Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.und Todesnahen erhalten worden sind. Hier im Ultnerbade wird nicht allein von den böhmischen Musikanten, die alljährlich sich einfinden, Tafelmusik aufgespielt, sondern des Abends auch zum Tanze und nicht etwa auf einen Dreher oder zwei, sondern gleich bis nach Mitternacht; ja wenn unternehmende Jugend beisammen ist, geht's oft schon wieder in der Frühe hinüber in den Ballsaal. Freilich sagt man, wie an andern Orten, so auch in Ulten: es heißt halt a nicht mehr - aber mir scheint's noch immer ein sehr ausgiebiges Trumm von Weltlust. Wenn man übrigens in ältern Büchern nachschlägt, so findet man, daß diese Badefreuden des Sommers auch schon ein ziemliches Alter für sich anführen können. So haben wir Nachrichten über das Bad zu Maistatt im Pusterthale, wo im Jahre 1511 Kaiser Max selbst längere Zeit sich aufhielt und seine heitere Laune spielen ließ. Die Badegesellschaft nannte sich die Hanse und legte ein eigenes Hansenbuch an für ihre Namen und geistreichen Einfälle. Das Badeleben an demselben Orte zeichnete sich auch im vorigen Jahrhundert wieder durch einen früherwachten Sprachreinigungstrieb sehr vortheilhaft vor andern aus. Für jedes Wort eines Gastes, das nicht ganz "glatt und reindeutsch" wäre, sollte nach Statut von 1733 ein Kreuzer bezahlt werden. Das Strafgeld betrug nach Ablauf der Curzeit 21 fl. 6 kr. und wurde der Capelle zugewendet. Es waren also im Maistätter-Bad während weniger Monate eintausend zweihundertundsechsundsechzig undeutsche Worte gebraucht worden. So erzählt auch Guler von Wineck am Anfange des siebzehnten Jahrhunderts vom Bade bei Worms (Bormio im Vältelin), wie dasselbe weit berühmt sey bei Holländern und Gothen, so daß bei ihnen das Sprüchwort gelte: Wormserbad heilt allen Schad - wie da frei stehe Männern und Weibern zu ihrem Gefallen zu baden, wo sie gerne wollen, doch in aller Zucht und Ehrbarkeit, eine Anmerkung, die der Zeichner des beigefügten Holzschnittes freilich übersehen zu haben scheint. Nach einer etwas anzüglichen Bemerkung über die deutschen Frauen, die dahin kommen, fährt der ehrliche Bündner fort: "Insbesondere ist das Bad gebraucht von den Etschleuten, und Todesnahen erhalten worden sind. Hier im Ultnerbade wird nicht allein von den böhmischen Musikanten, die alljährlich sich einfinden, Tafelmusik aufgespielt, sondern des Abends auch zum Tanze und nicht etwa auf einen Dreher oder zwei, sondern gleich bis nach Mitternacht; ja wenn unternehmende Jugend beisammen ist, geht’s oft schon wieder in der Frühe hinüber in den Ballsaal. Freilich sagt man, wie an andern Orten, so auch in Ulten: es heißt halt a nicht mehr – aber mir scheint’s noch immer ein sehr ausgiebiges Trumm von Weltlust. Wenn man übrigens in ältern Büchern nachschlägt, so findet man, daß diese Badefreuden des Sommers auch schon ein ziemliches Alter für sich anführen können. So haben wir Nachrichten über das Bad zu Maistatt im Pusterthale, wo im Jahre 1511 Kaiser Max selbst längere Zeit sich aufhielt und seine heitere Laune spielen ließ. Die Badegesellschaft nannte sich die Hanse und legte ein eigenes Hansenbuch an für ihre Namen und geistreichen Einfälle. Das Badeleben an demselben Orte zeichnete sich auch im vorigen Jahrhundert wieder durch einen früherwachten Sprachreinigungstrieb sehr vortheilhaft vor andern aus. Für jedes Wort eines Gastes, das nicht ganz „glatt und reindeutsch“ wäre, sollte nach Statut von 1733 ein Kreuzer bezahlt werden. Das Strafgeld betrug nach Ablauf der Curzeit 21 fl. 6 kr. und wurde der Capelle zugewendet. Es waren also im Maistätter-Bad während weniger Monate eintausend zweihundertundsechsundsechzig undeutsche Worte gebraucht worden. So erzählt auch Guler von Wineck am Anfange des siebzehnten Jahrhunderts vom Bade bei Worms (Bormio im Vältelin), wie dasselbe weit berühmt sey bei Holländern und Gothen, so daß bei ihnen das Sprüchwort gelte: Wormserbad heilt allen Schad – wie da frei stehe Männern und Weibern zu ihrem Gefallen zu baden, wo sie gerne wollen, doch in aller Zucht und Ehrbarkeit, eine Anmerkung, die der Zeichner des beigefügten Holzschnittes freilich übersehen zu haben scheint. 