Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.in schauerlicher Oede über dem Bache hängt die verlassene Veste Langeck. Auf den Halden ferne Höfe, Kornfelder, Wiesen, auch ein paar Dörfer, Oberrinn und Wangen. Am Sarner Wege selbst liegt in dieser Gegend der Gruber, oder Gruebar, wie die Sarner sprechen, ein einsames Wirthshäuschen, zunächst auf die Träger eingerichtet, die da regelmäßig Nachtruhe halten. Da über diese steile Höhe kein Fuhrwerk zu bringen ist, so muß alles, was das große Dorf Sarnthein tagtäglich an städtischen Erzeugnissen bedarf, auf dem Rücken hereingebracht werden. Mir waren etwa ein halbes Duzend Träger begegnet, von allen Lebensaltern, vom weißhaarigen Siebenziger bis herunter zum achtzehnjährigen Jüngling, darunter auch ein starkes, wohlgeschlachtes Mädchen von neunzehn Jahren. Alle waren schwer beladen, alle mit zwei Stöcken versehen, und alle in Schweiß gebadet. Sie steigen einen Stock nach dem andern einsetzend, langsam aufwärts und müssen wegen der schweren Belastung wohl alle hundert Schritte rasten. Es ist im heißen Sommer ein jämmerliches qualvolles Tagwerk; nicht einmal der tröstliche Aufblick in den blauen Himmel ist ihnen gegönnt, denn die Krakse geht weit über den Kopf herein und der Träger zieht gesenkten Hauptes seufzend seinen rauhen Weg. Die Gruberin hatte für mich nur etliche Eier und erträglichen Wein. Allmählich sammelten sich die Träger um den Wirthstisch und begannen ihr Abendessen zu halten, welches Jahr aus Jahr ein in Plentenknödeln besteht. Die Sarnerleute hatten diesesmal nicht viel Lust zu plaudern. Die Betten wurden zu guter Stunde aufgesucht. Meines war sehr hart, aber reinlich. Der Eingang in das Sarnthal bis etwa auf eine Stunde von dem Hauptorte ist ein großartiger Tobel. Der Weg führt bis dahin wohl ein paar Tausend Fuß über dem Rinnsal des Baches an rothen Porphyrwänden entlang, und nur selten fällt ein Blick hinunter in die schäumende Fluth. Auf der andern Seite sieht man die Felsenwände mächtig aufgeschoben, in schmalen Thälchen eingerissen, bald steil abfallend, bald lang hingestreckt und wohlbebaut. Auf der Seite in schauerlicher Oede über dem Bache hängt die verlassene Veste Langeck. Auf den Halden ferne Höfe, Kornfelder, Wiesen, auch ein paar Dörfer, Oberrinn und Wangen. Am Sarner Wege selbst liegt in dieser Gegend der Gruber, oder Gruebar, wie die Sarner sprechen, ein einsames Wirthshäuschen, zunächst auf die Träger eingerichtet, die da regelmäßig Nachtruhe halten. Da über diese steile Höhe kein Fuhrwerk zu bringen ist, so muß alles, was das große Dorf Sarnthein tagtäglich an städtischen Erzeugnissen bedarf, auf dem Rücken hereingebracht werden. Mir waren etwa ein halbes Duzend Träger begegnet, von allen Lebensaltern, vom weißhaarigen Siebenziger bis herunter zum achtzehnjährigen Jüngling, darunter auch ein starkes, wohlgeschlachtes Mädchen von neunzehn Jahren. Alle waren schwer beladen, alle mit zwei Stöcken versehen, und alle in Schweiß gebadet. Sie steigen einen Stock nach dem andern einsetzend, langsam aufwärts und müssen wegen der schweren Belastung wohl alle hundert Schritte rasten. Es ist im heißen Sommer ein jämmerliches qualvolles Tagwerk; nicht einmal der tröstliche Aufblick in den blauen Himmel ist ihnen gegönnt, denn die Krakse geht weit über den Kopf herein und der Träger zieht gesenkten Hauptes seufzend seinen rauhen Weg. Die Gruberin hatte für mich nur etliche Eier und erträglichen Wein. Allmählich sammelten sich die Träger um den Wirthstisch und begannen ihr Abendessen zu halten, welches Jahr aus Jahr ein in Plentenknödeln besteht. Die Sarnerleute hatten diesesmal nicht viel Lust zu plaudern. Die Betten wurden zu guter Stunde aufgesucht. Meines war sehr hart, aber reinlich. Der Eingang in das Sarnthal bis etwa auf eine Stunde von dem Hauptorte ist ein großartiger Tobel. Der Weg führt bis dahin wohl ein paar Tausend Fuß über dem Rinnsal des Baches an rothen Porphyrwänden entlang, und nur selten fällt ein Blick hinunter in die schäumende Fluth. Auf der andern Seite sieht man die Felsenwände mächtig aufgeschoben, in schmalen Thälchen eingerissen, bald steil abfallend, bald lang hingestreckt und wohlbebaut. Auf der Seite <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0401" n="397"/> in