Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Trachtenbildern, noch besonders ausgezeichnet durch lange über den Rücken hängende Zöpfe. Manchmal sieht man sie auch statt in weißen Loden, in rothe Röcke gekleidet, und diese Eigenthümlichkeit zusammen mit der modiusartigen Kopfbedeckung bildet ganz und gar die Kennzeichen der Tracht, welche noch heutigen Tages im vorarlbergischen Montavon ebräuchlich. Da die Gegend von Pfafflar nach obiger Auseinandersetzung gleichwie das Montavon früher romanisch war, so könnte man diese Tracht nicht ohne Wahrscheinlichkeit für altromanische Mode halten. Gegenwärtig tragen sich die Weiber von Pfafflar wie die Lechthalerinnen, nur viel ärmlicher und schlechter. Die letzten dreißig Jahre sind den Trachten sehr schädlich gewesen. Die Manieren der Lechthaler schienen mir sehr lobenswerth. Ich fand auf den Wegen, in den Häusern, wo ich des öfter einfallenden Regens wegen unterstand, und in den Herbergen eine körnige Freundlichkeit, viele Freude an dem Fremden, die volle gebirglerische Neugier, im Ganzen ein höchst gefälliges Wesen. Zu diesen Bemerkungen bin ich freilich nur unter den mittlern Leuten gekommen, denn mit den lechthalischen Geldfürsten führte mich mein Stern nicht zusammen. In der Nachbarschaft sind indeß die Herren Bauern von Elbingenalp und Holzgau nicht besonders beliebt. Zumal in Reute gelten sie als spröde und geldstolz. Die Lechthaler wissen dieß auch, machen sich aber nicht viel daraus. Herr, sagte mir ein Gesprächsfreund, was kümmert uns das! Kommen wir hinab, so können wir immer noch fragen, was kostet ganz Reute? Dieses Bewußtseyn des eigenen Werthes hat die Lechthaler schon lange zu dem Wunsche geführt, sich unabhängig von Reute und ein eigenes Landgericht zu Elbigenalp zu sehen. Sie wollen dazu auch eine historische Berechtigung haben, denn bei dem Weiler Seesumpf zwischen Elbigenalp und Holzgau stand ehemals ein schloßartiges Gebäude, der Dingstuhl genannt, wo in grauer Vorzeit für das ganze Lechthal Gericht gehalten wurde. Die Wanderzüge und Heimfahrten der Lechthaler sind also schon vor geraumer Zeit abgekommen. Da sich nun der Trachtenbildern, noch besonders ausgezeichnet durch lange über den Rücken hängende Zöpfe. Manchmal sieht man sie auch statt in weißen Loden, in rothe Röcke gekleidet, und diese Eigenthümlichkeit zusammen mit der modiusartigen Kopfbedeckung bildet ganz und gar die Kennzeichen der Tracht, welche noch heutigen Tages im vorarlbergischen Montavon ebräuchlich. Da die Gegend von Pfafflar nach obiger Auseinandersetzung gleichwie das Montavon früher romanisch war, so könnte man diese Tracht nicht ohne Wahrscheinlichkeit für altromanische Mode halten. Gegenwärtig tragen sich die Weiber von Pfafflar wie die Lechthalerinnen, nur viel ärmlicher und schlechter. Die letzten dreißig Jahre sind den Trachten sehr schädlich gewesen. Die Manieren der Lechthaler schienen mir sehr lobenswerth. Ich fand auf den Wegen, in den Häusern, wo ich des öfter einfallenden Regens wegen unterstand, und in den Herbergen eine körnige Freundlichkeit, viele Freude an dem Fremden, die volle gebirglerische Neugier, im Ganzen ein höchst gefälliges Wesen. Zu diesen Bemerkungen bin ich freilich nur unter den mittlern Leuten gekommen, denn mit den lechthalischen Geldfürsten führte mich mein Stern nicht zusammen. In der Nachbarschaft sind indeß die Herren Bauern von Elbingenalp und Holzgau nicht besonders beliebt. Zumal in Reute gelten sie als spröde und geldstolz. Die Lechthaler wissen dieß auch, machen sich aber nicht viel daraus. Herr, sagte mir ein Gesprächsfreund, was kümmert uns das! Kommen wir hinab, so können wir immer noch fragen, was kostet ganz Reute? Dieses Bewußtseyn des eigenen Werthes hat die Lechthaler schon lange zu dem Wunsche geführt, sich unabhängig von Reute und ein eigenes Landgericht zu Elbigenalp zu sehen. Sie wollen dazu auch eine historische Berechtigung haben, denn bei dem Weiler Seesumpf zwischen Elbigenalp und Holzgau stand ehemals ein schloßartiges Gebäude, der Dingstuhl genannt, wo in grauer Vorzeit für das ganze Lechthal Gericht gehalten wurde. Die Wanderzüge und Heimfahrten der Lechthaler sind also schon vor geraumer Zeit abgekommen. Da sich nun der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="28"/> Trachtenbildern, noch