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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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im obern einige Zimmer und eine Capelle hergerichtet sind für die Stiftsherren. Jetzt war von mehreren, die in frühern Monaten dagewesen, nur noch einer übergeblieben, Pater Lorenz, ein artiger, alter Priester, der mich gutherzig willkommen hieß und gegen billiges Entgelt an seinem Mittage Theil nehmen ließ.

Laßt uns aber auch etwas sagen von dem Fernerkogel und wie Professor Thurwieser, der Besteiger des Ortles, an ihm hinaufgeklettert ist. *) In früher Jugend schon, als er noch zu Kramsach bei Rattenberg auf den Wiesen spielte, hatte der Knabe eine Freude an dem Kogel, der obwohl so ferne, doch an schönen Sommerabenden noch glühte, während die höchsten Felsenkuppen des untern Innthals bereits in düstere Nacht verschwammen. Als nun Thurwieser groß geworden und schon manchem erhabenen Berghaupte seinen kecken Fuß auf die Scheitel gedrückt hatte, gedachte er wieder seiner Knabensehnsucht nach dem rosig glühenden Kogel und machte sich auf, seine Zinnen zu erklimmen. Am 23 August im Jahre 1836 zog er zu Lisens ein; am andern Morgen um 3 Uhr las er die heilige Messe, und um 4 Uhr bei ziemlich heiterm Himmel brach er auf. Philipp Schöpf, Jäger, und Jacob Kofler, Bauer zu Praxmar oder um es kürzer zu sagen: Lipp und Jackl waren seine Begleiter. Der erstere hatte schon vorher einmal die Spitze erstiegen. Ein Stück weit am Eise hinauf, meinten die Leute zu Lisens, würde der Professor wohl kommen, aber die Höhe des Ferners könne kein Fremder ersteigen und den Kogel schon gar nicht.

In fünf Viertelstunden kamen die Gletscherfahrer zum ersten Schnee; eine halbe Stunde darnach erreichten sie das feste Eis. Im Anfange ging alles recht gut, aber bald traten den Verwegenen die Grausen der Ferner recht abschreckend gegenüber. Da kamen Eisstiegen von mehreren, zwei drei

*) Siehe in der neuen Zeitschrift des Ferdinandeums, sechstes Bändchen 1840, Seite 44 u. ff. die Ersteigung und Messung des Fernerkogels und der Habichtspitze im Jahre 1836. Von Professor Pater Karl Thurwieser.

im obern einige Zimmer und eine Capelle hergerichtet sind für die Stiftsherren. Jetzt war von mehreren, die in frühern Monaten dagewesen, nur noch einer übergeblieben, Pater Lorenz, ein artiger, alter Priester, der mich gutherzig willkommen hieß und gegen billiges Entgelt an seinem Mittage Theil nehmen ließ.

Laßt uns aber auch etwas sagen von dem Fernerkogel und wie Professor Thurwieser, der Besteiger des Ortles, an ihm hinaufgeklettert ist. *) In früher Jugend schon, als er noch zu Kramsach bei Rattenberg auf den Wiesen spielte, hatte der Knabe eine Freude an dem Kogel, der obwohl so ferne, doch an schönen Sommerabenden noch glühte, während die höchsten Felsenkuppen des untern Innthals bereits in düstere Nacht verschwammen. Als nun Thurwieser groß geworden und schon manchem erhabenen Berghaupte seinen kecken Fuß auf die Scheitel gedrückt hatte, gedachte er wieder seiner Knabensehnsucht nach dem rosig glühenden Kogel und machte sich auf, seine Zinnen zu erklimmen. Am 23 August im Jahre 1836 zog er zu Lisens ein; am andern Morgen um 3 Uhr las er die heilige Messe, und um 4 Uhr bei ziemlich heiterm Himmel brach er auf. Philipp Schöpf, Jäger, und Jacob Kofler, Bauer zu Praxmar oder um es kürzer zu sagen: Lipp und Jackl waren seine Begleiter. Der erstere hatte schon vorher einmal die Spitze erstiegen. Ein Stück weit am Eise hinauf, meinten die Leute zu Lisens, würde der Professor wohl kommen, aber die Höhe des Ferners könne kein Fremder ersteigen und den Kogel schon gar nicht.

In fünf Viertelstunden kamen die Gletscherfahrer zum ersten Schnee; eine halbe Stunde darnach erreichten sie das feste Eis. Im Anfange ging alles recht gut, aber bald traten den Verwegenen die Grausen der Ferner recht abschreckend gegenüber. Da kamen Eisstiegen von mehreren, zwei drei

*) Siehe in der neuen Zeitschrift des Ferdinandeums, sechstes Bändchen 1840, Seite 44 u. ff. die Ersteigung und Messung des Fernerkogels und der Habichtspitze im Jahre 1836. Von Professor Pater Karl Thurwieser.
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[482/0486] im obern einige Zimmer und eine Capelle hergerichtet sind für die Stiftsherren. Jetzt war von mehreren, die in frühern Monaten dagewesen, nur noch einer übergeblieben, Pater Lorenz, ein artiger, alter Priester, der mich gutherzig willkommen hieß und gegen billiges Entgelt an seinem Mittage Theil nehmen ließ. Laßt uns aber auch etwas sagen von dem Fernerkogel und wie Professor Thurwieser, der Besteiger des Ortles, an ihm hinaufgeklettert ist. *) In früher Jugend schon, als er noch zu Kramsach bei Rattenberg auf den Wiesen spielte, hatte der Knabe eine Freude an dem Kogel, der obwohl so ferne, doch an schönen Sommerabenden noch glühte, während die höchsten Felsenkuppen des untern Innthals bereits in düstere Nacht verschwammen. Als nun Thurwieser groß geworden und schon manchem erhabenen Berghaupte seinen kecken Fuß auf die Scheitel gedrückt hatte, gedachte er wieder seiner Knabensehnsucht nach dem rosig glühenden Kogel und machte sich auf, seine Zinnen zu erklimmen. Am 23 August im Jahre 1836 zog er zu Lisens ein; am andern Morgen um 3 Uhr las er die heilige Messe, und um 4 Uhr bei ziemlich heiterm Himmel brach er auf. Philipp Schöpf, Jäger, und Jacob Kofler, Bauer zu Praxmar oder um es kürzer zu sagen: Lipp und Jackl waren seine Begleiter. Der erstere hatte schon vorher einmal die Spitze erstiegen. Ein Stück weit am Eise hinauf, meinten die Leute zu Lisens, würde der Professor wohl kommen, aber die Höhe des Ferners könne kein Fremder ersteigen und den Kogel schon gar nicht. In fünf Viertelstunden kamen die Gletscherfahrer zum ersten Schnee; eine halbe Stunde darnach erreichten sie das feste Eis. Im Anfange ging alles recht gut, aber bald traten den Verwegenen die Grausen der Ferner recht abschreckend gegenüber. Da kamen Eisstiegen von mehreren, zwei drei *) Siehe in der neuen Zeitschrift des Ferdinandeums, sechstes Bändchen 1840, Seite 44 u. ff. die Ersteigung und Messung des Fernerkogels und der Habichtspitze im Jahre 1836. Von Professor Pater Karl Thurwieser.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/486>, abgerufen am 25.08.2024.