. Unendliche, tiefe Bergeinsamkeit im verklärenden

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/491>, abgerufen am 25.08.2024.