besonders ausgezeichnet durch lange über den Rücken hängende Zöpfe. Manchmal sieht man sie auch statt in weißen Loden, in rothe Röcke gekleidet, und diese Eigenthümlichkeit zusammen mit der modiusartigen Kopfbedeckung bildet ganz und gar die Kennzeichen der Tracht, welche noch heutigen Tages im vorarlbergischen Montavon ebräuchlich. Da die Gegend von Pfafflar nach obiger Auseinandersetzung gleichwie das Montavon früher romanisch war, so könnte man diese Tracht nicht ohne Wahrscheinlichkeit für altromanische Mode halten. Gegenwärtig tragen sich die Weiber von Pfafflar wie die Lechthalerinnen, nur viel ärmlicher und schlechter. Die letzten dreißig Jahre sind den Trachten sehr schädlich gewesen.</p> <p>Die Manieren der Lechthaler schienen mir sehr lobenswerth. Ich fand auf den Wegen, in den Häusern, wo ich des öfter einfallenden Regens wegen unterstand, und in den Herbergen eine körnige Freundlichkeit, viele Freude an dem Fremden, die volle gebirglerische Neugier, im Ganzen ein höchst gefälliges Wesen. Zu diesen Bemerkungen bin ich freilich nur unter den mittlern Leuten gekommen, denn mit den lechthalischen Geldfürsten führte mich mein Stern nicht zusammen. In der Nachbarschaft sind indeß die Herren Bauern von Elbingenalp und Holzgau nicht besonders beliebt. Zumal in Reute gelten sie als spröde und geldstolz. Die Lechthaler wissen dieß auch, machen sich aber nicht viel daraus. Herr, sagte mir ein Gesprächsfreund, was kümmert uns das! Kommen wir hinab, so können wir immer noch fragen, was kostet ganz Reute? Dieses Bewußtseyn des eigenen Werthes hat die Lechthaler schon lange zu dem Wunsche geführt, sich unabhängig von Reute und ein eigenes Landgericht zu Elbigenalp zu sehen. Sie wollen dazu auch eine historische Berechtigung haben, denn bei dem Weiler Seesumpf zwischen Elbigenalp und Holzgau stand ehemals ein schloßartiges Gebäude, der Dingstuhl genannt, wo in grauer Vorzeit für das ganze Lechthal Gericht gehalten wurde.</p> <p>Die Wanderzüge und Heimfahrten der Lechthaler sind also schon vor geraumer Zeit abgekommen. Da sich nun der </p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0033]
Trachtenbildern, noch besonders ausgezeichnet durch lange über den Rücken hängende Zöpfe. Manchmal sieht man sie auch statt in weißen Loden, in rothe Röcke gekleidet, und diese Eigenthümlichkeit zusammen mit der modiusartigen Kopfbedeckung bildet ganz und gar die Kennzeichen der Tracht, welche noch heutigen Tages im vorarlbergischen Montavon ebräuchlich. Da die Gegend von Pfafflar nach obiger Auseinandersetzung gleichwie das Montavon früher romanisch war, so könnte man diese Tracht nicht ohne Wahrscheinlichkeit für altromanische Mode halten. Gegenwärtig tragen sich die Weiber von Pfafflar wie die Lechthalerinnen, nur viel ärmlicher und schlechter. Die letzten dreißig Jahre sind den Trachten sehr schädlich gewesen.
Die Manieren der Lechthaler schienen mir sehr lobenswerth. Ich fand auf den Wegen, in den Häusern, wo ich des öfter einfallenden Regens wegen unterstand, und in den Herbergen eine körnige Freundlichkeit, viele Freude an dem Fremden, die volle gebirglerische Neugier, im Ganzen ein höchst gefälliges Wesen. Zu diesen Bemerkungen bin ich freilich nur unter den mittlern Leuten gekommen, denn mit den lechthalischen Geldfürsten führte mich mein Stern nicht zusammen. In der Nachbarschaft sind indeß die Herren Bauern von Elbingenalp und Holzgau nicht besonders beliebt. Zumal in Reute gelten sie als spröde und geldstolz. Die Lechthaler wissen dieß auch, machen sich aber nicht viel daraus. Herr, sagte mir ein Gesprächsfreund, was kümmert uns das! Kommen wir hinab, so können wir immer noch fragen, was kostet ganz Reute? Dieses Bewußtseyn des eigenen Werthes hat die Lechthaler schon lange zu dem Wunsche geführt, sich unabhängig von Reute und ein eigenes Landgericht zu Elbigenalp zu sehen. Sie wollen dazu auch eine historische Berechtigung haben, denn bei dem Weiler Seesumpf zwischen Elbigenalp und Holzgau stand ehemals ein schloßartiges Gebäude, der Dingstuhl genannt, wo in grauer Vorzeit für das ganze Lechthal Gericht gehalten wurde.
Die Wanderzüge und Heimfahrten der Lechthaler sind also schon vor geraumer Zeit abgekommen. Da sich nun der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |