Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

und Frauen aus den Maiser Schlössern eingelassen sind. In den Weingärten knallten die Böller, vom Thurme herab schallten die Glocken, und die Weiber und Kinder von Mais liefen wie sie waren neugierig nach und stellten sich in dichtem Gedränge unter die hintere Kirchenpforte, gleich als sey es ungeziemend, bei solcher Feierlichkeit ohne hochzeitliches Kleid sich weiter in das Gotteshaus hineinzuwagen. Als die zarte Braut in ihrer Schüchternheit es übersah mit dem Bräutigam zur rechten Zeit vorzutreten und vom Priester herbeigewinkt werden mußte, brach das hintere Publicum in ein sehr vernehmliches Lachen aus.

Das Brautpaar hatte übrigens für gut befunden seinen Hochzeitschmaus auf der Post zu Meran zu bestellen, und als wir Mittags nach ein Uhr selbst dorthin zu Tische kamen, saßen die Hochzeitsleute schon beim Mahle und zwar an einer langen, mit Blumensträußen schön verzierten Tafel; die Frauen oben, die Männer unten, das Brautpaar in der Mitte, links und rechts zu seinen Seiten geistliche Herren. Das Essen hatte um zwölf Uhr angefangen und sollte in rascher Folge der Gerichte bis zum Abend dauern. Man saß in tiefster Ruhe beisammen und aß. Nur zuweilen ging ein leises Summen durch die Gesellschaft. Später nahmen die Weibsleute der Hitze wegen ihre Spitzelhauben ab und ließen ihre Zöpfe hängen, was sehr zierlich aussah. Als wir um fünf Uhr wieder zur Stelle kamen, fanden wir die Gesellschaft noch beisammen, etwas schweigsamer noch als vorher und ziemlich unverhohlen gähnend. Mit dem Mahle waren alle Freuden aus und die Gäste gingen in tiefer Ruhe wieder auseinander.

In dieser Art werden neuester Zeit in den meisten Gegenden des Landes die Hochzeiten begangen, und da oder dort, wo bisher noch etwas Leben, etwas Heiterkeit und Festtagsjubel gegönnt war, ist man so eben daran sie als unheilig und den guten Sitten gefährlich zu beseitigen. Die Geistlichen erklären, sie könnten bei diesen Hochzeitschmäusen nur dann erscheinen, wenn Musik und Tanz unterbliebe, da sie durch ihre Anwesenheit diesen sündhaften weltlichen Freuden nicht etwa eine stillschweigende Genehmigung verleihen dürften.

und Frauen aus den Maiser Schlössern eingelassen sind. In den Weingärten knallten die Böller, vom Thurme herab schallten die Glocken, und die Weiber und Kinder von Mais liefen wie sie waren neugierig nach und stellten sich in dichtem Gedränge unter die hintere Kirchenpforte, gleich als sey es ungeziemend, bei solcher Feierlichkeit ohne hochzeitliches Kleid sich weiter in das Gotteshaus hineinzuwagen. Als die zarte Braut in ihrer Schüchternheit es übersah mit dem Bräutigam zur rechten Zeit vorzutreten und vom Priester herbeigewinkt werden mußte, brach das hintere Publicum in ein sehr vernehmliches Lachen aus.

Das Brautpaar hatte übrigens für gut befunden seinen Hochzeitschmaus auf der Post zu Meran zu bestellen, und als wir Mittags nach ein Uhr selbst dorthin zu Tische kamen, saßen die Hochzeitsleute schon beim Mahle und zwar an einer langen, mit Blumensträußen schön verzierten Tafel; die Frauen oben, die Männer unten, das Brautpaar in der Mitte, links und rechts zu seinen Seiten geistliche Herren. Das Essen hatte um zwölf Uhr angefangen und sollte in rascher Folge der Gerichte bis zum Abend dauern. Man saß in tiefster Ruhe beisammen und aß. Nur zuweilen ging ein leises Summen durch die Gesellschaft. Später nahmen die Weibsleute der Hitze wegen ihre Spitzelhauben ab und ließen ihre Zöpfe hängen, was sehr zierlich aussah. Als wir um fünf Uhr wieder zur Stelle kamen, fanden wir die Gesellschaft noch beisammen, etwas schweigsamer noch als vorher und ziemlich unverhohlen gähnend. Mit dem Mahle waren alle Freuden aus und die Gäste gingen in tiefer Ruhe wieder auseinander.