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So haben wir Nachrichten über das Bad zu Maistatt im Pusterthale, wo im Jahre 1511 Kaiser Max selbst längere Zeit sich aufhielt und seine heitere Laune spielen ließ. Die Badegesellschaft nannte sich die Hanse und legte ein eigenes Hansenbuch an für ihre Namen und geistreichen Einfälle. Das Badeleben an demselben Orte zeichnete sich auch im vorigen Jahrhundert wieder durch einen früherwachten Sprachreinigungstrieb sehr vortheilhaft vor andern aus. Für jedes Wort eines Gastes, das nicht ganz „glatt und reindeutsch“ wäre, sollte nach Statut von 1733 ein Kreuzer bezahlt werden. Das Strafgeld betrug nach Ablauf der Curzeit 21 fl. 6 kr. und wurde der Capelle zugewendet. Es waren also im Maistätter-Bad während weniger Monate eintausend zweihundertundsechsundsechzig undeutsche Worte gebraucht worden. So erzählt auch Guler von Wineck am Anfange des siebzehnten Jahrhunderts vom Bade bei Worms (Bormio im Vältelin), wie dasselbe weit berühmt sey bei Holländern und Gothen, so daß bei ihnen das Sprüchwort gelte: Wormserbad heilt allen Schad – wie da frei stehe Männern und Weibern zu ihrem Gefallen zu baden, wo sie gerne wollen, doch in aller Zucht und Ehrbarkeit, eine Anmerkung, die der Zeichner des beigefügten Holzschnittes freilich übersehen zu haben scheint. Nach einer etwas anzüglichen Bemerkung über die deutschen Frauen, die dahin kommen, fährt der ehrliche Bündner fort: „Insbesondere ist das Bad gebraucht von den Etschleuten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [363/0367]
und Todesnahen erhalten worden sind. Hier im Ultnerbade wird nicht allein von den böhmischen Musikanten, die alljährlich sich einfinden, Tafelmusik aufgespielt, sondern des Abends auch zum Tanze und nicht etwa auf einen Dreher oder zwei, sondern gleich bis nach Mitternacht; ja wenn unternehmende Jugend beisammen ist, geht’s oft schon wieder in der Frühe hinüber in den Ballsaal. Freilich sagt man, wie an andern Orten, so auch in Ulten: es heißt halt a nicht mehr – aber mir scheint’s noch immer ein sehr ausgiebiges Trumm von Weltlust. Wenn man übrigens in ältern Büchern nachschlägt, so findet man, daß diese Badefreuden des Sommers auch schon ein ziemliches Alter für sich anführen können. So haben wir Nachrichten über das Bad zu Maistatt im Pusterthale, wo im Jahre 1511 Kaiser Max selbst längere Zeit sich aufhielt und seine heitere Laune spielen ließ. Die Badegesellschaft nannte sich die Hanse und legte ein eigenes Hansenbuch an für ihre Namen und geistreichen Einfälle. Das Badeleben an demselben Orte zeichnete sich auch im vorigen Jahrhundert wieder durch einen früherwachten Sprachreinigungstrieb sehr vortheilhaft vor andern aus. Für jedes Wort eines Gastes, das nicht ganz „glatt und reindeutsch“ wäre, sollte nach Statut von 1733 ein Kreuzer bezahlt werden. Das Strafgeld betrug nach Ablauf der Curzeit 21 fl. 6 kr. und wurde der Capelle zugewendet. Es waren also im Maistätter-Bad während weniger Monate eintausend zweihundertundsechsundsechzig undeutsche Worte gebraucht worden. So erzählt auch Guler von Wineck am Anfange des siebzehnten Jahrhunderts vom Bade bei Worms (Bormio im Vältelin), wie dasselbe weit berühmt sey bei Holländern und Gothen, so daß bei ihnen das Sprüchwort gelte: Wormserbad heilt allen Schad – wie da frei stehe Männern und Weibern zu ihrem Gefallen zu baden, wo sie gerne wollen, doch in aller Zucht und Ehrbarkeit, eine Anmerkung, die der Zeichner des beigefügten Holzschnittes freilich übersehen zu haben scheint. Nach einer etwas anzüglichen Bemerkung über die deutschen Frauen, die dahin kommen, fährt der ehrliche Bündner fort: „Insbesondere ist das Bad gebraucht von den Etschleuten,
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