Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

und überall die rührigen Geschäfte des unschuldigen Landlebens - hier aber in der Stadt z. B. die drei Potentaten aus dem Morgenlande mit ihren Decorationen auf der Brust, König Melchior, der Weißbart, von Arabien und Nubien; König Balthasar von Godelia *) und Saba; Caspar, der Mohr, ein König von Tharsis und Egriskylla, sämmtlich auf ihren Apfelschimmeln über den Residenzplatz courbettirend, nach Bethlehem zu, wo die neue Zeit in der Wiege liegt, voran die Läufer von Madian und Epha, hinterdrein unendliches Gefolge, die Ritter auf schäumenden Rossen, das reisige Gesinde auf Kamelen, Elephanten und Nilpferden; ferner Herodes auf dem Söller der gothischen Königsburg, umgeben von dem großen Cortege und seiner Schweizergarde, von Hohenpriestern und Schriftgelehrten, Zeichendeutern, Astrologen, Wunderdoctoren, von Derwischen aller Art, Herodes, der Conservative, etwas unangenehm berührt durch den Stern der Zukunft der über dem Lande steht, gleichwohl aber die drei weisen Souveräne, welche ihm nachgehen, listig becomplimentirend - auf den Balconen der Palazzi halbmaskirte Contessen aus Judäa, welche mit der mohrischen Ritterschaft und einem hohen Adel aus Nubien kokettiren; unzähliges Volk von Jerusalem in den verschiedenen malerischen Trachten die es damals trug - dieß Alles um Mittag betrachtet, wenn die dreizehn Thurmuhren nacheinander zwölf Uhr schlagen, während die hierosolymitanische Wachparade musicirend aufzieht und der Brunnen Davids in orientalischen Cadenzen niederplätschert - das muß seyn um zu vergehen vor lauter Sehnsucht nach dem Morgenlande!

Es ist schwer einem vertrockneten Herzen den Eindruck zu schildern, den diese geschnitzelte Poesie auf ein empfängliches Gemüth macht. Wer es nicht selber erlebt, der enthalte sich wenigstens aller Bitterkeit, und wenn etwa einer mäkelt daß sich da laut Beschreibung manch Unverträgliches

*) Ueber die Gelegenheit dieser und der nächstgenannten Ländereien siehe: Gustav Schwab, die Legende von den heiligen drei Königen von Johannes v. Hildesheim. Stuttgart und Tübingen, 1822. J. G. Cotta'sche Buchhandlung.

und überall die rührigen Geschäfte des unschuldigen Landlebens – hier aber in der Stadt z. B. die drei Potentaten aus dem Morgenlande mit ihren Decorationen auf der Brust, König Melchior, der Weißbart, von Arabien und Nubien; König Balthasar von Godelia *) und Saba; Caspar, der Mohr, ein König von Tharsis und Egriskylla, sämmtlich auf ihren Apfelschimmeln über den Residenzplatz courbettirend, nach Bethlehem zu, wo die neue Zeit in der Wiege liegt, voran die Läufer von Madian und Epha, hinterdrein unendliches Gefolge, die Ritter auf schäumenden Rossen, das reisige Gesinde auf Kamelen, Elephanten und Nilpferden; ferner Herodes auf dem Söller der gothischen Königsburg, umgeben von dem großen Cortege und seiner Schweizergarde, von Hohenpriestern und Schriftgelehrten, Zeichendeutern, Astrologen, Wunderdoctoren, von Derwischen aller Art, Herodes, der Conservative, etwas unangenehm berührt durch den Stern der Zukunft der über dem Lande steht, gleichwohl aber die drei weisen Souveräne, welche ihm nachgehen, listig becomplimentirend – auf den Balconen der Palazzi halbmaskirte Contessen aus Judäa, welche mit der mohrischen Ritterschaft und einem hohen Adel aus Nubien kokettiren; unzähliges Volk von Jerusalem in den verschiedenen malerischen Trachten die es damals trug – dieß Alles um Mittag betrachtet, wenn die dreizehn Thurmuhren nacheinander zwölf Uhr schlagen, während die hierosolymitanische Wachparade musicirend aufzieht und der Brunnen Davids in orientalischen Cadenzen niederplätschert – das muß seyn um zu vergehen vor lauter Sehnsucht nach dem Morgenlande!