In dieser Art werden neuester Zeit in den meisten Gegenden des Landes die Hochzeiten begangen, und da oder dort, wo bisher noch etwas Leben, etwas Heiterkeit und Festtagsjubel gegönnt war, ist man so eben daran sie als unheilig und den guten Sitten gefährlich zu beseitigen. Die Geistlichen erklären, sie könnten bei diesen Hochzeitschmäusen nur dann erscheinen, wenn Musik und Tanz unterbliebe, da sie durch ihre Anwesenheit diesen sündhaften weltlichen Freuden nicht etwa eine stillschweigende Genehmigung verleihen dürften.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0340" n="336"/>
und Frauen aus den Maiser Schlössern eingelassen sind. In den Weingärten knallten die Böller, vom Thurme herab schallten die Glocken, und die Weiber und Kinder von Mais liefen wie sie waren neugierig nach und stellten sich in dichtem Gedränge unter die hintere Kirchenpforte, gleich als sey es ungeziemend, bei solcher Feierlichkeit ohne hochzeitliches Kleid sich weiter in das Gotteshaus hineinzuwagen. Als die zarte Braut in ihrer Schüchternheit es übersah mit dem Bräutigam zur rechten Zeit vorzutreten und vom Priester herbeigewinkt werden mußte, brach das hintere Publicum in ein sehr vernehmliches Lachen aus.</p>
        <p>Das Brautpaar hatte übrigens für gut befunden seinen Hochzeitschmaus auf der Post zu Meran zu bestellen, und als wir Mittags nach ein Uhr selbst dorthin zu Tische kamen, saßen die Hochzeitsleute schon beim Mahle und zwar an einer langen, mit Blumensträußen schön verzierten Tafel; die Frauen oben, die Männer unten, das Brautpaar in der Mitte, links und rechts zu seinen Seiten geistliche Herren. Das Essen hatte um zwölf Uhr angefangen und sollte in rascher Folge der Gerichte bis zum Abend dauern. Man saß in tiefster Ruhe beisammen und aß. Nur zuweilen ging ein leises Summen durch die Gesellschaft. Später nahmen die Weibsleute der Hitze wegen ihre Spitzelhauben ab und ließen ihre Zöpfe hängen, was sehr zierlich aussah. Als wir um fünf Uhr wieder zur Stelle kamen, fanden wir die Gesellschaft noch beisammen, etwas schweigsamer noch als vorher und ziemlich unverhohlen gähnend. Mit dem Mahle waren alle Freuden aus und die Gäste gingen in tiefer Ruhe wieder auseinander.</p>
        <p>In dieser Art werden neuester Zeit in den meisten Gegenden des Landes die Hochzeiten begangen, und da oder dort, wo bisher noch etwas Leben, etwas Heiterkeit und Festtagsjubel gegönnt war, ist man so eben daran sie als unheilig und den guten Sitten gefährlich zu beseitigen. Die Geistlichen erklären, sie könnten bei diesen Hochzeitschmäusen nur dann erscheinen, wenn Musik und Tanz unterbliebe, da sie durch ihre Anwesenheit diesen sündhaften weltlichen Freuden nicht etwa eine stillschweigende Genehmigung verleihen dürften.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0340] und Frauen aus den Maiser Schlössern eingelassen sind. In den Weingärten knallten die Böller, vom Thurme herab schallten die Glocken, und die Weiber und Kinder von Mais liefen wie sie waren neugierig nach und stellten sich in dichtem Gedränge unter die hintere Kirchenpforte, gleich als sey es ungeziemend, bei solcher Feierlichkeit ohne hochzeitliches Kleid sich weiter in das Gotteshaus hineinzuwagen. Als die zarte Braut in ihrer Schüchternheit es übersah mit dem Bräutigam zur rechten Zeit vorzutreten und vom Priester herbeigewinkt werden mußte, brach das hintere Publicum in ein sehr vernehmliches Lachen aus. Das Brautpaar hatte übrigens für gut befunden seinen Hochzeitschmaus auf der Post zu Meran zu bestellen, und als wir Mittags nach ein Uhr selbst dorthin zu Tische kamen, saßen die Hochzeitsleute schon beim Mahle und zwar an einer langen, mit Blumensträußen schön verzierten Tafel; die Frauen oben, die Männer unten, das Brautpaar in der Mitte, links und rechts zu seinen Seiten geistliche Herren. Das Essen hatte um zwölf Uhr angefangen und sollte in rascher Folge der Gerichte bis zum Abend dauern. Man saß in tiefster Ruhe beisammen und aß. Nur zuweilen ging ein leises Summen durch die Gesellschaft. Später nahmen die Weibsleute der Hitze wegen ihre Spitzelhauben ab und ließen ihre Zöpfe hängen, was sehr zierlich aussah. Als wir um fünf Uhr wieder zur Stelle kamen, fanden wir die Gesellschaft noch beisammen, etwas schweigsamer noch als vorher und ziemlich unverhohlen gähnend. Mit dem Mahle waren alle Freuden aus und die Gäste gingen in tiefer Ruhe wieder auseinander. In dieser Art werden neuester Zeit in den meisten Gegenden des Landes die Hochzeiten begangen, und da oder dort, wo bisher noch etwas Leben, etwas Heiterkeit und Festtagsjubel gegönnt war, ist man so eben daran sie als unheilig und den guten Sitten gefährlich zu beseitigen. Die Geistlichen erklären, sie könnten bei diesen Hochzeitschmäusen nur dann erscheinen, wenn Musik und Tanz unterbliebe, da sie durch ihre Anwesenheit diesen sündhaften weltlichen Freuden nicht etwa eine stillschweigende Genehmigung verleihen dürften.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/340
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/340>, abgerufen am 23.07.2024.