schauerlicher Oede über dem Bache hängt die verlassene Veste Langeck. Auf den Halden ferne Höfe, Kornfelder, Wiesen, auch ein paar Dörfer, Oberrinn und Wangen. Am Sarner Wege selbst liegt in dieser Gegend der Gruber, oder Gruebar, wie die Sarner sprechen, ein einsames Wirthshäuschen, zunächst auf die Träger eingerichtet, die da regelmäßig Nachtruhe halten. Da über diese steile Höhe kein Fuhrwerk zu bringen ist, so muß alles, was das große Dorf Sarnthein tagtäglich an städtischen Erzeugnissen bedarf, auf dem Rücken hereingebracht werden. Mir waren etwa ein halbes Duzend Träger begegnet, von allen Lebensaltern, vom weißhaarigen Siebenziger bis herunter zum achtzehnjährigen Jüngling, darunter auch ein starkes, wohlgeschlachtes Mädchen von neunzehn Jahren. Alle waren schwer beladen, alle mit zwei Stöcken versehen, und alle in Schweiß gebadet. Sie steigen einen Stock nach dem andern einsetzend, langsam aufwärts und müssen wegen der schweren Belastung wohl alle hundert Schritte rasten. Es ist im heißen Sommer ein jämmerliches qualvolles Tagwerk; nicht einmal der tröstliche Aufblick in den blauen Himmel ist ihnen gegönnt, denn die Krakse geht weit über den Kopf herein und der Träger zieht gesenkten Hauptes seufzend seinen rauhen Weg.</p> <p>Die Gruberin hatte für mich nur etliche Eier und erträglichen Wein. Allmählich sammelten sich die Träger um den Wirthstisch und begannen ihr Abendessen zu halten, welches Jahr aus Jahr ein in Plentenknödeln besteht. Die Sarnerleute hatten diesesmal nicht viel Lust zu plaudern. Die Betten wurden zu guter Stunde aufgesucht. Meines war sehr hart, aber reinlich.</p> <p>Der Eingang in das Sarnthal bis etwa auf eine Stunde von dem Hauptorte ist ein großartiger Tobel. Der Weg führt bis dahin wohl ein paar Tausend Fuß über dem Rinnsal des Baches an rothen Porphyrwänden entlang, und nur selten fällt ein Blick hinunter in die schäumende Fluth. Auf der andern Seite sieht man die Felsenwände mächtig aufgeschoben, in schmalen Thälchen eingerissen, bald steil abfallend, bald lang hingestreckt und wohlbebaut. Auf der Seite </p> </div> </body> </text> </TEI> [397/0401]
in schauerlicher Oede über dem Bache hängt die verlassene Veste Langeck. Auf den Halden ferne Höfe, Kornfelder, Wiesen, auch ein paar Dörfer, Oberrinn und Wangen. Am Sarner Wege selbst liegt in dieser Gegend der Gruber, oder Gruebar, wie die Sarner sprechen, ein einsames Wirthshäuschen, zunächst auf die Träger eingerichtet, die da regelmäßig Nachtruhe halten. Da über diese steile Höhe kein Fuhrwerk zu bringen ist, so muß alles, was das große Dorf Sarnthein tagtäglich an städtischen Erzeugnissen bedarf, auf dem Rücken hereingebracht werden. Mir waren etwa ein halbes Duzend Träger begegnet, von allen Lebensaltern, vom weißhaarigen Siebenziger bis herunter zum achtzehnjährigen Jüngling, darunter auch ein starkes, wohlgeschlachtes Mädchen von neunzehn Jahren. Alle waren schwer beladen, alle mit zwei Stöcken versehen, und alle in Schweiß gebadet. Sie steigen einen Stock nach dem andern einsetzend, langsam aufwärts und müssen wegen der schweren Belastung wohl alle hundert Schritte rasten. Es ist im heißen Sommer ein jämmerliches qualvolles Tagwerk; nicht einmal der tröstliche Aufblick in den blauen Himmel ist ihnen gegönnt, denn die Krakse geht weit über den Kopf herein und der Träger zieht gesenkten Hauptes seufzend seinen rauhen Weg.
Die Gruberin hatte für mich nur etliche Eier und erträglichen Wein. Allmählich sammelten sich die Träger um den Wirthstisch und begannen ihr Abendessen zu halten, welches Jahr aus Jahr ein in Plentenknödeln besteht. Die Sarnerleute hatten diesesmal nicht viel Lust zu plaudern. Die Betten wurden zu guter Stunde aufgesucht. Meines war sehr hart, aber reinlich.
Der Eingang in das Sarnthal bis etwa auf eine Stunde von dem Hauptorte ist ein großartiger Tobel. Der Weg führt bis dahin wohl ein paar Tausend Fuß über dem Rinnsal des Baches an rothen Porphyrwänden entlang, und nur selten fällt ein Blick hinunter in die schäumende Fluth. Auf der andern Seite sieht man die Felsenwände mächtig aufgeschoben, in schmalen Thälchen eingerissen, bald steil abfallend, bald lang hingestreckt und wohlbebaut. Auf der Seite
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