Es ist schwer einem vertrockneten Herzen den Eindruck zu schildern, den diese geschnitzelte Poesie auf ein empfängliches Gemüth macht. Wer es nicht selber erlebt, der enthalte sich wenigstens aller Bitterkeit, und wenn etwa einer mäkelt daß sich da laut Beschreibung manch Unverträgliches

*) Ueber die Gelegenheit dieser und der nächstgenannten Ländereien siehe: Gustav Schwab, die Legende von den heiligen drei Königen von Johannes v. Hildesheim. Stuttgart und Tübingen, 1822. J. G. Cotta’sche Buchhandlung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0384" n="380"/>
und überall die rührigen Geschäfte des unschuldigen Landlebens &#x2013; hier aber in der Stadt z. B. die drei Potentaten aus dem Morgenlande mit ihren Decorationen auf der Brust, König Melchior, der Weißbart, von Arabien und Nubien; König Balthasar von Godelia <note place="foot" n="*)">Ueber die Gelegenheit dieser und der nächstgenannten Ländereien siehe: Gustav Schwab, die Legende von den heiligen drei Königen von Johannes v. Hildesheim. Stuttgart und Tübingen, 1822. J. G. Cotta&#x2019;sche Buchhandlung.</note> und Saba; Caspar, der Mohr, ein König von Tharsis und Egriskylla, sämmtlich auf ihren Apfelschimmeln über den Residenzplatz courbettirend, nach Bethlehem zu, wo die neue Zeit in der Wiege liegt, voran die Läufer von Madian und Epha, hinterdrein unendliches Gefolge, die Ritter auf schäumenden Rossen, das reisige Gesinde auf Kamelen, Elephanten und Nilpferden; ferner Herodes auf dem Söller der gothischen Königsburg, umgeben von dem großen Cortege und seiner Schweizergarde, von Hohenpriestern und Schriftgelehrten, Zeichendeutern, Astrologen, Wunderdoctoren, von Derwischen aller Art, Herodes, der Conservative, etwas unangenehm berührt durch den Stern der Zukunft der über dem Lande steht, gleichwohl aber die drei weisen Souveräne, welche ihm nachgehen, listig becomplimentirend &#x2013; auf den Balconen der Palazzi halbmaskirte Contessen aus Judäa, welche mit der mohrischen Ritterschaft und einem hohen Adel aus Nubien kokettiren; unzähliges Volk von Jerusalem in den verschiedenen malerischen Trachten die es damals trug &#x2013; dieß Alles um Mittag betrachtet, wenn die dreizehn Thurmuhren nacheinander zwölf Uhr schlagen, während die hierosolymitanische Wachparade musicirend aufzieht und der Brunnen Davids in orientalischen Cadenzen niederplätschert &#x2013; das muß seyn um zu vergehen vor lauter Sehnsucht nach dem Morgenlande!</p>
        <p>Es ist schwer einem vertrockneten Herzen den Eindruck zu schildern, den diese geschnitzelte Poesie auf ein empfängliches Gemüth macht. Wer es nicht selber erlebt, der enthalte sich wenigstens aller Bitterkeit, und wenn etwa einer mäkelt daß sich da laut Beschreibung manch Unverträgliches
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0384] und überall die rührigen Geschäfte des unschuldigen Landlebens – hier aber in der Stadt z. B. die drei Potentaten aus dem Morgenlande mit ihren Decorationen auf der Brust, König Melchior, der Weißbart, von Arabien und Nubien; König Balthasar von Godelia *) und Saba; Caspar, der Mohr, ein König von Tharsis und Egriskylla, sämmtlich auf ihren Apfelschimmeln über den Residenzplatz courbettirend, nach Bethlehem zu, wo die neue Zeit in der Wiege liegt, voran die Läufer von Madian und Epha, hinterdrein unendliches Gefolge, die Ritter auf schäumenden Rossen, das reisige Gesinde auf Kamelen, Elephanten und Nilpferden; ferner Herodes auf dem Söller der gothischen Königsburg, umgeben von dem großen Cortege und seiner Schweizergarde, von Hohenpriestern und Schriftgelehrten, Zeichendeutern, Astrologen, Wunderdoctoren, von Derwischen aller Art, Herodes, der Conservative, etwas unangenehm berührt durch den Stern der Zukunft der über dem Lande steht, gleichwohl aber die drei weisen Souveräne, welche ihm nachgehen, listig becomplimentirend – auf den Balconen der Palazzi halbmaskirte Contessen aus Judäa, welche mit der mohrischen Ritterschaft und einem hohen Adel aus Nubien kokettiren; unzähliges Volk von Jerusalem in den verschiedenen malerischen Trachten die es damals trug – dieß Alles um Mittag betrachtet, wenn die dreizehn Thurmuhren nacheinander zwölf Uhr schlagen, während die hierosolymitanische Wachparade musicirend aufzieht und der Brunnen Davids in orientalischen Cadenzen niederplätschert – das muß seyn um zu vergehen vor lauter Sehnsucht nach dem Morgenlande! Es ist schwer einem vertrockneten Herzen den Eindruck zu schildern, den diese geschnitzelte Poesie auf ein empfängliches Gemüth macht. Wer es nicht selber erlebt, der enthalte sich wenigstens aller Bitterkeit, und wenn etwa einer mäkelt daß sich da laut Beschreibung manch Unverträgliches *) Ueber die Gelegenheit dieser und der nächstgenannten Ländereien siehe: Gustav Schwab, die Legende von den heiligen drei Königen von Johannes v. Hildesheim. Stuttgart und Tübingen, 1822. J. G. Cotta’sche Buchhandlung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/384
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/384>, abgerufen am 23.07.2024.